Die Neurologie an der Universität Jena blickt auf eine lange Tradition in Patientenversorgung, Forschung und Lehre zurück. Bedeutende Jenaer Nervenärzte wie Otto Binswanger und Hans Berger prägten das Fachgebiet zu Beginn des 20. Jahrhunderts maßgeblich. Aktuell arbeiten über 80 Mitarbeiter in der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Behandlung und Erforschung neurologischer Krankheitsbilder. Die Klinik bietet ein breites klinisches Leistungsspektrum und modernste diagnostische und therapeutische Möglichkeiten.
Personalien und Schwerpunkte der Klinik für Neurologie
Professor Christian Geis übernimmt die Leitung
Die Klinik für Neurologie hat mit Prof. Dr. Christian Geis einen neuen Direktor gewonnen. Geis, ein erfahrener und engagierter Neurologe, war bereits zuvor in Jena tätig. Er übernimmt die Position von Prof. Dr. Matthias Schwab, der die Klinik kommissarisch leitete. Geis ist fasziniert vom Gehirn und dem Nervensystem. Für ihn ist die Neurologie das spannendste Fach der Medizin, da es noch zahlreiche unverstandene Mechanismen im Gehirn gibt, die unser Wahrnehmen, Denken und Verhalten steuern. Zudem ermöglicht das Fachgebiet, Forschung, Diagnostik und Therapie in einzigartiger Weise zu verbinden.
Geis' Schwerpunkte in der Neurologie
Christian Geis möchte das gesamte Versorgungsspektrum der Neurologie auf universitärem Niveau abdecken. Einige Themenbereiche liegen ihm besonders am Herzen:
- Neuroimmunologie: Der Bereich der entzündlichen und chronisch-entzündlichen Nervenerkrankungen wie Autoimmunerkrankungen des Gehirns und des Nervensystems sowie Multiple Sklerose soll weiter ausgebaut und innovative Therapieverfahren sollen an der Klinik etabliert werden.
- Neurologische Intensiv- und Akutmedizin: Hier soll der Fokus auf die einzige rein neurologisch geführte Intensivstation Thüringens gelegt werden.
- Neurodegenerative Erkrankungen: Auch dieser Bereich soll verstärkt in den Fokus genommen werden.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Eine Vielzahl von neuen Therapieverfahren sind in den vergangenen Jahren entwickelt worden. Diese innovativen Behandlungsmethoden sollen durch klinische Studien im Thüringer Muskelzentrum begleitet und untersucht werden.
Interprofessionelle Ausbildungsstation
Auf der Stroke Unit in der Klinik für Neurologie soll eine interprofessionelle Ausbildungsstation eingerichtet werden. Medizinstudierende im Praktischen Jahr betreuen gemeinsam mit Pflegeschülerinnen und -schülern im dritten Ausbildungsjahr unter Anleitung und ständiger Supervision eigenständig Patientinnen und Patienten. Weitere Gesundheitsberufe wie Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie werden ebenfalls einbezogen.
Professor Matthias Gawlitza leitet die Sektion Neuroradiologie
Zum Wintersemester hat Prof. Dr. Matthias Gawlitza die Professur für Neuroradiologie an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena angetreten. Gleichzeitig übernimmt er die Leitung der Sektion Neuroradiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Gawlitza studierte Humanmedizin in Mainz und promovierte zum Thema Schmerzgedächtnis. Seine Facharztausbildung für Radiologie sowie seine Spezialisierung in Neuroradiologie absolvierte er am Universitätsklinikum Leipzig. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der bildgestützten Diagnostik und der minimal-invasiven Therapie von Schlaganfällen und Aneurysmen. Er gründete und leitete in Dresden die Arbeitsgruppe „Experimentelle Neurointervention“. Nach Jena bringt er neben einer Fachärztin auch ein Forschungsprojekt zur Individualisierung von Gefäßstützen, sogenannter Stents, mit.
Lesen Sie auch: Ambulante Neurochirurgie in Jena: Spezialisten für Ihre Gesundheit
Gawlitzas Fokus in der Patientenversorgung
In der Patientenversorgung fokussiert Gawlitza die vaskuläre und interventionelle Neuroradiologie, d.h. vor allem die Diagnostik und Therapie des Schlaganfalls sowie von angeborenen oder erworbenen Gefäßfehlbildungen des zentralen Nervensystems, vor allem von Aneurysmen. Dabei setzt er Verfahren ein, bei denen von der Leiste des Patienten aus über einen Katheter die Blutgefäße des Gehirns erreicht und therapiert werden. So können bei Schlaganfallpatienten häufig die Gerinnsel entfernt werden, die die Blutzufuhr zum Gehirn unterbinden. Aneurysmen und krankhafte Kurzschlussverbindungen werden durch diese minimal-invasive Verfahren verschlossen.
Forschungsschwerpunkte und Projekte
BrainAGE: Vorhersage des individuellen Gehirnalters
Die Forschungsgruppe "Structural Brain Mapping" gehört zu den Kliniken für Neurologie und Psychiatrie des Universitätsklinikums Jena. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung und Anwendung von Methoden, um die Hirnstruktur in MRT-Bildern zu analysieren. Die Gruppe hat eine Methode entwickelt, die altersbedingte Veränderungen im gesamten Gehirn mittels eines Machine Learning-Algorithmus lernt. Das geschätzte Hirnalter wird mit dem chronologischen Alter verglichen und die Differenz (BrainAGE) gibt Auskunft, ob z.B. ein beschleunigter Alterungsprozess vorliegt.
In einem Teilprojekt soll diese Methode benutzt werden, um retrospektiv Daten aus der UK-Biobank sowie aus der LIFE-Adult Studie zu nutzen, um den Zusammenhang zwischen dem MRT-basierten BrainAGE und einer Vielzahl verschiedener Gesundheits- und Lebensstilparameter zu untersuchen. Weiterhin verfolgt das Teilprojekt die Idee, im Rahmen der „Altern als Zukunft“ Studie die Gehirnalterung mit der psychologischen Alterung zu vergleichen. Hierfür sollen bei 100 Probanden der Studie zweimal im Abstand von 3-4 Jahren MRT-Bilder zur BrainAGE-Bestimmung aufgenommen werden. Diese Daten werden dann mit weiteren Alternsmarkern verglichen.
Hochmodernes Magnetfeldtomografiegerät für Hirnbildgebung
Am Universitätsklinikum Jena (UKJ) wurde ein hochmodernes Magnetfeldtomografiegerät installiert. Zum Einsatz kommt das Gerät vor allem für die Hirnbildgebung in Forschungsprojekten des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit, dessen mitteldeutscher Standort in Jena koordiniert wird. Das Gerät arbeitet mit einem Magnetfeld von 7 Tesla, moderne Standardgeräte für die medizinische Diagnostik nutzen 3-Tesla-Felder. Das stärkere Magnetfeld führt zu einer größeren Messempfindlichkeit und damit detaillierteren Aufnahmen. Durch die bessere räumliche Auflösung lassen sich anatomische Strukturen auch unterhalb der Millimetergrenze abbilden.
Das Zentrum mit bundesweit sechs Standorten wird derzeit aufgebaut. Ziel ist es, die Mechanismen psychischer Erkrankungen besser zu verstehen, um deren Erkennung und Behandlung verbessern zu können. Konkrete Themen sind beispielsweise die Untersuchung schwer behandelbarer Depressionen, die Psychotherapieforschung und die Analyse psychischer Störungen, die in der Phase des Erwachsenwerdens entstehen können. Neben stressbedingten Erkrankungen werden Forschungsgruppen aus der Psychologie auch Wahrnehmungsstörungen und Störungen sozialer Verhaltensweisen im Zusammenhang mit psychischen Beeinträchtigungen untersuchen. Einen weiteren Schwerpunkt stellt der Einfluss von Immunfaktoren und Infektionen auf die Gehirnfunktion dar. So werden Studienteams aus der Neurologie die verbesserten Bildgebungsmöglichkeiten zur Erforschung neuroinflammatorischer Erkrankungen nutzen.
Lesen Sie auch: Überblick Neurologen Jena
Individualisierung von Gefäßstützen mittels 3D-Druck
Matthias Gawlitza bringt ein Forschungsprojekt zur Individualisierung von Gefäßstützen, sogenannter Stents, mit nach Jena. In dieser präklinischen Studie wird untersucht, wie individuell auf die Patientenanatomie abgestimmte Stents mithilfe von 3D-Druckverfahren angefertigt werden können.
Weitere Forschungseinrichtungen und Register
- Neuromuskuläres Zentrum (NMZ): Das NMZ gehört zu den Spezialzentren, die sich unter dem Dach des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE) Jena zusammengeschlossen haben und ist am Universitätsklinikum Jena angesiedelt. Zu den am Neuromuskulären Zentrum beteiligten Einrichtungen gehören die Klinik für Neurologie und das SPZ der Klinik für Neuropädiatrie. Im NMZ wird das gesamte Spektrum der neuromuskulären Erkrankungen behandelt.
- JENALS und MND-Net: Überregionale und nationale Register zur Verlaufsbeobachtung von Patienten mit Motoneuronerkrankungen inklusive Biodatenbank.
Motorisches Lernen und Hirnstimulation
Eine weitere Forschungsgruppe nutzt die plastischen Fähigkeiten des Gehirns, um herauszufinden, wie motorisches Lernen gefördert werden kann. Es werden nicht-invasive Hirnstimulationsmethoden wie die repetitive transkranielle Magnetstimulation, die transkranielle Gleichstromstimulation als auch periphere Stimulationstechniken angewendet, um aktivierte Netzwerke mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie zu visualisieren. Diese Erkenntnisse werden auf das geschädigte Gehirn, beispielsweise nach einem Schlaganfall übertragen, mit dem Ziel, eine individualisierte hocheffektive Therapiemethode für eine bestmögliche funktionelle Verbesserung anzuwenden.
Masterstudiengang Kognitive Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft
Die Universität Jena bietet einen Masterstudiengang in Kognitiver Psychologie und Kognitiver Neurowissenschaft an. Dieser forschungsorientierte Master legt den Schwerpunkt auf moderne experimentelle und neurowissenschaftliche Methoden. Der vielfältige Modulplan bietet ein breites Spektrum an neurowissenschaftlichen, kognitiven, sozialen, entwicklungsbezogenen sowie klinischen Themenbereichen. Die Ausbildung erfolgt größtenteils in englischer Sprache.
Besonderheiten des Studiengangs
- Exzellente Forschung: Das Jenaer Institut für Psychologie ist besonders forschungsstark.
- Grenzenlose Möglichkeiten: Internationale Studierende, Lehrende und Forschende fördern den aktiven Austausch.
- Auslandsabenteuer: Ein Auslandssemester ist problemlos möglich.
Berufsperspektiven
Der Masterstudiengang bereitet auf eine spätere Tätigkeit in verschiedenen Berufsfeldern vor, z.B. im Bereich der humanen Neurowissenschaften (z. B. als Datenwissenschaftler/in).
Lesen Sie auch: Neurologie vs. Psychiatrie
tags: #uni #jena #neurologie #forschung