Die Schlaganfallforschung an der Universität Tübingen ist ein dynamisches Feld, das sich durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und innovative Therapieansätze auszeichnet. Ziel ist es, die Behandlung von Schlaganfallpatienten kontinuierlich zu verbessern und ihnen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.
Neurovaskuläre Erkrankungen im Fokus
Die Abteilung Neurologie der Universität Tübingen hat einen Schwerpunkt auf neurovaskuläre Erkrankungen, insbesondere den Schlaganfall. Hier werden Patienten mit ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen sowie Subarachnoidalblutungen behandelt. Auch andere überwachungspflichtige neurologische Erkrankungen wie Status epilepticus, Meningitis oder Guillain-Barré-Syndrom werden auf der Intermediate Care Station (IMC) versorgt.
Überregionale Stroke Unit
Die überregionale Stroke Unit des Universitätsklinikums Tübingen (UKT) bietet eine umfassende, interdisziplinäre Versorgung von Schlaganfallpatienten rund um die Uhr. Im Unterschied zu regionalen Stroke Units kann hier jede Art von Schlaganfall behandelt werden. Ein engagiertes Team aus Ärzten verschiedener Fachrichtungen, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten arbeitet zusammen, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.
Die Akuttherapie umfasst die systemische intravenöse Lysetherapie und Katheterinterventionen zur Wiedereröffnung verschlossener Hirngefäße (endovaskuläre Thrombektomie). Darüber hinaus werden Untersuchungen zur Ursachenklärung des Schlaganfalls durchgeführt und die Patienten kontinuierlich überwacht. Weitere wichtige Aufgaben sind die Sekundärprävention, die Vermeidung von Komplikationen und eine individuell abgestimmte Rehabilitation.
Jeder Monitor-Überwachungsplatz ist mit EKG, Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigungsmessung und weiteren Parametern zur Akutbehandlung ausgestattet. Neben der zerebralen Bildgebung (Computertomographie, Kernspintomographie) wird weitere Diagnostik direkt am Krankenbett durchgeführt, z.B. Doppler-/Duplexsonographie der hirnversorgenden Gefäße und/oder des Herzens oder auch die automatisierte Vorhofflimmerdetektion. Die Akutbehandlung wird sofort eingeleitet, wobei der Grundsatz "Time is Brain" gilt.
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Interdisziplinäre Zusammenarbeit im ZNET
Das UKT ist im Rahmen des Zentrums für neurovaskuläre Erkrankungen (ZNET) in ein regionales Versorgungskonzept eingebunden. Als überregionales Zentrum koordiniert es die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern im neurovaskulären Netzwerk. Patienten können so schnellstmöglich für spezielle Therapiemaßnahmen an das Zentrum verlegt oder durch Spezialisten des UKT vor Ort versorgt werden. Durch den ständigen Austausch im Netzwerk und die Beteiligung der Partner an klinischen Studien profitieren alle Patienten von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Im Rahmen des interdisziplinären Konzepts auf der Stroke Unit finden regelmäßige interne Fortbildungsveranstaltungen statt. Zudem wird ein Qualifikationskurs für die Pflege auf der Stroke Unit angeboten, um spezifische Kenntnisse und Handlungskompetenzen in der Versorgung von Schlaganfallpatienten zu vermitteln.
Innovative Therapieansätze
Die Schlaganfallforschung in Tübingen konzentriert sich auf die Entwicklung und Anwendung innovativer Therapieansätze, um die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten zu verbessern.
Neuroprothetik
Ein vielversprechender Ansatz ist die Neuroprothetik. Motorische Neuroprothesen ermöglichen gelähmten Menschen wieder Mobilität. Über eine Gehirn-Maschine-Schnittstelle (Brain-Machine-Interface, BMI) können sie lernen, Roboterarme mit ihren Hirnwellen zu steuern. Dabei wird die Hirnaktivität direkt in Steuersignale von Maschinen oder Robotern übersetzt.
Eine Studie der Universität Tübingen zeigte, dass die elektrische Stimulation der primären motorischen Großhirnrinde vor dem Training die Steuerung einer Gehirn-Maschine-Schnittstelle verbessert. Probanden lernten schneller, die Handorthese durch ihre Vorstellungskraft zu bewegen, und dieser Effekt war auch nach einem Monat noch feststellbar. In einer Folgestudie soll dieses Verfahren nun bei Patienten mit Schlaganfall getestet werden.
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Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine weitere innovative Behandlungsmethode für Schlaganfallpatienten. Mithilfe starker Magnetfelder werden bestimmte Bereiche des Gehirns stimuliert, um die Hirnregionen therapeutisch zu beeinflussen.
In der Neurologischen Universitätsklinik Tübingen wird die TMS seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt. Die TMS-Therapie besteht in der Regel aus 18 Stimulations-Sitzungen, die mit ärztlichen Vor- und Nachuntersuchungen sowie einer Zwischenuntersuchung kombiniert werden. Üblicherweise werden drei Sitzungen pro Woche über eine Therapiedauer von sechs Wochen durchgeführt. Eine Sitzung dauert bis zu 30 Minuten. Die Behandlung ist nicht-invasiv und muss grundsätzlich mit einer physiotherapeutischen Behandlung kombiniert werden.
Die TMS-Therapie kann eine Verbesserung von Schlaganfallsymptomen begünstigen, vorrangig die Funktionsfähigkeit von Armen und Händen. Studien belegen den Erfolg der TMS, und die Universität Tübingen bietet Schlaganfall-Patienten ambulante Therapien unter Magnetstimulation an.
Ambulante Therapien unter Magnetstimulation und in virtueller Realität
Die Uniklinik Tübingen bietet Schlaganfall-Patienten ambulante Therapien unter Magnetstimulation und in virtueller Realität an. Nach einem Schlaganfall muss das Gehirn verloren gegangene Funktionen wie Laufen, Greifen oder Sprechen mühsam neu erlernen. Ein Therapieansatz, dieses Lernen zu erleichtern, ist die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Wird das Hirn angeregt, so die Theorie, kann es besser neue Verknüpfungen bilden.
In Tübingen verfolgt man einen innovativen Ansatz, dieses Potenzial noch stärker zu fördern. Betroffene erhalten eine individualisierte Stimulation. Das bedeutet, das Gehirn wird nicht großräumig stimuliert, sondern punktgenau in einem Hirnareal. Das Gehirn wird zunächst „vermessen“, um die Magnetstimulation an der optimalen Stelle anzusetzen. Zur Orientierung dient ein MRT-Bild des Gehirns. 20 Minuten dauert dann die eigentliche Stimulation. Anschließend erhalten die Patientinnen und Patienten eine Stunde Therapie, je nach Schädigungsbild Physiotherapie bei Armparesen, Sprachtherapie bei Aphasien. Die Therapieprogramme laufen in der Regel sechs Wochen.
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Klinische Studien
Als neurovaskuläres Studienzentrum bietet die Universität Tübingen ihren Patienten auch die Behandlung im Rahmen klinischer Studien an. Das Studienzentrum für Neuro-Kardio-Vaskuläre Notfall- und Intensivmedizin koordiniert die klinischen Studien in der interdisziplinären Infrastruktur. Synergien bei Planung, Initiierung und Durchführung von Studien und Forschungsprojekten können so effizient genutzt werden. Durch die Beteiligung an klinischen Studien profitieren alle Patienten von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
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