Alois Alzheimer, ein deutscher Psychiater und Neuropathologe, der am 14. Juni 1864 in Marktbreit geboren wurde und am 19. Dezember 1915 in Breslau starb, beschrieb erstmals eine Demenzerkrankung, die heute als Alzheimer-Krankheit bekannt ist. Seine wegweisenden Arbeiten begannen an der Tübinger Universität, wo er den Grundstein für das Verständnis und die Erforschung dieser Krankheit legte.
Alois Alzheimers Anfänge und Entdeckungen
Nach seiner Schulzeit in Aschaffenburg studierte Alzheimer Medizin an den Universitäten Berlin, Tübingen und Würzburg. An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg schrieb er 1887 seine Dissertation zum Thema „Über die Ohrenschmalzdrüsen“. Seine Assistenzzeit verbrachte er an der fortschrittlichen Frankfurter Irrenanstalt, wo er sich intensiv mit histologischen und histopathologischen Studien der Hirnrinde beschäftigte.
Der bahnbrechende Vortrag in Tübingen (1906)
Am 3. November 1906 hielt Dr. Alois Alzheimer in Tübingen einen Vortrag mit dem Titel „Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“. Hier berichtete er über seine erste Alzheimer-Patientin Auguste D., die an einer schweren Krankheit gelitten hatte und deren Gehirn er nach ihrem Tod untersucht hatte. Er schilderte den Fall seiner Patientin Auguste Deter, die im Alter von nur 55 Jahren „total verblödet“ gestorben war, wie es Alzheimer formulierte.
Alzheimer präsentierte die Ergebnisse seiner Untersuchung des Gehirns von Auguste Deter, bei der er deutliche Veränderungen feststellte:
- Ausdünnung der Hirnrinde: Jene Teile der Hirnrinde, die für Gedächtnis, Orientierung und Gefühlsleben zuständig sind, waren stark ausgedünnt.
- Eiweißablagerungen (Plaques): Er fand Ablagerungen, "Plaques", und verfilzte Nervenfaserbündel.
Mit einem neuartigen Färbemittel konnte Alzheimer erstmals auch eine Veränderung der Neurofibrillen nachweisen. Diese Entdeckungen waren revolutionär, da sie den grundlegenden Mechanismus der schwersten und häufigsten Form der Altersdemenz aufzeigten: Die Ablagerungen des Eiweißes Beta-Amyloid in der Hirnrinde führen zum Tod der Nervenzellen und lassen die gesamte Hirnsubstanz schrumpfen.
Lesen Sie auch: Informationen für Alzheimer-Patienten und Angehörige
Die Reaktionen auf Alzheimers Vortrag und seine weitere Karriere
Mit einer Sensation war Alois Alzheimer 1906 nach Tübingen aufgebrochen, tief enttäuscht kehrte er zurück: Sein Vortrag über eine neue "eigenartige Erkrankung der Hirnrinde" stieß auf Desinteresse. Kein einziger Kollege stellte bei der 37. Versammlung Südwestdeutscher Irrenärzte Fragen.
Trotz des anfänglichen Desinteresses setzte Alzheimer seine Forschungen fort. 1907 veröffentlichte er seine Entdeckung in der Schrift „Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“. 1910 verwendete Emil Kraepelin den Fall unter dem Namen „Alzheimersche Krankheit“ in seinem Buch, was für viele Jahre die einzige Beachtung der Forschungsergebnisse Alzheimers bleiben sollte.
1912 erhielt Alzheimer eine ordentliche Professur in Breslau, starb aber drei Jahre später mit nur 51 Jahren an den Folgen einer Infektion.
Das Vermächtnis von Alois Alzheimer und die moderne Alzheimer-Forschung in Tübingen
Erst seit den 1970er Jahren spricht man überhaupt wieder von der Alzheimer'schen Krankheit, weil immer mehr Patienten auftauchen. Die von Alois Alzheimer vor über 100 Jahren entdeckten Veränderungen im Gehirn von Auguste Deter bilden bis heute die Grundlage der aktuellen Alzheimer-Forschung.
Die moderne pathologische Diagnose der Alzheimer-Krankheit basiert noch immer auf denselben Untersuchungsmethoden wie 1906, als Alzheimer diese das erste Mal verwendete.
Lesen Sie auch: Kinder-Alzheimer: Ein umfassender Überblick
Heute befassen sich nicht nur die Forscher in Tübingen, sondern Tausende von Wissenschaftlern weltweit mit den von Alois Alzheimer erstmals entdeckten Strukturveränderungen und abnormalen Eiweißablagerungen im Gehirn.
Aktuelle Forschungsschwerpunkte in Tübingen
Die Tübinger Forschung zur Alzheimer-Krankheit konzentriert sich auf verschiedene Aspekte:
- Früherkennung: Forscher am Universitätsklinikum Tübingen, darunter Prof. Dr. D. Berg und Prof. Dr. G. Eschweiler, befassen sich seit einigen Jahren mit der Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen. Die Tübinger TREND-Studie untersucht Risikofaktoren für neurodegenerative Erkrankungen.
- Bildgebung: Prof. Dr. J. A. Fallgatter erforscht die Rolle der Bildgebung in der Alzheimer-Diagnostik. Mittels der Nah-Infrarot-Spektroskopie konnte in Tübingen beispielsweise eine verminderte Frontalhirnaktivität während des Lösens von Wortaufgaben bei demenziell erkrankten Personen festgestellt werden.
- Molekulare Aspekte: Prof. Dr. M. Jucker stellte die Neuentwicklung eines Tiermodells vor, bei dem das aus der autosomal-dominant vererbten Krankheitsform stammende APP-Gen in die Erbsubstanz von Mäusen eingeschleust wurde. In der Folge erkrankten diese an einer kognitiven Einschränkung vom Alzheimer-Typ.
- Familiäre Alzheimer-Erkrankung: Prof. Dr. C. Laske beschäftigt sich mit familiären Fällen als Schlüssel zur Erforschung der Alzheimer-Erkrankung. Die "DIAN-Studie", die seit 2012 auch in Tübingen läuft, erhofft sich ein besseres Verständnis über den Krankheitsprozess der Demenzform.
- Neuropathologie: Prof. Dr. M. Neumann behandelt die neuropathologischen Aspekte der Erkrankung und betont die besondere Bedeutung des Pathologen in der Diagnosesicherung der Alzheimer-Demenz.
- Prävention und Therapie: Dr. F. Metzger erläutert die Relevanz des mittleren Lebensalters für die Vorbeugung der Erkrankung und stellt medikamentöse Therapieansätze vor. Dr. S. Voigt-Radloff referierte über nicht-medikamentöse Therapieansätze bei Demenz.
Durchbruch in der Forschung: Zusammenhang zwischen Beta-Amyloid-Plaques und Auslösern außerhalb des Gehirns
Tübinger Forscher haben zusammen mit Kollegen aus den USA und der Schweiz dieser Suche neuen Schub gegeben. In einem Science-Beitrag haben Wissenschaftler um Professor Dr. Mathias Jucker und die Erstautorin Dr. Yvonne Eisele vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) in Tübingen und dem Tübinger Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zusammen mit ihren Kollegen Matthias Staufenbiel (Novartis), Mathias Heikenwälder (Universität Zürich) und Lary Walker (Emory Universität in Atlanta) jetzt einen Verdacht bestätigt: Die Beta-Amyloid-Plaques können nicht nur durch Auslöser im Gehirn, sondern auch durch solche in anderen Teilen des Körpers hervorgerufen werden.
Die Forscher haben dazu verdünnte Extrakte aus den Gehirnen verstorbener Alzheimerpatienten direkt in das Gehirn von Mäusen gegeben und abhängig von der Wartezeit (Inkubationszeit) und der Konzentration der Extrakte Amyloid-Ablagerungen in unterschiedlicher Stärke gefunden.
Ihr Ergebnis war eindeutig und bestätigte sich auch nach einer Wiederholung der Versuche in einem anderen Labor: Wird transgenen Mäusen ein Extrakt mit fehlgefaltetem Abeta über den Bauchraum verabreicht, entwickeln sie die für die Alzheimerkrankheit und die zerebrale beta-Amyloid-Angiopathie charakteristischen Ablagerungen im Gehirn. Allerdings treten die Folgen erst nach einer Inkubationszeit von sechs bis sieben Monaten ein.
Lesen Sie auch: Alzheimer und Demenz im Vergleich
Die Herausforderungen der Alzheimer-Krankheit und die Bedeutung der Forschung
Von der geheimnisvollen Alzheimer-Krankheit sind allein in Deutschland 1,2 Millionen Menschen betroffen. Die Zahl derer, die gegen die „Vergessens-Krankheit“ kämpfen, wird angesichts der steigenden Lebenserwartung wohl zunehmen. Für das Jahr 2040 rechnen Experten sogar mit etwa 2 Mio. Betroffenen im gesamten Bundesgebiet. Die Erkrankungshäufigkeit der Alzheimer-Demenz nimmt mit dem Alter rasant zu. Sind in der Gruppe der 65-Jährigen derzeit nur etwa 2% der Menschen betroffen, ist es bei den 85-Jährigen bereits jeder Zweite.
Die Alzheimer-Krankheit hat dramatische Auswirkungen auf die Patienten selbst und ihre Angehörigen. Abgesehen von den hohen Kosten für die Betreuung sind viele Angehörige mit der Situation überfordert und leiden unter eingeschränkter Lebensqualität bis hin zur Depression.
Die Alzheimer-Krankheit ist noch immer unheilbar. Es gibt jedoch Therapien und Medikamente, die den Krankheitsverlauf verzögern und die Lebensqualität der Erkrankten verbessern können. Die Forschung in Tübingen und weltweit spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Präventions- und Therapieansätze.
Gedenken an Alois Alzheimer
An seinem hundertsten Todestag, dem 19. Dezember 2015 wurde eine szenische Lesung der Krankenakte von Frau Auguste Deter, der ersten Patientin der von ihm beschriebenen Gehirnkrankheit, die später seinen Namen erhielt, im Hörsaal des Alzheimer-Auditorium in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen aufgeführt.
tags: #Alois #Alzheimer #Tübingen #Universität