Parkinson-Behandlung an der Uniklinik Tübingen: Ein umfassender Überblick

Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen, von der mehr als 1 % der über 60-Jährigen betroffen sind. Allerdings wird sie auch immer häufiger bei jüngeren Menschen diagnostiziert. An der Universitätsklinik Tübingen wird großer Wert auf eine differenzierte Therapie gelegt, wobei die Erstellung einer sicheren Diagnose im Vordergrund steht. Das Zentrum für Neurologie der Universitätsklinik Tübingen unter der Leitung von Prof. Dr. ist eines der führenden Zentren im Kompetenznetz Parkinson (KNP) und blickt auf eine lange Tradition in der Parkinson-Forschung zurück.

Was ist die Parkinson-Krankheit?

Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Die Häufigkeit der Erkrankung steigt mit dem Lebensalter: von 1,4 % bei den 65-Jährigen auf 3,5 % bei den 85-Jährigen.

Symptome

Klinisch manifestiert sich die Erkrankung durch die Kardinalsymptome Rigor (Steifigkeit), Akinese (Bewegungsarmut), Ruhetremor (Zittern in Ruhe) sowie eine Fallneigung im Krankheitsverlauf. Neben diesen motorischen Charakteristika zeigen sich bei vielen Patienten eine Reihe von nicht-motorischen Begleitsymptomen wie etwa Verstopfung, Riechverlust, Depression, Schlafstörungen. Es besteht jedoch eine außerordentliche Variabilität hinsichtlich Ausprägung und Krankheitsverlauf der einzelnen Symptome. Bis zu 80% der Patienten entwickeln über die Jahre Einschränkungen des Gedächtnisses (kognitive Störungen), insbesondere im Bereich der Handlungsplanung und Problemlöseverhalten (exekutive Dysfunktionen).

Ursachen und Pathophysiologie

Neuropathologisch steht ein präsynaptisches dopaminerges Defizit aufgrund von Degeneration dopaminerger Neurone der Substantia nigra pars compacta im Vordergrund der Erkrankung. Damit einhergehen charakteristische eosinophile intrazytoplasmatische Proteinablagerungen, bekannt als Lewy-Körper, deren Hauptbestandteil das Eiweiß Alpha-Synuklein ist. Dabei zeigt sich im Verlauf der Erkrankung nach dem Modell des Neuroanatomen Braak ein vom Hirnstamm in den Neocortex aufsteigendes Verteilungsmuster dieser Lewy-Körper. Wenn sich die Erkrankung klinisch mit den typischen Bewegungsstörungen manifestiert, sind bereits 50-60% der Dopamin produzierenden Neurone zerstört. Dies legt nahe, dass ein Großteil des neurodegenerativen Prozesses bereits in der sogenannten prodromalen Phase, also im Vorfeld der Diagnosestellung, stattfindet.

Genetische Faktoren

Die Parkinson Erkrankung galt viele Jahre als das Lehrbuch-Beispiel einer sporadischen, nicht-genetischen Erkrankung. Bei einigen Patienten ist jedoch eine familiäre Häufung zu beobachten, was die Beteiligung vererbbarer Faktoren bei der Krankheitsentstehung nahe legt. So haben Angehörige von Parkinsonpatienten gegenüber der Gesamtbevölkerung ein dreifach erhöhtes Risiko, an Parkinson zu erkranken. In den vergangenen 20 Jahren konnten verschiedene Gene gefunden werden, die bei vorliegender Mutation ursächlich für familiäre Formen (autosomal dominant sowie autosomal rezessiv) sind. Zudem ist es im Verlauf der letzten 10 Jahre gelungen, Risikogene zu identifizieren, denen als genetische Risikofaktoren sowie auch der unterschiedlichen Ausprägung des klinischen Bildes (Phänotyps) eine wesentliche Rolle zukommt.

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Diagnostik an der Uniklinik Tübingen

Die Klinik bietet eine Spezial-Ambulanz für Patienten mit Parkinson-Syndromen. Ferner wurden bildgebende Verfahren zur Differentialdiagnose der Parkinson-Syndrome und zur Frühdiagnose entwickelt. Auch Methoden für Langzeittremor-Ableitung werden eingesetzt. Der Schwerpunkt der Forschung an der Uniklinik Tübingen liegt auf der Klassifikation von verschiedenen Patientengruppen anhand klinischer, bildgebender sowie genetischer und molekularer Marker aus dem Blut und Nervenwasser. Dies ist die Basis für die Untersuchung unterschiedlicher Erkrankungsverläufe sowie der Identifizierung möglicher modifizierender Faktoren, deren zugrundeliegender Mechanismen und Vorhersagewert. Besonderes Augenmerk gilt dabei zum einen den genetisch-assoziierten Formen der Erkrankung wie z.B. Patienten mit Mutationen im GBA und LRRK2 Gen. Zum anderen fokussiert die Klinik auf einen der wichtigsten Meilensteine im Verlauf der Erkrankung: die Parkinson-assoziierte Demenz.

Spezialambulanzen der Abteilung Neurodegeneration

Die Uniklinik Tübingen bietet eine Vielzahl von Spezialambulanzen für Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen an:

  • Ataxie-Ambulanz (degenerative Erkrankungen des Kleinhirns)
  • Spezialambulanz für Dystonie und Botulinumtoxinbehandlung
  • Ambulanz für frontotemporale Demenz und andere frühbeginnende Demenzen
  • Ambulanz für Leukodystrophien im Erwachsenenalter
  • ALS-Ambulanz
  • Ambulanz für Neurogeriatrie (ältere Patienten mit Gang- und Gleichgewichtsstörungen)
  • Allgemeine Parkinson-Ambulanz
  • Spezialambulanz für Spastische Spinalparalyse
  • Ambulanz für Tiefe Hirnstimulation und fortgeschrittenes Parkinsonsyndrom

Therapieansätze an der Uniklinik Tübingen

Bisher besteht die Therapie der Parkinson Erkrankung neben nicht-medikamentösen Ansätzen (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) in der rein symptomatischen Gabe von Dopaminergika. Neben der Identifizierung genetischer Einflüsse konnten in den vergangenen Jahren durch Erforschung von Proteinfunktionen und Stoffwechselkaskaden wegweisende Erkenntnisse der Pathophysiologie gesammelt und neue Therapiekonzepte eröffnet werden. Daran anknüpfend beginnen nun erste Studien hinsichtlich einer individualisierten Ursachen-spezifischen Therapie (Alpha-Synuklein-fokussierte Impfung, mitochondriale und lysosomale Enhancer) in einzelnen homogenen Subgruppen. In diesem Rahmen ist zukünftig vielleicht auch das Definieren von Progressionsmarkern und Endpunkten für mögliche Verlaufs-modifizierende Therapien möglich.

Tiefe Hirnstimulation

Bewegungsstörungen wie die Parkinson-Krankheit, Zittern oder Dystonie sprechen manchmal nur eingeschränkt auf gängige Medikamente an. In dieser Situation sind Lebensqualität und Alltagsfunktionen möglicherweise stark eingeschränkt. Eine Therapie mittels Tiefer Hirnstimulation kann Linderungen bringen - vor allem wenn Medikamente keinen stabilen Therapieeffekt erzielen. In das Behandlungsteam eingebunden sind die Kollegen der Univ.-Klinik für Neurochirurgie (Prof. Gharabaghi und Kollegen) sowie der Univ.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Prof. Plewnia und Kollegen). Als Alternative zur Tiefen Hirnstimulation werden an unserem Zentrum auch medikamentöse Pumpentherapien durchgeführt, beispielsweise mittels Apomorphinpumpe oder durch kontinuierliche Pumpentherapie eines löslichen L-Dopa Gels über Sonde in den Dünndarm (sog.

Der besondere Effekt des Hirnschrittmachers bei der Parkinson-Krankheit wurde 2013 in einer großen deutsch-französischen Studie (EarlyStim) erneut belegt: die Tiefe Hirnstimulation erbrachte im Vergleich zur rein medikamentösen Therapie einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität durch verbesserte motorische Symptomkontrolle. Es wurde erstmals gezeigt, dass die Tiefe Hirnstimulation bereits bei beginnenden Schwankungen der Medikamentenwirkung Vorteile für den Patienten erbringen kann.

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Das Tübinger Expertenteam hat eine neue Form der Tiefen Hirnstimulation entwickelt, die die gleichzeitige Stimulation zweier eng benachbarter Nervenzellstrukturen vorsieht (sog. STN+SNr Stimulation). Durch diese neue Form der Stimulation lassen sich Gang-Blockaden möglicherweise besser behandeln als mit bisherigen Standardtherapien.

Telemedizinische Betreuung

Eine Studie des Universitätsklinikums Tübingen zeigt, dass Hirnschrittmacher zuverlässig aus der Ferne eingestellt werden können. Parkinson-Patienten ersparen sich lange Anfahrten, da der Hirnschrittmacher alle vier Monate neu justiert werden muss. Die Betreuung per Handy liefert oft bessere Ergebnisse als die Klinikbesuche, erklärt Prof. Gharabaghi. Die Patienten sind in ihrer gewohnten Umgebung entspannter, was zu realistischeren Behandlungsergebnissen führt. Zudem können sie wieder verreisen, da die Ferneinstellung weltweit funktioniert - überall dort, wo es Internet gibt.

Forschungsschwerpunkte

Die Arbeitsgruppe an der Uniklinik Tübingen widmet sich der Identifikation neuer Parkinson-Gene, der zellbiologischen und proteinbiochemischen Charakterisierung dieser Genprodukte sowie ihrer Interaktionspartner. Wissenschaftlich fokussiert sie sich dabei auf die Schlüsselproteine des Parkinson: alpha-Synuklein, Parkin und Synphilin-1. Die zellbiologischen Untersuchungen werden durch die Generierung und Charakterisierung von induzierbaren sowie konventionellen transgenen und knockout-Mausmodellen, als auch von transgenen Rattenmodellen, vervollständigt.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Untersuchung der Rolle von Verdauungsstörungen und des Darmmikrobioms bei der Entstehung von Morbus Parkinson.

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