Morbus Parkinson ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Absterben von Nervenzellen im Gehirn einhergeht. Die Neurologische Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) hat sich auf die Diagnostik und Behandlung von Morbus Parkinson spezialisiert und bietet ein umfassendes Spektrum an Therapieverfahren an.
Was ist Morbus Parkinson?
Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, von der in Deutschland rund 400.000 Menschen betroffen sind. Durch den Verlust von Nervenzellen im Gehirn entsteht ein Mangel an Dopamin, was zu typischen Symptomen wie verlangsamten Bewegungen, Muskelsteifheit, Zittern und Gleichgewichtsstörungen führt. Bei einigen Patienten treten auch neuropsychiatrische Symptome wie Depressionen oder Gedächtnisstörungen auf. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 60 Jahren, aber auch jüngere Erwachsene können betroffen sein.
Diagnostik von Parkinson am UKW
Die Diagnosestellung erfolgt über den Ausschluss anderer Erkrankungen, die Parkinson-ähnliche Beschwerden verursachen können, sowie den Nachweis des Ansprechens auf Parkinson-Medikamente. Die neurologische Untersuchung ist ausschlaggebend für die Diagnose, wobei die Erfahrung des Facharztes von großer Bedeutung ist. Das UKW bietet alle erforderlichen diagnostischen Verfahren an, auch in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen:
- Elektrophysiologische Untersuchungen
- Neuroradiologische Untersuchungen (MRT, funktionelles MRT)
- Nuklearmedizinische Untersuchungen (SPECT, PET)
- Genetische Abklärung der erblichen Bewegungsstörungen und Beratung zu Risiken der Vererbung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Humangenetik
Behandlungsmöglichkeiten im Überblick
Die Klinik bietet alle gängigen Therapieverfahren an, von der ambulanten medikamentösen Therapieanpassung über eine stationäre Parkinson-Komplexbehandlung bis hin zur Apomorphin- oder DuoDopa-Pumpeneinstellung und Tiefen Hirnstimulation.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung der Parkinson-Erkrankung besteht vor allem im Ausgleich des Dopaminmangels durch die Gabe von Dopaminagonisten oder L-Dopa. Die Medikamente werden immer wieder angepasst, um die Bewegungsstörungen zu reduzieren.
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Parkinson-Komplexbehandlung
Wenn durch ambulante Maßnahmen die Lebensqualität der Patienten nicht nachhaltig verbessert werden kann, wird eine stationäre Parkinson-Komplexbehandlung durchgeführt. Ein multiprofessionelles Team, dem Ärzte, Pflegekräfte sowie Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten angehören, betreut die Patienten während ihres stationären Aufenthaltes nach einem individuellen Behandlungsplan.
Pumpentherapien
In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien kann auch der Einsatz von Pumpentherapien (Duodopa-Pumpe, Apomorphin-Pumpe) sinnvoll sein.
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein seit Jahrzehnten etabliertes Verfahren zur Behandlung von neurologischen Bewegungsstörungen. Sie kommt in Frage, wenn die medikamentöse Therapie nicht mehr ausreichend wirkt oder starke Nebenwirkungen verursacht.
Die THS ist eine Behandlungsmethode, die bei verschiedenen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen zum Einsatz kommt. Dabei werden dünne Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die elektrische Impulse abgeben. Dies führt zu einer Linderung der Krankheitssymptome, wobei der genaue Wirkmechanismus noch nicht bekannt ist. Die Stimulationselektroden im Gehirn sind über unter der Haut liegende Kabel mit dem eigentlichen Schrittmacher verbunden. Dieser wird unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut oder in Einzelfällen auch in die Bauchwand implantiert.
Die THS wird von uns bei folgenden Erkrankungen regelmäßig eingesetzt:
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- Fortgeschrittener idiopathischer Morbus Parkinson
- Zitter-Erkrankungen, die mit Medikamenten nicht zufriedenstellend behandelt werden können
- Dystonien; insbesondere solche, die den ganzen Körper betreffen (generalisierte Dystonien)
- Tardive Dystonien (bestimmte, durch Medikamente ausgelöste Formen)
- In Einzelfällen segmentale Dystonien wie Torticollis oder Meige-Syndrom
Vorteile der Tiefen Hirnstimulation
- Kontinuierliche Stimulation für eine durchgehend bessere Beweglichkeit
- Reduzierung der Medikamenten-Dosis möglich
- Verbesserung der Lebensqualität
Ablauf der Tiefen Hirnstimulation
- Vorbereitung: Im Rahmen eines stationären Aufenthalts erfolgen die notwendigen Untersuchungen, um zu entscheiden, ob eine Tiefe Hirnstimulation sinnvoll und möglich ist. Von den Kollegen der Neurochirurgie werden Sie ausführlich über den eigentlichen Eingriff informiert.
- Operation: In einem ersten Schritt wird der Kopf in Narkose im sogenannten Stereotaxiegerät fixiert. Dann werden kleine Hautschnitte und Bohrlöcher gesetzt sowie Testelektroden ins Hirn geschoben. In einer Wachphase werden die Patienten für Stimulationstests aus der Narkose geholt. An der Normalisierung der Bewegungen erkennen die Ärzte, dass die Elektroden richtig sitzen.
- Implantation des Schrittmachers: In einem zweiten Schritt werden Drähte und Impulsgeber unter der Haut implantiert.
- Einstellung: In den Wochen nach der OP werden die Medikamente langsam ausgeschlichen und die THS weiter aktiviert, um die individuell optimale Einstellung für jeden Patienten zu finden.
Weltpremiere am UKW: Neue Generation von THS-Systemen
Am 17. und 18. März dieses Jahres versorgten Cordula Matthies und ihr Team als Weltpremiere zwei Patienten mit einer neuen Generation von THS-Systemen. Mit der sogenannte BrainSense-Technologie geben die Neuromodulatoren nicht nur kontinuierlich Impulse an eng umgrenzte Hirnareale ab, sie können auch erstmals rund um die Uhr Gehirnsignale erfassen. Die Elektroden des neuen Systems sind segmentiert, wodurch das Stimulationsfeld noch präziser in therapeutisch relevante Richtungen gesteuert werden kann. Darüber hinaus sind die Sensight-Elektroden als weltweit einzige so ausgestattet, dass sie Gehirnströme kontinuierlich aufzeichnen und zur Speicherung im Steuergerät weiterleiten. In der Neurologischen Klinik können diese Daten dann mit einem gegen Datenmissbrauch besonders abgesicherten Bluetooth-System ausgelesen werden.
Innovation: Direktionale Elektroden mit 16 Kontakten
Das Team der Neurochirurgischen Klinik des UKW hat als erstes Krankenhaus Deutschlands erfolgreich die Elektroden Vercise Cartesia X des Herstellers Boston Scientific bei einem Parkinson-Patienten implantiert. Sie sind die ersten und bislang einzigen direktionalen Elektroden mit 16 Kontakten auf dem Markt und dienen der tiefen Hirnstimulation (THS). Das innovative System erlaubt eine maßgeschneiderte, hochpräzise Therapie, die auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden kann - sowohl direkt nach der Implantation als auch im Verlauf der Erkrankung, wenn sich die Symptome verändern. Mithilfe einer neuen, mit einem automatischen Algorithmus ausgestatteten Software können die Ärzte die Stimulationsprogramme anhand der Hirnbilder der Patientinnen und Patienten am Computer entwerfen, berechnen und simulieren.
Weitere Therapien
Neben Medikamenten sind Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie wichtige Bestandteile der Behandlung, die in früheren Erkrankungsstadien oft vernachlässigt werden.
Spezialgebiet Bewegungsstörungen und Morbus Parkinson
Die Diagnostik und Therapie von Bewegungsstörungen wie Parkinson gehören zum Spezialgebiet der Klinik. Allein um die 4000 ambulante oder stationäre Besuche von Parkinson-Patienten erfolgen hier jedes Jahr.
Spezialambulanz für Bewegungsstörungen
In der Spezialambulanz für Bewegungsstörungen werden alle Patientinnen und Patienten von einer Oberärztin oder einem Oberarzt mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Bewegungsstörungen untersucht. Am Tag der Vorstellung erhalten Sie in unserer Anmeldung einige Fragebögen, die Sie in der Wartezeit ausfüllen können. Diese Fragebögen helfen uns, auch seltenere Beschwerden zu erfassen, die Sie bisher vielleicht gar nicht auf Ihre neurologische Erkrankung zurückgeführt haben. Es folgt ein ausführliches ärztliches Gespräch und eine komplette neurologische Untersuchung. Im Anschluss werden Sie einer Oberärztin oder einem Oberarzt vorgestellt. Gemeinsam werden weitere notwendige diagnostische Schritte sowie Therapieempfehlungen besprochen.
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Was erwartet mich in der Sprechstunde?
- Ausführliches ärztliches Gespräch
- Komplette neurologische Untersuchung
- Besprechung weiterer diagnostischer Schritte und Therapieempfehlungen
Sprechstunde für Tiefe Hirnstimulation
In dieser Sprechstunde informieren wir Sie ausführlich und unverbindlich über das Therapieverfahren der Tiefen Hirnstimulation bei Morbus Parkinson, Zitter-Erkrankungen und Dystonien. Auch die ambulante neurologische sowie neurochirurgische Weiterbetreuung von Patientinnen und Patienten, die in unserer Klinik implantiert worden sind, erfolgt hier. Patientinnen und Patienten aus unserer Region, denen an einem anderen Zentrum ein Hirnschrittmacher implantiert wurde, bieten wir eine Mitbetreuung an, sofern es sich um eine Erkrankung handelt, bei der wir die Tiefe Hirnstimulation anbieten.
Wie geht es danach weiter?
Im Rahmen eines stationären Aufenthalts erfolgen die notwendigen Untersuchungen, um von ärztlicher Seite zu entscheiden, ob eine Tiefe Hirnstimulation bei Ihnen sinnvoll und möglich ist. Von den Kolleginnen und Kollegen der Neurochirurgie werden Sie ausführlich über den eigentlichen Eingriff informiert. Erst danach müssen Sie gemeinsam mit Ihren Angehörigen eine Entscheidung treffen, für die Ihnen selbstverständlich ausreichend Bedenkzeit eingeräumt wird.
Seltene Formen und atypische Parkinson-Syndrome
Wir behandeln auch seltene genetische Varianten der Parkinson-Krankheit sowie atypische Parkinson-Syndrome inklusive Multisystematrophie (MSA-P, MSA-C), progressive supranukleäre Blickparese (PSP) und corticobasale Degeneration (CBD). Im Rahmen des Zentrums für Seltene Bewegungsstörungen arbeiten wir dabei interdisziplinär mit anderen Abteilungen zusammen.
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