Die neurologische Forschung an der Universität Rostock ist ein wichtiger Pfeiler der medizinischen Innovation und trägt maßgeblich zum Verständnis und zur Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems bei. Die Klinik und Poliklinik für Neurologie ist Teil des Zentrums für Nervenheilkunde des Universitätsklinikums Rostock. Die Sektion für Translationale Neurodegeneration „Albrecht Kossel“ spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die Sektion für Translationale Neurodegeneration „Albrecht Kossel“
Die Sektion für Translationale Neurodegeneration „Albrecht Kossel“ der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Rostock widmet sich der Erforschung und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen. Unter der Leitung von Professor Andreas Hermann werden hier grundlagenwissenschaftliche und klinische Fragestellungen bearbeitet, um neue Erkenntnisse aus der Forschung in den klinischen Alltag zu übertragen und umgekehrt.
Forschungsschwerpunkte
Die Sektion kombiniert langjährige neurowissenschaftliche Forschungstraditionen der Universitätsmedizin Rostock mit modernsten stammzellbasierten (humanen) Zellsystemen. Dies beinhaltet auch die Arbeit an patientenspezifischen Modellen bzw. individualisierten Therapiestrategien für neurodegenerative Erkrankungen. Die Forschungsschwerpunkte umfassen:
- Grundlagenforschung zu Entstehungsmechanismen neurodegenerativer Erkrankungen (u.a. Amyotrophe Lateralsklerose, Niemann-Pick Typ C, Morbus Wilson)
- Klinische Forschung zu modernen Versorgungskonzepten
- Translationale Forschung zur Übertragung neuer Erkenntnisse aus der Grundlagenwissenschaft in den klinischen Alltag und umgekehrt
- Entwicklung patientenspezifischer Modelle und individualisierter Therapiestrategien
Lehre
Die Sektion engagiert sich in der Lehre und bietet Lehrveranstaltungen für Studierende des Masterstudiengangs Medizinische Biotechnologie an. Im Wintersemester wird ein Seminar zur Verwendung von Stammzellen in der Grundlagenforschung und deren klinischer Anwendung angeboten. Im Sommersemester wird ein Praktikum angeboten, das eine praktische Einführung in Methoden der modernen Grundlagenforschung ermöglicht. Die Studierenden erhalten Einblicke in molekularbiologische Methoden, Zellkulturtechniken und elektrophysiologische Messungen.
Klinische Forschung am DZNE Rostock/Greifswald
Die klinische Forschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Standort Rostock/Greifswald beschäftigt sich mit der Übertragung neuer Diagnostik- und Interventionskonzepte von der methodischen Entwicklung über experimentelle Settings in die Routineversorgung. Zu den Forschungsschwerpunkten gehören:
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- Verbesserung der Diagnostik von Demenzerkrankungen mittels Bildgebung, Biomarkerforschung und Hirngewebsuntersuchungen
- Entwicklung und Anwendung von Methoden der partizipativen Forschung, um Patienten und deren Angehörige in die Planung, Durchführung und Implementierung von Forschungsvorhaben und deren Ergebnissen einzubeziehen
- Entwicklung und Verbesserung neuer Präventions- und Therapiekonzepte
- Entwicklung von Systemen zur Verbesserung der Alltagsfähigkeit, um die Lebensqualität von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen zu erhöhen
- Charakterisierung und Behandlung nichtmotorischer Störungen bei Bewegungsstörungen, wie der Parkinson‘schen Erkrankung, und anderen überwiegend motorischen neurodegenerativen Erkrankungen, wie der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS)
- Untersuchungen zu kognitiven Störungen durch die Kombination von Lern- und Gedächtnistests mit funktionellen und innovativen morphologischen bildgebenden Verfahren
- Cross-Korrelation kognitiver Reserve und motorischer Krankheitsprogression und vice versa
- Untersuchung der Kognition und des Verhaltens von ALS Patienten
- Longitudinalen Untersuchungen von prodromalen Stadien neurodegenerativer Erkrankungen und Vorhersagemöglichkeit der Konversion
- Kombinierten longitudinalen Untersuchungen (Klinik, (molekulares) Imaging, Biomarker, post mortem Analysen) zur Evaluation der dynamischen Veränderungen struktureller und funktioneller Netzwerke
- Entwicklung neuartiger Therapiekonzepte neurodegenerativer Erkrankungen (u. a. iPSZ Modelle, THS, Ferroptose)
- Entwicklung und Erprobung von Verfahren des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz (KI) zur Unterstützung der Diagnostik und Versorgung
Klinische Forschungsgruppen und Studienleiter
Am DZNE Rostock/Greifswald sind verschiedene klinische Forschungsgruppen aktiv, die von renommierten Wissenschaftlern geleitet werden:
- Dr. Martin Dyrba - Projekt: Neuronale Netze - Systemarchitektur für multimodale Erklärungen
- Prof. Dr. Agnes Flöel - Demenzprävention: Mechanismen und klinische Umsetzung
- Prof. Dr. Hans Grabe - Biomarker dementieller Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung
- Prof. Dr. Dr. Andreas Hermann - Motoneuronerkrankungen
- Dr. Wiebke Hermann - Prodromalstadien neurodegenerativer Erkrankungen und Schlafstörungen
- PD Dr. Christoph Kamm - Motoneuronerkrankungen, Frontotemporale Demenzen
- Dr. Matthias Löhle - Klinische Forschung Bewegungsstörungen
- Prof. Dr. Johannes Prudlo - Bewegungsstörungen
- Prof. Dr. Alexander Storch - Nicht-motorische Symptome der Parkinson'schen Erkrankung und anderer Bewegungsstörungen
- Prof. Dr. Stefan Teipel - Klinische Demenzforschung
Einrichtungen der Klinischen Forschung
Die klinische Forschung am Standort Rostock wird durch verschiedene Einrichtungen unterstützt:
- Forschungsambulanz für Neurodegenerative Erkrankungen mit den Schwerpunkten:
- Gedächtnisstörungen
- Bewegungsstörungen
- Motoneuronerkrankungen
- Frontotemporale Lobärdegenerationen (FTD, PSP, CBS)
- Prodromale neurodegenerative Erkrankungen / Schlafstörungen
- Monogenetische neurodegenerative Erkrankungen
- Brainbank
Kooperationspartner
Die klinische Forschung am Standort Rostock profitiert von der Zusammenarbeit mit zahlreichen Kooperationspartnern:
- Universitätsmedizin Rostock
- Klinik und Poliklinik für Neurologie - Zentrum für Nervenheilkunde
- Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
- Institut für Pathologie
- Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin
- Institut für Rechtsmedizin
- Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Kinder- und Neuroradiologie
- Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
- Institut für Biostatistik und Informatik in Medizin und Alternsforschung
- Oscar Langendorff Institut für Physiologie
- Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter
- Universität Rostock
- Department Altern des Individuums und der Gesellschaft (AGIS), Interdisziplinäre Fakultät
- Mobile Multimedia Information Systems (MMIS), Institute of Computer Science, Fakultät für Informatik und Elektrotechnik
- Universitätsmedizin Greifswald
- Institut für Community Medicine
- Klinik und Poliklinik für Neurologie
- Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
- Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Selbsthilfe Demenz
- Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Forschungsprojekte
Die neurologische Forschung an der Universität Rostock umfasst eine Vielzahl von Projekten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten von Erkrankungen des Nervensystems befassen. Ein Beispiel ist das Projekt zur Identifizierung von Biomarkern zur Optimierung der Behandlung eines Krankheitsschubs bei Multipler Sklerose.
Identifizierung von Biomarkern zur Optimierung der Behandlung eines Krankheitsschubs bei Multipler Sklerose
Dieses Projekt wird mit Geldern aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) aus dem Europäischen Strukturfond der Europäischen Union gefördert. Projektpartner sind Miltenyi Biotec und die Universitätsmedizin Rostock, ZN/KN, Abt. Neuroimmunologie. Projektleiter des Teilprojekts Universitätsmedizin ist Prof. Dr. Uwe K. Zettl.
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Ziel des Projekts ist die Identifizierung von Biomarkern, die eine Vorhersage ermöglichen, ob ein Patient mit Multipler Sklerose auf die Standardtherapie mit hochdosiertem Methylprednisolon anspricht oder nicht. Dies würde ermöglichen, GCS-Nonrespondern frühzeitig eine alternative Therapie (Plasmapherese oder Immunadsorption) zukommen zu lassen und unnötige Medikamenten-Nebenwirkungen und längere Klinikaufenthalte zu vermeiden.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) Forschung
Ein besonderer Schwerpunkt der neurologischen Forschung an der Universität Rostock liegt auf der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Die ALS ist eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die zu fortschreitender Muskelschwäche und Lähmung führt.
Grundlagenforschung
Die Arbeitsgruppe um Professor Hermann nutzt das gesamte Spektrum von Methoden aus der Grundlagenforschung bis zur patientenorientierten Forschung. Langjährige Traditionen in der neurowissenschaftlichen Forschung von neurodegenerativen Erkrankungen werden hier mit modernsten humanen stammzellbasierten Systemen verbunden.
Ein wichtiger Ansatz ist die Entwicklung patientenspezifischer Modelle der ALS. Hierfür werden dem Patienten Hautzellen entnommen, die im Labor in Nervenzellen umgewandelt werden. Diese Nervenzellen können dann in der Zellkultur untersucht werden, um Einblicke in die Krankheitsursache zu gewinnen und durch Medikamente beeinflussbare Signalwege zu entdecken.
Klinische Forschung
Seit 2008 gibt es in Rostock ein spezialisiertes, akademisches ALS-Zentrum, das inzwischen überregional und international bekannt ist. Das Zentrum ist eines der zehn Standorte des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Gründungsmitglied des Deutschen Motoneuron-Netzwerkes.
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Im Rahmen der klinischen Forschung werden auch innovative medizintechnische Hilfsmittel für ALS-Patienten entwickelt. Ein Beispiel ist ein Augensteuerungs-System, das es Patienten ermöglicht, auch dann noch zu kommunizieren, wenn ihr Körper vollständig gelähmt ist. Im Forschungsprojekt wird die Störung der Augenmotorik genau analysiert, sodass die Augensteuerung später automatisch erkennt, um welche Defizite es sich handelt und diese auch selbstständig ausgleicht.
Individualisierte Therapie
Die Hermann und Lilly Schilling-Stiftung unterstützt die Forschung an ALS an der Universitätsmedizin Rostock mit drei Millionen Euro. Ziel ist die Entwicklung einer individualisierten Therapie für ALS-Patienten.
"Das Stichwort heißt individualisierte Therapie", unterstreicht Professor Hermann. Hierfür werden dem Patienten Hautzellen entnommen, die im Labor in Nervenzellen umgewandelt werden. "So können wir erstmals Nervenzellen von Patienten in der Zellkultur untersuchen, und erhoffen uns so einen Einblick in die Krankheitsursache", unterstreicht der 44-jährige Medizinforscher. Diese Studien sollen helfen, durch Medikamente beeinflussbare Signalwege zu entdecken. Eine der Herausforderungen sei dabei, die möglichen neuartigen Therapeutika an den Ort des Schadens, also ins Gehirn oder Rückenmark zu bringen.
Weitere Forschungsschwerpunkte
Neben der ALS-Forschung werden an der Universität Rostock auch andere neurologische Erkrankungen intensiv erforscht. Hierzu zählen:
- Multiple Sklerose
- Schlaganfall
- Parkinson-Erkrankung
- Frontotemporale Demenzen
- Demenzerkrankungen im Allgemeinen
Die Klinik und Poliklinik für Neurologie
Die Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Rostock bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen für Patienten mit Erkrankungen des Nervensystems. Die Klinik verfügt über zahlreiche Spezialambulanzen, eine Tagesklinik und mehrere Stationen, einschließlich einer Intensivstation und einer zertifizierten Stroke Unit (Schlaganfallstation).
Seit dem 1. März 2023 befinden sich die Neurologische Notaufnahme in der Zentralen Notaufnahme, die Schlaganfallstation (Stroke Unit; Station N2/N2S) und die Neurologische Intensivstation (Station N1) im Universitären Notfallzentrum (UNZ) auf dem Campus Schillingallee. Die räumliche Nähe zu den anderen Fachgebieten ist ein wesentliches Plus für die Patientenversorgung und wird die Abläufe der Akutversorgung neurologischer Patienten maßgeblich verbessern und beschleunigen.
Am Campus Gehlsdorf im Zentrum für Nervenheilkunde verbleiben die Normalstationen (Stationen N3 und N4) sowie die Tagesklinik und alle Ambulanzen der Poliklinik für Neurologie. Auch die neurologische Forschung und Lehre mit den Sektionen der Klinik werden weiterhin am Campus Gehlsdorf beheimatet sein.
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