Ein Schlaganfall kann das Leben von einem Moment auf den anderen verändern. Plötzlich sind alltägliche Bewegungen eine Herausforderung. Viele Betroffene kämpfen mit Lähmungen, Muskelschwäche oder Koordinationsstörungen. Besonders frustrierend ist oft die Ungewissheit. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Therapieansätze und Rehabilitationsmaßnahmen, die Schlaganfallpatienten helfen können, ihre Mobilität und Selbstständigkeit zurückzugewinnen.
Ursachen und Folgen eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall tritt auf, wenn ein Gefäß im Gehirn verstopft oder platzt, was zu einer unzureichenden Blutversorgung bestimmter Hirnareale führt. In der Folge sterben betroffene Bereiche ab, was zu Funktionsausfällen führt, die die Lebensqualität erheblich einschränken können. Welche Funktionen ausfallen, hängt vom betroffenen Areal ab. Häufige Folgen sind:
- Halbseitenlähmung (Hemiparese): Eine Körperhälfte ist geschwächt oder sogar vollständig gelähmt.
- Spastiken und Muskelsteifigkeit: Muskeln verkrampfen sich unkontrolliert, was Bewegungen erschwert.
- Koordinationsprobleme: Präzise Bewegungen wie das Greifen eines Gegenstands oder das Anheben eines Beins sind schwierig.
- Gleichgewichtsstörungen: Gehen und Stehen sind unsicher, oft besteht eine erhöhte Sturzgefahr.
- Fußheberschwäche: Der Fuß kann beim Gehen nicht mehr richtig angehoben werden, was zu einem unsicheren Gangbild führt.
- Sprachstörungen (Aphasie): Schwierigkeiten, sich sprachlich auszudrücken oder Gesprochenes zu verstehen.
- Schluckstörungen (Dysphagie): Probleme beim Schlucken von Nahrung und Flüssigkeiten.
- Sehstörungen: Beeinträchtigungen des Sehvermögens.
- Kognitive Störungen: Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.
- Psychische Probleme: Depressionen oder Angstzustände.
Neben diesen direkten Folgen können auch indirekte Auswirkungen auftreten, wie soziale Isolation und verminderte Lebensqualität.
Bedeutung der Gangrehabilitation
Gehen bedeutet Mobilität, und Mobilität ist Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Deshalb ist die Gangrehabilitation von zentraler Bedeutung. Gehen ist aber auch ein hochkomplexer Vorgang. Bewusst wird Menschen das erst, wenn die durch Millionen von Schritten gelernten Abläufe nicht mehr automatisch funktionieren - wie nach einem Schlaganfall.
Schwer Betroffene müssen zunächst grundlegend wieder gehfähig werden. Viele Rehakliniken haben sich dafür mit Gangrobotern ausgestattet. Gerade in der ersten Phase zeigt das Training in ihnen große Effekte. Patienten machen durch die maschinelle Bewegung ein Vielfaches an Schritten als beim Training mit einem Therapeuten und lernen deshalb schneller. Ist die Gehfähigkeit grundsätzlich wiederhergestellt, sollten die nächsten Schritte in der Regel auf dem Laufband erfolgen, um langsam die Gehgeschwindigkeit zu steigern. Das ist im Alltag alles andere als trivial. Die nächsten Ziele sind die Verlängerung der Gehstrecke ("Kondition") und die Verbesserung der Balance. Viele Rehakliniken verfügen über ein Ganglabor. Dort können Patientinnen und Patienten unter therapeutischer Begleitung das Gehen auf unterschiedlichen Untergründen, auf Schrägen, Treppen oder über Stolperkanten üben. Dabei geht es auch darum, dass die Gangsicherheit zurückkommt.
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Therapieansätze zur Verbesserung des Gangbildes
Es gibt verschiedene Therapieansätze, die darauf abzielen, das Gangbild nach einem Schlaganfall zu verbessern. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von der Art und Schwere der Einschränkungen sowie von individuellen Faktoren ab.
Physiotherapie
In der Physiotherapie werden Übungen durchgeführt, um die körperliche Aktivität zu verbessern. Beispiele sind Gangtraining mit Unterstützung eines Laufbandes, Gleichgewichtsübungen sowie Übungen zur Beweglichkeit, Ausdauer und Kräftigung der betroffenen Muskeln.
Gangtraining: Wer gehen lernen will, muss gehen. Sehr wichtig ist die Ausstattung unter anderem mit einem Laufband, einem Gangtrainer oder einem Gangroboter. Patienten machen durch die maschinelle Bewegung ein Vielfaches an Schritten als beim Training mit einem Therapeuten und lernen deshalb schneller. Ist die Gehfähigkeit grundsätzlich wiederhergestellt, sollten die nächsten Schritte in der Regel auf dem Laufband erfolgen, um langsam die Gehgeschwindigkeit zu steigern.
Gleichgewichtsübungen: Patienten leiden nach einem Schlaganfall häufig unter einem unsicheren Gang und Dysbalancen. Viele Rehakliniken verfügen über ein Ganglabor. Dort können Patientinnen und Patienten unter therapeutischer Begleitung das Gehen auf unterschiedlichen Untergründen, auf Schrägen, Treppen oder über Stolperkanten üben. Dabei geht es auch darum, dass die Gangsicherheit zurückkommt.
PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation): PNF hilft dabei, natürliche Bewegungsmuster wiederherzustellen, indem das Zusammenspiel zwischen Muskeln, Nerven und Gehirn gezielt gefördert wird. Der Therapeut arbeitet mit gezielten Widerständen, Dehnungen und Bewegungsanweisungen, um das Zusammenspiel zwischen Muskeln und Nervensystem zu verbessern. Bewegungen werden nicht isoliert trainiert, sondern in komplexen, natürlichen Abläufen - zum Beispiel in diagonalen Bewegungen, wie sie im Alltag häufig vorkommen.
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Funktionelle Elektrostimulation (FES)
Die Sturzgefahr resultiert oft aus der sogenannten Fußheberschwäche. Schwingt das Bein nach vorn, heben wir automatisch die Fußspitze. Andernfalls würde der gesenkte Fuß über den Boden schleifen und uns zum Stolpern bringen. Dieser Impuls ist bei Schlaganfall-Betroffenen häufig gestört. Kommt er nicht zurück, können klassische Orthesen helfen, die den Fuß dauerhaft anheben, oder die sogenannte funktionelle Elektrostimulation (FES). Dabei erhält der Muskel einen elektrischen Impuls, um den Fuß bei jedem Schritt zu heben. Diese deutlich teurere Versorgung ist nicht für alle Betroffenen geeignet, kann aber viel bewirken. Schwierig ist oft die Bewilligung durch die Krankenkasse. Üblicherweise handelt es sich hierbei um eine Manschette, die am Unterschenkel befestigt wird und elektronische Impulse aussendet. Auf diese Weise werden die an der Fußhebung beteiligten Muskeln animiert, ihren Dienst zu erfüllen. Diese Technik gilt als äußerst effizient, da sie Gang, Gleichgewicht und Bewegungsausmaß deutlich verbessert.
Hilfsmittel
Früher kamen Hilfsmittel häufig erst zum Einsatz, wenn nichts mehr anderes ging. Mittlerweile ist dieses Vorgehen jedoch wissenschaftlich widerlegt. Heute gilt: Notwendige Hilfsmittel sollen so schnell wie möglich nach dem Schlaganfall eingesetzt werden. Sie erleichtern den Alltag und bringen Lebensqualität zurück. Beispiele sind:
- Orthesen: Bei der Hand sollte allerdings penibel darauf geachtet werden, dass die Orthese auf keinen Fall die funktionelle Nutzung der Hand beeinträchtigt. Eine Fußheberschwäche kann viele Ursachen haben, und ein erlittener Schlaganfall ist eine davon. Kommt der Impuls nicht zurück, können klassische Orthesen helfen, die den Fuß dauerhaft anheben. Sachkundig angefertigte Orthesen geben Halt und sind in einer Vielzahl von Ausführungen erhältlich. Je nach Bedarf sind sie mehr oder weniger dünn, leicht und alltagstauglich. Während textile Orthesen sich vor allem für leichte Fälle der Fußheberschwäche eignen, können dynamische Orthesen aus Carbon den Patienten bei einem mittelstarken Funktionsverlust unterstützen. Und Silikonorthesen bieten beispielsweise nicht nur auf Teerboden, sondern auch beim Training im Wasser guten Halt.
- Gehstöcke und andere Gehhilfen: Sei es der Gehstock, das Paar orthopädischer Schuhe oder die bequemen Einlagen: Was immer einem Patienten hilft, sein Gangbild zu verbessern, sollte genutzt werden.
Medikamentöse Behandlung von Spastiken
Spastische Bewegungsstörungen sind eine verzögert eintretende Folge eines Schlaganfalls. Durch die Schädigung des Gehirns kommt es zu einer Störung in der Steuerung der Muskulatur. Die Folge ist eine unwillkürliche, mehr oder weniger ausgeprägte Anspannung der Muskulatur. Spastiken treten besonders häufig drei bis sechs Monate nach dem Schlaganfall auf. Es gibt auch wirksame medikamentöse Behandlungen für spastische Bewegungsstörungen. Sie sollten sich bei einem Neurologen vorstellen. Dieser entscheidet dann, welche medikamentöse Therapie für Sie sinnvoll ist und überweist Sie gegebenenfalls an eine Botulinumtoxin-Ambulanz.
Intensiv-Therapie und Robotik
Helfen kann hier wahrscheinlich eine Intensiv-Therapie, bei der Patienten über einen Zeitraum von zwei oder drei Wochen täglich mehrere Stunden trainieren. Das geschieht an Robotik-Geräten, mit denen die Therapie richtig Spaß macht. Durch die hohe Intensität erzielen viele Patienten auch lange Zeit nach dem Schlaganfall Erfolge.
Ergotherapie
In der Ergotherapie werden motorisch-funktionelle Fähigkeiten trainiert, damit ihnen alltägliche Aktivitäten wie Körperpflege, Ankleiden und Essen leichter fallen. Ein Beispiel ist die Übung der Feinmotorik.
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Neuropsychologie
Die Neuropsychologie legt den Schwerpunkt darauf, kognitive Fähigkeiten zu erfassen, gezielt zu trainieren und zu verbessern, z. B. die Aufmerksamkeit, die Gedächtnisleistung oder die räumliche Wahrnehmung.
Logopädie
In der Logopädie können unter anderem Fähigkeiten der Kommunikation wiederhergestellt oder verbessert werden. Beispiele für Übungen sind das Training von Sprachverständnis und Sprechfähigkeit.
Psychoedukation
Begleitende Psychoedukation dient der Aufklärung über Ursachen, Symptome, Behandlung und Folgen eines Schlaganfalls sowie der Vorbeugung eines Rezidivs. Es soll Patienten/Patientinnen geholfen werden, ihre Situation und die Erkrankung besser zu verstehen, ihre Fähigkeit fördern, mit den Auswirkungen umzugehen, Ängste und Depressionen zu stabilisieren oder zu reduzieren und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Ein individueller Therapieplan kann je nach Art, Schwere und Komplexität der funktionellen Einschränkungen beispielsweise ausgerichtet sein auf:
- Lähmungen einer Hand, eines Armes oder/und eines Beines (Hemiparese)
- Sehstörungen
- Schluckstörungen
- Sprachstörungen
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- Psychische Probleme wie Depressionen oder Angstzustände
Darüber hinaus werden individuelle Faktoren berücksichtigt, wie:
- Art und Ort der Schädigung
- Schweregrad der Symptome
- Krankheitsverständnis
- Begleiterkrankungen
- Risikofaktoren
- Bildung
- Alter
Weiterhin werden kontextbezogen bedeutsame Merkmale einbezogen, die im Heilverlauf als förderliche (z. B. unterstützendes Umfeld durch Familie und Freunde) und hemmende Faktoren (z. B. alleinlebend, drohender Jobverlust) wirken können. Die Beziehung zu und Einbindung von Angehörigen, die aktuelle Lebenssituation, Herausforderungen im familiären Umfeld und die berufliche Prognose sind häufige Aspekte, die auch für die Sozialberatung relevant werden, wenn die Entlassung aus der Reha nach Hause ansteht und einiges vorzubereiten ist. Hier brauchen viele Betroffene Unterstützung, wie es in dem veränderten Alltag für sie konkret weitergeht.
Tipps für das Training zu Hause
Neben den klassischen Therapieansätzen sollten Patienten mit einer Fußheberschwäche auch auf zusätzliche Übungen setzen, die sich leicht in den Alltag im heimischen Wohnzimmer integrieren lassen.
- Trommeln mit den Füßen: Schuhe ausziehen, bequem hinsetzen, Kopfhörer auf die Ohren und los geht‘s: Im Takt zur Lieblingsmusik macht das Training besonders viel Spaß. Trommeln Sie mit den Füßen rhythmisch auf den Boden. Mal auf der einen Seite, dann auf der anderen, dann gleichzeitig. Verschärft geht das Ganze natürlich auch im Stehen.
- Zehen-Übungen: Was Finger können, können Zehen auch. Legen Sie sich einen Stift auf den Boden und versuchen Sie, ihn mit den Zehen hochzuheben.
- Wand-Dehnung: Lehnen Sie sich mit den Händen an die Wand und machen Sie einen Ausfallschritt. Wichtig ist, dass der bewegungseingeschränkte Fuß hinten steht und die Ferse so gut wie möglich am Boden bleibt.
Finanzierung der Therapie
Es gibt Leistungen, die eine Krankenkasse bewilligen muss und solche, die sie bewilligen kann. Zweckmäßig ist stets die schriftliche Stellungnahme des behandelnden Facharztes, aus der hervorgeht, warum, wie und mit welcher konkreten Erwartung das Intensivtraining der Standardtherapie bei der vorliegenden Erkrankung samt Schädigungsbild überlegen und notwendig ist. Die Kasse muss überdies dem Patienten helfen, sinnvolle Anträge zur Bewilligung zu bringen.
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