Multiple Sklerose (MS) ist eine komplexe Erkrankung, die vielfältige Herausforderungen für Betroffene und ihr Umfeld mit sich bringt. Um das Verständnis für diese Krankheit zu fördern und Vorurteilen entgegenzuwirken, sind fundierte Unterrichtsmaterialien unerlässlich. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Ressourcen und Ansätze, die im Unterricht eingesetzt werden können, um Schülerinnen und Schüler für die Thematik zu sensibilisieren und ihnen ein fundiertes Wissen zu vermitteln.
Sensibilisierung und Aufklärung: Das "Fühlfeld Multiple Sklerose" der DMSG Bayern
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) in Bayern leistet mit ihrer Unterrichtseinheit "Fühlfeld Multiple Sklerose" einen wertvollen Beitrag zur Bewusstseinsbildung von Kindern und Jugendlichen. Ziel ist es, klischeehaften und vorurteilsbeladenen Darstellungen von Menschen mit Behinderungen entgegenzuwirken und ein realistisches Bild der Lebenssituation von Menschen mit MS zu vermitteln.
Das "Fühlfeld Multiple Sklerose" wird Schulen im Rahmen der Benefizaktion "Run for Help" als Projekt angeboten. Seit 2001 haben bayernweit über 150 Schulen an dieser Form der Aufklärungsarbeit teilgenommen.
Brücken schlagen und Dialog fördern
Die Unterrichtseinheit schlägt eine Brücke zwischen Menschen mit Behinderungen und nicht-behinderten Schülerinnen und Schülern und dient als optimaler Einstieg in das Thema. Die Schülerinnen und Schüler erleben interaktiv das Thema Behinderung am Beispiel der Multiplen Sklerose und haben anschließend die Möglichkeit, mit einer betroffenen Person über das Gesehene zu sprechen und Fragen zu stellen. Denn Nichtbehinderte wissen oft sehr wenig über Menschen mit Behinderung.
Im Dialog mit Betroffenen erhalten die Schüler Informationen aus erster Hand und einen authentischen Einblick in deren Leben. Multiple Sklerose schließt durch sehr unterschiedliche Ausprägungen der Krankheit viele Behinderungsformen ein.
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Werte und Kompetenzen
Das "Fühlfeld Multiple Sklerose" fördert aktives und soziales Lernen. Das Wissen vom Anderen überwindet Berührungsängste und bildet die Basis für gegenseitiges Verstehen. Es bedeutet den ersten Schritt für die Sensibilisierung junger Menschen für die Anliegen von Menschen mit einer Behinderung.
Die Unterrichtseinheit der DMSG ist ein Angebot für alle Schulen - unabhängig von Altersstufe und Schultyp. Das Thema Behinderung ist Teil der Lehrpläne und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte zu grundlegenden Fragen des sozialen Wissens, wie behinderte Menschen leben. Informationen und Bilder, die Nichtbehinderte von Menschen mit Behinderung haben, kommen normalerweise aus "nicht behinderten" Medien, aus zweiter Hand. Beim "Fühlfeld Multiple Sklerose" haben die Schülerinnen und Schüler die seltene Gelegenheit, aus erster Hand von Menschen mit Behinderung zu erfahren, wie deren Leben aussieht.
Einfache Umsetzung ohne Kosten
Das Projekt ist unkomompliziert. Für die Schulen entstehen keinerlei Kosten und es gibt keine technischen Probleme. Eine Vorbereitung der Klassen ist nicht nötig. Jedes Fühlfeld besteht aus einer interaktiven, altersgemäßen Vorführung in der Länge von 30 Minuten. Anschließend steht die Moderatorin für Fragen und ein Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. Die Moderatorinnen wurden von der DMSG für den Einsatz in Schulklassen ausgebildet und sind in der Lage, das Gespräch zu strukturieren und zu lenken. Sie sind selbst von Multipler Sklerose betroffen und meistern seit vielen Jahren ihr Leben mit der chronischen Erkrankung. Das "Fühlfeld Multiple Sklerose" zeigt, dass ein Leben mit Behinderung auch ein Leben mit Qualität sein kann.
Unterrichtsmaterialien für die Berufsausbildung: Arbeitsblätter zur Vertiefung des Wissens
Für die Berufsausbildung, insbesondere für Altenpfleger/-innen, stehen editierbare Arbeitsblätter mit Lösungen zur Verfügung. Diese Materialien umfassen Lückentexte, offene Fragen und ein Quiz, mit denen die Auszubildenden ihr Wissen zum Thema "Multiple Sklerose" vertiefen und ihre Kompetenzen stärken können. Die Arbeitsblätter werden als PDF- und editierbare Worddokumente angeboten und umfassen sechs Seiten im A4-Format.
Unterrichtseinheit für die Sekundarstufe II: Symptome, Ursachen und ethische Fragestellungen
Eine umfassende Unterrichtseinheit für die Sekundarstufe II bietet eine tiefere Auseinandersetzung mit der Multiplen Sklerose und Parkinson. Die Einheit umfasst Materialien für verschiedene Methoden wie Fishbowl-Methode, Think-Pair-Share-Methode, Partner- und Gruppenarbeit, Fallbeispiele und Diskussionen über ethische Fragestellungen.
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Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln folgende Kompetenzen:
- Symptome von Multipler Sklerose (MS) und Parkinson analysieren und sich in die Situation Betroffener einfühlen.
- Aufbauend auf Fakten und Beobachtungen Hypothesen zu den Ursachen von MS formulieren.
- Texten zu MS und Parkinson selektiv Informationen entnehmen.
- Schematische Abbildungen interpretieren und vervollständigen.
- Grundwissen zur Entstehung von Aktionspotenzialen auf die Problematik demyelinisierter Axone bei MS übertragen.
- Kritisch den Fachbegriff „saltatorische“ Erregungsleitung und eine Darstellung dazu reflektieren.
- Sich die neurophysiologischen Zusammenhänge zu den Ursachen von Parkinson erarbeiten.
- Die ethische Bewertungskompetenz verbessern.
- Die argumentative und soziale (Diskussions-)Kompetenz verbessern.
Stundenverlauf
Die Unterrichtseinheit ist in acht Stunden unterteilt:
Stunde 1: Einführung in die Krankheit Multiple Sklerose (Fallbeispiel)
Die Schüler werden mit dem Fallbeispiel einer 23-jährigen Studentin mit MS konfrontiert. Sie empfinden über eine Online-Simulation Symptome selber nach, formulieren verschiedene Hypothesen zur Entstehung von MS und diskutieren den ärztlichen Umgang mit einer unsicheren Diagnose bezüglich dieser Erkrankung.
Stunde 2: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Multipler Sklerose
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Die Schüler lesen einen komprimierten Sachtext über wesentliche Aspekte von MS, entscheiden, ob verschiedene vorgegebene Aussagen richtig oder falsch sind, und korrigieren falsche Aussagen. Im Anschluss analysieren sie ärztliche Empfehlungen für MS-Patienten.
Stunde 3 + 4: Die Bedeutung intakter Myelinscheiden
Die Schüler beschreiben den Ablauf der Erregungsleitung, bewerten ein stark vereinfachtes Schaubild zu diesem Vorgang und reflektieren den Begriff „saltatorisch“ kritisch. Ein Kurzfilm zu einem Modellversuch zur kontinuierlichen Erregungsleitung sowie der Vergleich mit den Verhältnissen bei der Erregungsleitung im Axon runden die Wiederholung der Grundlagen der Erregungsleitung ab.
Stunde 5 + 6: Einführung in die Krankheit Parkinson (Fallbeispiel)
Die Schüler lernen die klassischen Symptome von Parkinson kennen, stellen Hypothesen dazu auf, welche funktionellen Körpersysteme betroffen sein könnten, und reflektieren, zu welchen Schwierigkeiten die Symptome im Alltag der Patienten führen. Dazu können sie unterstützend Kurzberichte von Betroffenen im Internet lesen. Im Anschluss entwickeln sie in Kleingruppen auf der Grundlage der Informationen des Textes anschauliche, auf wesentliche Informationen reduzierte Schaubilder, die sie als Plakate im Plenum präsentieren.
Stunde 7: Wie bei Parkinson die motorische Kontrolle verloren geht
In dieser Stunde steht das Verständnis für die Ursachen von Parkinson im Mittelpunkt. Die Schüler vollziehen die Verschaltung zwischen Cortex und Basalganglien nach, vervollständigen eine Abbildung zur synaptischen Verschaltung von den Basalganglien zum motorischen Cortex und erarbeiten sich, welche Rolle Dopamin bei der Bewegungssteuerung spielt und was es bedeutet, wenn es fehlt. Die Schüler arbeiten in dieser Stunde nach der Think-Pair-Share-Methode.
Stunde 8: Ethisches Bewerten am Beispiel der Stammzelltherapie bei Parkinson
Die Schüler diskutieren anhand der Fishbowl-Methode, ob embryonale und fötale Stammzellen zur Behandlung von Parkinson eingesetzt werden sollen. Im Anschluss werden die wichtigsten Argumente noch einmal resümiert und nach Priorität geordnet.
Weitere Ressourcen und Materialien
Neben den genannten Unterrichtsmaterialien gibt es eine Vielzahl weiterer Ressourcen, die im Unterricht eingesetzt werden können:
- Erklärfilme der AMSEL: Zwölf Erklärfilme der AMSEL beantworten die wichtigsten Fragen zur MS leicht verständlich, kurz und kompakt.
- Comicartige Erklärfilme der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft (SMSG): Vier comicartige Erklärfilme der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft (SMSG) klären altersgerecht über Multiple Sklerose auf und helfen Ängsten zu begegnen. Themen sind u.a. ʺWas ist MS?ʺ, ʺWenn Kinder sich um ihre MS- erkrankten Eltern sorgenʺ.
- Internet-Projekt zur Stärkung der kognitiven Fähigkeiten: Das Internet-Projekt zur Stärkung der kognitiven Fähigkeiten enthält neun wissenschaftlich fundierte Übungen, um Gedächtnis, Aufmerksamkeit und problemlösendes Denken (ʺExekutivfunktionenʺ) zu trainieren.
- Video "Krankheit der 1000 Gesichter": Das Video zeigt die ʺKrankheit der 1000 Gesichterʺ, indem zur Musik von U2 Menschen gezeigt werden, die seit bis zu 43 Jahren an MS erkrankt sind - oder erst vor 7 Tagen die Diagnose erhalten haben.
- Video von "Doc Mo": In typischer Art und Weise geht ʺDoc Moʺ zielgruppengerecht in diesem prämierten und u.a. von der Gemeinnützigen Hertie - Stiftung finanzierten Video u.a.
- Vortrag von Prof. Heinz Wiendl: In der Reihe ʺHirnerkrankungen - Wo stehen wir?ʺ der Gemeinnützigen Hertie Stiftung bespricht Prof. Heinz Wiendl von der Klinik für Neurologie in Münster die Multiple Sklerose. Dazu erläutert er in dem ausführlichen Vortrag (15.03.2018; 47min) u.a.
- Dossier auf lehreronline.de: Nicht nur das Wissenschaftsjahr 2015, sondern auch die Ausstellung an Bord der MS Wissenschaft steht ganz im Zeichen der Zukunftsstadt. In drei Bereichen widmet sie sich den Fragen: Was macht eine Stadt aus? Wie funktioniert eine Stadt? Wie machen wir unsere Städte zukunftsfähig?
Magnetresonanztomografie (MRT)
Doppelbilder, verschwommenes Sehen, Bewegungs- und Gleichgewichtsstörungen, das sind oft die ersten Symptome von MS. Eine Magnetresonanztomografie ermöglicht die Diagnose „multiple Sklerose“ (MS).
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