Einführung
Die Neurologie und insbesondere die Neuroonkologie sind dynamische Felder, in denen sich Erkenntnisse und Behandlungsmethoden rasant weiterentwickeln. Dieser Artikel beleuchtet einige der wichtigsten Publikationen und Forschungsbereiche, insbesondere im Kontext der Arbeit von Prof. Dr. Uwe Schlegel, einem renommierten Experten auf diesem Gebiet. Dabei werden sowohl Fortschritte in der Diagnose und Therapie neurologischer Tumoren als auch spezielle Aspekte wie die Behandlung von Epilepsie bei Hirntumoren und Langzeitüberlebensraten bei bestimmten Lymphomarten betrachtet.
Aktuelle Diagnose und Behandlung neurologischer Tumoren
Fortschritte und Ausblicke
Der aktuelle wissenschaftliche Stand in der Diagnose und Behandlung von neurologischen Tumoren ist geprägt von kontinuierlichen Fortschritten. Die neuesten medizinischen Erkenntnisse bezüglich der zahlreichen Tumorentitäten werden berücksichtigt. Darüber hinaus werden vielversprechende experimentelle Therapieansätze ausführlich dargestellt.
Systematische Darstellung nach WHO-Klassifikation
Alle Tumoren werden entsprechend der revidierten WHO-Klassifikation von 2000 systematisch dargestellt. Dies ermöglicht eine einheitliche und vergleichbare Betrachtung verschiedener Tumorarten.
Praxisnahe Informationen
Durch eine einheitliche Strukturierung und zusammenfassende Rubriken wie "Fazit für Klinik und Praxis" können auch für spezifische Fragestellungen und seltene Erkrankungen schnell und gezielt Informationen gefunden werden. Hervorragendes Bildmaterial unterstützt den didaktischen Wert. Alle neuen bildgebenden Verfahren sind berücksichtigt.
Interdisziplinäre Betreuung
Die verschiedenen Aspekte der interdisziplinären Betreuung werden beschrieben. Dies umfasst die Behandlung schwerer neurologischer Komplikationen, die Therapie tumorbedingter Schmerzen, Rehabilitationsmaßnahmen und die psychosoziale Versorgung.
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Uwe Schlegel und die Therapie von Primären ZNS-Lymphomen
Ein Durchbruch in der Behandlung
Ein Team deutscher Neurologen und Onkologen unter der Leitung von Professor Dr. Uwe Schlegel, Direktor des Knappschaftskrankenhauses/Klinik für Neurologie der Ruhr-Universität in Bochum, vermeldete einen großen Fortschritt bei der Therapie von Primären Lymphomen des Zentralen Nervensystems. In einer Studie, die in der Fachzeitschrift Annals of Neurology veröffentlicht wurde, zeigte sich, dass mehr als acht Jahre nach einer speziellen Form der Chemotherapie etwa ein Drittel aller Studienteilnehmer und etwa die Hälfte der unter 60-Jährigen geheilt schienen.
Langjährige Tumorkontrolle
"Diese langjährige Tumorkontrolle ohne Einschränkung der Lebensqualität ist neu und bislang mit keiner anderen Therapieform erreicht worden", so Schlegel. Noch vor 20 Jahren waren primäre Lymphome des Zentralen Nervensystems mit einer Lebenserwartung von lediglich einem bis zwei Jahren verbunden.
Die Studie im Detail
Vier deutsche Zentren verzichteten zwischen 1995 und 2002 auf die Strahlentherapie und erprobten stattdessen eine Kombination aus systemischer und intraventrikulärer Polychemotherapie. Insgesamt 65 Patienten mit einem primären ZNS-Lymphom, die zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen 27 und 75 Jahre alt waren, wurden in diesem Zeitraum behandelt. Nach durchschnittlich mehr als acht Jahren Beobachtungszeit war die Behandlung überaus erfolgreich: 21 der 65 Patienten waren noch am Leben, davon mehr als die Hälfte der unter 60-Jährigen. Seit fünf Jahren waren keine Patienten mehr gestorben, was nahelegt, dass die Krankheit in diesen Fällen nicht nur gebremst, sondern tatsächlich auch geheilt wurde.
Hoher Stand der medizinischen Versorgung
Professor Dr. Heinz Reichmann, 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, lobte das Ergebnis und betonte den hohen Stand der medizinischen Versorgung in Deutschland sowie die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Neurologen und Onkologen.
Lebensqualität und neuropsychologische Tests
Besonders erfreulich war, dass sich die Hoffnung auf eine hochwirksame Therapie ohne intellektuelle Leistungseinbußen und mit guter Lebensqualität weitgehend erfüllte. In fünf der sieben gemessenen Bereiche unterschieden sich die geistigen Leistungen der Studienteilnehmer Jahre nach der Therapie nicht mehr von der Allgemeinbevölkerung. 72 Prozent der Patienten werteten ihre Lebensqualität mehr als acht Jahre nach der Diagnose als "gut" oder "sehr gut".
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Verbesserungsbedarf bei älteren Patienten
Die Neurologen und Onkologen um Schlegel sehen insbesondere bei den älteren Patienten noch reichlich Bedarf für Verbesserungen.
Was ist ein Primäres ZNS-Lymphom?
Ein Primäres ZNS-Lymphom ist ein Lymphom, welches ausschließlich das Zentrale Nervensystem (ZNS) betrifft. Dabei können Gehirn, Hirnhäute (Meningen) und - selten - das Rückenmark befallen sein. Zusätzlich sind bei 10 bis 20% der Patienten die Augen entweder bereits von Anfang an oder aber im weiteren Verlauf der Erkrankung betroffen. Mehr als 95% der Primären ZNS-Lymphome sind hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome vom B-Zell-Typ.
Ursachen und Häufigkeit
Warum ein solches Lymphom im Gehirn entsteht, ist nicht vollständig geklärt. Tatsache ist, dass diese Tumoren immer häufiger werden und heute ca. 4% der primären, d.h. nicht-metastatischen, Tumoren des Gehirns ausmachen. Betroffen sind Patienten mit einer Schwächung des Immunsystems, z.B. AIDS-Kranke, aber mit zunehmender Häufigkeit auch sonst völlig gesunde Personen.
Symptome
Mehr als die Hälfte der Betroffenen leidet zunächst unter einem "Organischen Psychosyndrom", also unter sich schnell entwickelnden geistigen Leistungseinbußen und Persönlichkeitsveränderungen. Hinzutreten oder isoliert auftreten können Lähmungen, Sehstörungen, Sprachstörungen, epileptische Anfälle und andere neurologische Symptome. Die Erkrankung kann praktisch alle Altersgruppen betreffen, am häufigsten jedoch Menschen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
Epilepsie bei Gehirntumoren
Definition und Behandlung
Bei einem Gehirntumor ist die dadurch ausgelöste Epilepsie bereits durch den ersten epileptischen Anfall definiert und behandlungsbedürftig. Dies erklärte Uwe Schlegel von der Klinik für Neurologie, Klinik Hirslanden Zürich, Schweiz, auf dem 15. Neurologie-Update-Seminar am 24. und 25..
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Mechanismen der Epileptogenese
Die Mechanismen der Epileptogenese bei Gehirntumoren umfassen neben mechanischer Kompression, Hypoxie und anderen bei IDH-mutanten Gliomen auch drastische metabolische Veränderungen als Folge der exzessiven Produktion von D-2-Hydroxyglutarat, welches zum einen eine strukturelle Ähnlichkeit mit Glutamat hat (und so den AMPA-Rezeptor aktivieren kann) und zum anderen über den mTOR-Signalweg anfallserzeugend wirkt.
Therapieempfehlungen
Allerdings gibt es keine prospektiven, randomisierten Therapiestudien zur Wirksamkeit von Antiepileptika bei Gehirntumor-assoziierten Epilepsien, weswegen grundsätzlich die Erkenntnisse aus Studien zu fokalen Epilepsien zurate gezogen werden sollen: Zur Therapie sind nicht Enzym-induzierende Antiepileptika, die bei fokalen Epilepsien zugelassen sind, vorzuziehen. Die anti-proliferative Wirksamkeit des AMPA-Rezeptor-Antagonisten Perampanel wird derzeit in klinischen Studien untersucht.
Neuroonkologie im 21. Jahrhundert
Fortschritte in der Therapie
In den vergangenen 20 Jahren hat es vielfältige Fortschritte in der Therapie von Tumoren des Gehirns gegeben. Bei vielen Tumoren des Gehirns kann heute durch Operation, Strahlen- und Chemotherapie eine deutliche Lebenszeitverlängerung mit Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Einige bösartige Tumoren des Gehirns sind heute sogar heilbar.
Neue Therapieprinzipien
Neue Therapieprinzipien wie eine Hemmung der Tumorgefäßversorgung, eine „Immunisierung“ gegen Bestandteile des Tumors und „gezielte Angriffe“ (targeted therapies) gegen besondere biologische Merkmale des Tumors werden derzeit untersucht.
Aktuelle Forschung und Innovationen in der Neuroonkologie
Tumor Microtubes und neuronale Interaktion
Frank Winkler und Varun Venkatamarani beleuchten eine Entdeckung, dass maligne Gliome lange Fortsätze („tumor microtubes“) ausbilden, darüber mit ihren Schwesterzellen kommunizieren und abgetötete Gliomzellen mit Nuklei aus einer Mitose distanter Tumorzellen „revitalisieren“ können. Gliomzellen können über diese „microtubes“ an Neuronen andocken und mit diesen funktionelle Synapsen bilden, neuronale Erregung bahnen und umgekehrt durch parakrine und autokrine Mechanismen nach dieser neuronalen Erregung Impulse zur Zellproliferation und zum Tumorwachstum nutzen.
Die Tumorumgebung
Lisa Sevenich und Dieter Hendrik Heiland beleuchten biologische Vorgänge in der Tumorumgebung, die bislang in der Therapiekonzeption eher vernachlässigt worden sind. Tumorzellen bereiten sich durch eine Vielzahl zunehmend entschlüsselter molekularer Mechanismen eine Art „Wohlfühlnische“ im Nervensystem.
Immuntherapie
Katharina Sahm und Tobias Weiss geben einen Überblick über aktuelle Strategien der Immuntherapie und legen dar, warum es wichtig ist, Immuntherapien weiter konsequent als experimentelle Ansätze in der Neuroonkologie zu verfolgen.
Zielgerichtete Therapien bei ZNS-Lymphomen
Gerade für Patienten mit ungenügendem Therapieansprechen sind derzeit neue zielgerichtete Therapien in klinischer Erprobung, zu denen auch die „lebenden Medikamente“ CAR-T-Zellen gehören.
Lebensqualität
Lebensqualität ist ebenso entscheidend für Betroffene mit lebensbegrenzenden Tumorerkrankungen wie Lebenszeit. Eine wirksame antidepressive medikamentöse Therapie kann die Lebensqualität entscheidend verbessern.
Die Rolle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 6000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion.
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