Vagusnerv: Eine Anfängererklärung

Der Vagusnerv, auch bekannt als Nervus vagus oder "umherschweifender Nerv", ist der zehnte Hirnnerv und der längste von zwölf Hirnnerven. Er spielt eine zentrale Rolle in der Verbindung zwischen Gehirn und Körper und beeinflusst fast jedes innere Organ. Als Teil des Parasympathikus ist er für Erholung, Ruhe und Verdauung zuständig und wirkt als Gegenspieler des Sympathikus, der unsere Leistungs- und Kampfbereitschaft fördert.Aktuelle Sachbücher betonen die heilende Wirkung des Vagusnervs, und die Forschung zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Long COVID, Depressionen, Epilepsie und Entzündungen.

Die Rolle des Vagusnervs im Körper

Der Vagusnerv ist eine regulierende Schaltstelle zwischen Gehirn und Organen. Er hat einen dämpfenden und ausgleichenden Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen und beeinflusst auch unser Befinden. Etwa 80 % der Fasern des Vagusnervs sind afferent (aufnehmend), während nur etwa 20 % der Fasern Befehle vom Gehirn in den Körper senden.

Verlauf des Vagusnervs

Der Vagusnerv entspringt im Hirnstamm und verläuft über Hals und Brust bis in den Bauchraum, wo er sich weiter verzweigt.

  1. Startpunkt: Gehirn: Der Vagusnerv entspringt beidseitig im verlängerten Mark (Medulla oblongata).
  2. Halsbereich: Vom Gehirn aus treten der linke und rechte Vagusnerv durch eine Öffnung an der Schädelbasis aus und ziehen seitlich entlang des Halses.
  3. Brustraum: Die Nerven verlaufen weiter in den Brustraum.
  4. Bauchraum: Nach dem Durchtritt durch das Zwerchfell erreichen beide Vagusnerven den Oberbauch, wo sie sich weiter verzweigen.

Verbindung zum autonomen Nervensystem (ANS)

Der Vagusnerv ist ein zentraler und dominanter Bestandteil des parasympathischen Teils des ANS, der für Entspannung, Regeneration und Heilung zuständig ist. Er hilft dem Körper, vom Alarmzustand (aktivierter Sympathikus) wieder in den Ruhemodus (aktivierter Parasympathikus) zu wechseln, was essenziell für die emotionale Stabilität ist.

Die Bedeutung eines gesunden Vagusnervs

Ein gut funktionierender Vagusnerv ist entscheidend für viele wichtige Funktionen im Körper, von der Verdauung über den Herzschlag bis hin zur Stressregulation. Wenn der Vagusnerv gut funktioniert, fühlt man sich sicher, verbunden und ausgeglichen. Ein gestörter Vagusnerv-Tonus kann eine wichtige Rolle spielen, wenn man unter anhaltendem Stress, Ängsten oder depressiven Verstimmungen leidet.

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Symptome eines geschwächten Vagusnervs

Ein gereizter, geschwächter oder blockierter Vagusnerv kann eine Vielzahl von Beschwerden auslösen, darunter:

  • Herzstolpern
  • Verdauungsprobleme wie Übelkeit oder Völlegefühl
  • Schluckbeschwerden oder ein Kloßgefühl im Hals
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Chronische Müdigkeit
  • Nackenschmerzen

Diese Symptome können plötzlich auftreten und wieder verschwinden, was die Diagnose erschwert.

Ursachen für Vagusnerv-Störungen

Es gibt verschiedene Faktoren, die den Vagusnerv negativ beeinflussen können:

  1. Körperhaltung und Muskulatur: Verspannungen im Nacken-, Kiefer- oder Brustbereich sowie Fehlhaltungen können den Nerv mechanisch reizen oder einengen.
  2. Seelische Verfassung: Anhaltender psychischer Stress, ungelöste Konflikte oder emotionale Überlastung können die Aktivität des Vagusnervs spürbar herunterfahren.
  3. Innere Prozesse: Chronische Entzündungen, hormonelle Dysbalancen und eine unausgewogene Darmflora können die Funktion des Vagusnervs hemmen.

Möglichkeiten zur Stimulation des Vagusnervs

Es gibt verschiedene Methoden, um den Vagusnerv zu stimulieren und seine Funktion zu verbessern. Diese reichen von einfachen Übungen im Alltag bis hin zu medizinischen Anwendungen.

Selbsthilfe-Übungen und Techniken

  1. Tiefe Atmung: Bewusst tief ein- und ausatmen, vor allem in den Bauchraum hinein, senkt die Herzfrequenz und das Stresslevel. Die vertieften Atemzüge erhöhen die Empfindlichkeit von Barorezeptoren, Drucksinneszellen in den Gefäßwänden. Eine spezielle Atemübung ist das Box-Breathing (Vier-Quadrat-Atmung):
    • Einatmen (4 Sekunden)
    • Luft anhalten (4 Sekunden)
    • Ausatmen (4 Sekunden)
    • Luft anhalten (4 Sekunden)Diese Übung sollte mehrfach wiederholt werden.
  2. Kältereize: Eine kurze kalte Dusche am Morgen kann helfen, den Sympathikus zu dämpfen und den Parasympathikus zu aktivieren. Das kalte Wasser erst langsam über Arme und Beine laufen lassen und dann vor allem den Hals entlang über den ganzen Körper.
  3. Singen, Summen und Gurgeln: Die beiden Äste des Vagusnervs verlaufen auf beiden Seiten des Halses entlang von Kehlkopf und Luftröhre. Singen Sie Ihre Lieblingslieder, vor allem solche mit Vokalen wie A, O und U. Auch Weihnachtslieder oder Wiegenlieder können einen ähnlichen Effekt haben.
  4. Meditation und Yoga: Diese Entspannungstechniken können helfen, Stress abzubauen und das emotionale Gleichgewicht zu fördern. Yoga stimuliert den Vagusnerv und wirkt entzündungshemmend. Langsames Atmen, wie es beim Yoga praktiziert wird (3-9 Atemzüge pro Minute), kann den Vagusnerv aktivieren.
  5. Selbstmassage: Legen Sie beide Handflächen seitlich außen an den Hals und streichen Sie mit sanften, kreisenden Bewegungen zwischen Ohr und Schulterübergang über die Haut. Der Vagusnerv verläuft seitlich am Hals entlang, und leichter Druck kann ihn von außen anregen.
  6. Kopf drehen: Drehen Sie den Kopf einmal langsam nach links und fixieren Sie mit den Augen etwas in nächster Nähe. Dann drehen Sie den Kopf langsam nach rechts und stellen Sie ebenfalls kurz einen Gegenstand mit den Augen scharf.
  7. Augenbrauen heben: Heben Sie die Augenbrauen und bewegen Sie dabei die Ohren. Dies aktiviert den siebten Hirnnerv (N. facialis).
  8. Akkommodation: Trainieren Sie Ihre Augenmuskeln, indem Sie abwechselnd Gegenstände in unterschiedlichen Entfernungen scharf stellen. Strecken Sie jeweils einen Finger der rechten und einen Finger der linken Hand unterschiedlich weit von sich weg und versuchen Sie, diese mit den Augen abwechselnd scharf zu stellen.
  9. Akupressur: Drücken Sie für eine Selbst-Akupressur den Punkt in der Ohrmuschel, der mit dem Vagusnerv in Verbindung steht, 30 Sekunden lang und lassen Sie wieder los. Wiederholen Sie dies mehrmals.
  10. Ausgleich mit Lavendel: Ätherisches Lavendelöl kann in stressigen Zeiten helfen, abzuschalten. Tragen Sie einige Tropfen auf die Handgelenke oder auf die Brust auf und atmen Sie ein.
  11. Sport treiben: Körperliche Aktivität sorgt dafür, dass der Botenstoff Dopamin im Gehirn ausgeschüttet wird, was durch den Vagusnerv initiiert wird. Selbst moderate körperliche Betätigung kann diese Wirkung haben.
  12. Darmgesundheit stärken: Eine gesunde Darmflora kann den Vagusnerv positiv beeinflussen. Probiotika und eine ausgewogene Ernährung können hier helfen.

Medizinische Anwendungen

  1. Vagusnervstimulation (VNS): In der Medizin wird die Aktivierung des Vagusnervs bereits gezielt genutzt, zum Beispiel bei Depressionen. Dabei wird mithilfe von Elektroden der Nerv durch Strom gereizt. In Zukunft könnten eventuell auch bestimmte Formen der Epilepsie, Migräne oder chronische Schmerzen so behandelt werden.
  2. Transkutane Vagusnervstimulation (tVNS): Hier werden spezielle Stimulationsgeräte am Ohr angesetzt, um den Vagusnerv durch elektrische Impulse zu stimulieren. Dies kann bei der Behandlung von Übergewicht, Depressionen und anderen Erkrankungen helfen.
  3. Psychokardiologie: Psychotherapeutische Maßnahmen können bei Herzkranken Menschen Depressivität, Angstsymptome und Stress reduzieren und die Sterblichkeit an Herzkrankheiten senken.

Vagusnerv und Immunsystem

Es gibt eine wichtige Verbindung zwischen dem Vagusnerv und dem Immunsystem. Der Vagusnerv kann Entzündungsreaktionen im Körper beeinflussen und spielt eine Rolle im neuro-immunologischen System.

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Vagusnerv und Emotionen

Der Vagusnerv spielt eine zentrale Rolle dabei, das Nervensystem aus dem Alarmzustand in den Entspannungsmodus zu bringen, was bei Angstzuständen entscheidend ist. Ein gut funktionierender Vagusnerv kann helfen, übersteigerte Stressreaktionen zu dämpfen und das emotionale Gleichgewicht zu fördern. Studien deuten darauf hin, dass ein besseres Bewusstsein für die eigenen Gefühle mit einer stabileren Herzaktion einhergeht und somit einen Schutzfaktor darstellen kann.

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