Fast jeder kennt es: kleine Gedächtnislücken oder eine gewisse Teilnahmslosigkeit. Oftmals ist der Grund dafür viel Stress im Privatleben. Hinter diesen harmlos wirkenden Symptomen kann sich jedoch eine vaskuläre Demenz verbergen. Sie ist die zweithäufigste Demenzform in Deutschland und betrifft vor allem ältere Menschen, die einer bestimmten Risikogruppe angehören.
Die vaskuläre Demenz ist eine von bis zu 50 bekannten Demenzformen. Neben der Alzheimer-Krankheit ist sie mit etwa 250.000 Betroffenen die zweithäufigste Form in Deutschland.
Was ist vaskuläre Demenz?
Der Begriff „vaskulär“ bedeutet „gefäßbedingt“, und Demenz (lat.) steht für „Wahnsinn“ oder „Torheit“. Vaskuläre Demenz ist somit der Oberbegriff für Demenzformen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn ausgelöst werden.
Unterformen der vaskulären Demenz
Die bekanntesten Unterformen der vaskulären Demenz sind:
- Morbus Binswanger
- Multiinfarktdemenz
- Genetisch bedingte Demenz
Stadien der vaskulären Demenz
Eine vaskuläre Demenz verläuft in sieben Stadien, die sich in leichte, mittelschwere, fortgeschrittene und Demenz im Endstadium unterteilen lassen. Ein gängiges Modell hierfür ist die Reisberg-Skala.
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Ursachen der vaskulären Demenz
Es gibt unterschiedliche Ursachen für eine vaskuläre Demenz. Sie sind jedoch alle auf Ablagerungen in Blutgefäßen, Blutgerinnsel oder Hirnblutungen zurückzuführen. Eine oder mehrere dieser Ursachen können dazu führen, dass weniger Sauerstoff und Nährstoffe in bestimmte Gehirnbereiche gelangen, wodurch Hirnzellen geschädigt werden oder absterben.
Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Schlaganfälle: Verschlossene Arterien im Hirn führen zu einem Schlaganfall, der auch mit einer vaskulären Demenz einhergehen kann. Das Risiko besteht selbst bei mehreren kleinen Schlaganfällen. Entsteht aus mehreren kleinen Schlaganfällen eine vaskuläre Demenz, spricht die Medizin von einer Multiinfarktdemenz.
- Arteriosklerose: Bei einer Arteriosklerose kommt es zu einer Verhärtung und einem Elastizitätsverlust der Arterienwände. In den Wänden setzen sich Kalzium, Fett oder Cholesterin ab, was eine vaskuläre Demenz begünstigen kann.
- Hirnblutung: Die Ursache für eine Hirnblutung sind kleine Blutgefäße, die im Schädel bzw. Gehirn platzen und zu einer Schwäche des Hirngewebes führen. Hierdurch kann es zu einer Unterversorgung einiger Gehirnareale kommen und eine vaskuläre Demenz verursachen.
Mit dem steigenden Alter erhöht sich die Gefahr, an dieser Demenzform zu erkranken. Das Alter allein stellt jedoch nicht den einzigen Risikofaktor dar.
Risikofaktoren
Die Hauptrisiken für die vaskuläre Demenz sind kardiovaskuläre sowie metabolische Vorerkrankungen, die das Herz-Kreislauf-System und/oder den Stoffwechsel betreffen. Zu den Risikofaktoren, die behandelt werden sollten, gehören:
- Bluthochdruck
- Starkes Übergewicht (Adipositas)
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
- Veränderter Fettstoffwechsel, insbesondere ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel
- Bestimmte Herzkrankheiten wie Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Herzschwäche
- Bewegungsmangel
- Rauchen
- ungesunde Ernährung
Symptome der vaskulären Demenz
Die Symptome einer vaskulären Demenz variieren teilweise sehr stark. Welche Anzeichen auftreten, hängt davon ab, wie weit die Schädigung schon fortgeschritten ist und in welcher Gehirnregion sie sich befindet. Die Symptome können plötzlich, schleichend oder schrittweise auftreten und sich im weiteren Verlauf entweder schleichend oder plötzlich verschlechtern. Dazwischen kann es auch längere stabile Phasen geben.
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Zu Beginn äußern sich die Symptome häufig darin, dass Erkrankte nicht mehr so aufmerksam sind wie sonst und das Denken sich verlangsamt.
Mögliche Symptome sind:
- Sprachstörung
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung
- Eingeschränkte Handlungsfähigkeit (Apraxie)
- Verlangsamung
- Antriebsstörung
- Veränderungen der Stimmung sowie Stimmungsschwankungen
- Wesenänderung
- Vergesslichkeit
- Rasche geistige und körperliche Erschöpfbarkeit
Mögliche körperliche Begleitsymptome, die zusätzlich auftreten können, sind:
- Gehstörung
- Verstärkter Harndrang oder Inkontinenz (Miktionsstörung)
- Kau- und Schluckbeschwerden (Pseudobulbärparese)
- Schwindelgefühl
- Nach Schlaganfall auch neurologische Störungen, zum Beispiel eine Halbseitenlähmung
Diagnose der vaskulären Demenz
Bei der Diagnose gibt es häufig einige Schwierigkeiten, da sich die vaskuläre Demenz kaum von Alzheimer unterscheiden lässt. Ältere Betroffene klagen häufig über Symptome, die auf beide Demenzerkrankungen (gemischte Demenz) schließen lassen können.
Die Diagnose erfolgt in ein paar zentralen Schritten:
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- Anamnese: Zu Beginn erfolgt eine ausführliche Anamnese. Ärztinnen und Ärzte stellen gezielte Fragen zum Alltag der Patientinnen und Patienten, zu aktuellen Beschwerden, typischen Symptomen und deren Verlauf. Bereits anhand dieser Informationen kann eine erste Einschätzung getroffen werden, ob eine vaskuläre Demenz in Betracht gezogen werden kann.
- Körperliche Untersuchungen: Im Anschluss folgen körperliche Untersuchungen, bei denen insbesondere das Herz-Kreislauf-System sowie die neurologischen Funktionen überprüft werden. Ziel ist es, mögliche Ursachen für die Beschwerden zu identifizieren und andere Erkrankungen auszuschließen.
- Kardiologische Diagnostik: Zur kardiologischen Abklärung werden in der Regel ein Langzeit-Elektrokardiogramm (EKG) und eine Echokardiographie durchgeführt. Diese Untersuchungen helfen dabei, Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus zu erkennen, die das Risiko für eine Durchblutungsstörung im Gehirn erhöhen.
- Neuropsychologische Tests: Mithilfe neuropsychologischer Tests lässt sich feststellen, welche Bereiche der geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Die Ergebnisse werden anhand von Zahlenwerten beurteilt und mit Durchschnittswerten der Allgemeinbevölkerung verglichen. Insbesondere werden Aufmerksamkeit, Sprache und Gedächtnis getestet.
- Bildgebende Verfahren: Ergänzend kommen bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) oder die Computertomografie (CT) zum Einsatz. Sie liefern präzise Aufnahmen des Gehirns und der Halsschlagader und zeigen, ob bereits Schädigungen oder Durchblutungsstörungen vorliegen.
Behandlung der vaskulären Demenz
Das Ziel der Therapie einer vaskulären Demenz ist es, den Verlauf zu verlangsamen und sowohl die körperlichen als auch die geistigen Fähigkeiten der Betroffenen zu erhalten. Da die vaskuläre Demenz nicht heilbar ist, setzt die Therapie bei den Grunderkrankungen an, um das Fortschreiten der Demenz hinauszuzögern.
Medikamentöse Behandlung
Im Fokus steht die Behandlung der Risikofaktoren. Einige Risikokrankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes Mellitus oder Durchblutungsstörungen lassen sich mit Medikamenten behandeln. Sollte ein Blutgerinnsel im Gehirn vorliegen, verschreiben Mediziner gerinnungshemmende Medikamente, um das Schlaganfallrisiko zu senken.
- Blutdrucksenkende Mittel: Ein zu hoher Blutdruck kann Gefäßschäden und als Folge neue Schlaganfälle und Hirnblutungen verursachen, ist aber gut mit Medikamenten in den Griff zu bekommen.
- Statine: Statine sind Medikamente, die Schlaganfällen und Herzinfarkten vorbeugen können. Sie verringern den Anteil bestimmter Fette (LDL-Cholesterine) im Blut.
- Plättchenhemmer: Liegt als Grunderkrankung eine Arteriosklerose (Gefäßverengung) vor, kann ein Plättchenhemmer das Risiko für Gefäßschäden durch Blutgerinnsel senken. Diese Medikamente werden auch Thrombozyten-Aggregationshemmer genannt. Hierzu zählen ASS und Clopidogrel.
- Orale Antikoagulanzien (OAKs): OAKs wirken stärker als Plättchenhemmer. Sie werden zum Beispiel zur Vorbeugung von Blutgerinnseln bei Vorhofflimmern eingesetzt. Bei dieser Herzerkrankung besteht ein hohes Schlaganfallrisiko.
Cholinesterasehemmer und Memantin können die Symptome lindern, stoppen aber nicht den Verlauf der vaskulären Demenz. Ihre Einnahme hat keine Wirkung auf die Erkrankung selbst und kann mit Nebenwirkungen einhergehen.
Gelegentlich können auch Psychopharmaka zum Einsatz kommen, um psychische Herausforderungen zu bewältigen.
Nicht-medikamentöse Therapie
Die Therapie einer vaskulären Demenz basiert nicht ausschließlich auf der Einnahme von Medikamenten. Betroffene benötigen außerdem Unterstützung, um die körperlichen und geistigen Funktionen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.
Hierzu kommen solche Therapieansätze zum Einsatz:
- Logopädie
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Krankengymnastik
- Musiktherapie
Welche der genannten Therapien benötigt wird, ist individuell. An einer vaskulären Demenz erkrankten Personen stehen spezielle Rehabilitationsprogramme offen, an denen Betroffene entweder stationär, teilstationär oder ambulant teilnehmen können. Eine Reha ist bspw. ein wichtiger Bestandteil für Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben.
Zu den unterschiedlichen Therapieansätzen gehören:
- Erinnerungstherapie
- Rechen- und Rätselaufgaben
- Bewegungs- und Sporttherapien
- Sprachförderung
Welche davon infrage kommt, hängt vom Schweregrad und Verlauf der Erkrankung ab.
Weitere nicht-medikamentöse Behandlungen umfassen:
- Kognitive Stimulation: Für Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz gibt es unterschiedliche Übungen im Rahmen der sogenannten kognitiven Stimulation. Beispiele sind Rechenaufgaben, Orientierungstrainings, Gesprächsübungen und kreative Arbeit, wie Malen, Basteln oder Töpfern.
- Reminiszenz-Therapie: Bei einer Reminiszenz-Therapie besteht die Möglichkeit, in Einzel- oder Gruppengesprächen beispielsweise von der Kindheit, Schulzeit oder dem früheren Beruf zu erzählen. Diese Therapie soll geistige Fähigkeiten wie Erinnerungsvermögen und sprachliche Ausdrucksfähigkeit fördern, aber auch die Lebensqualität verbessern.
- Ergotherapie: Die Ergotherapie ist eine wirksame Möglichkeit zum Training von Alltagsfertigkeiten wie zum Beispiel Anziehen oder Haushaltsarbeiten. Ergotherapeutinnen und -therapeuten helfen dabei, das Leben so eigenständig wie möglich zu gestalten. Dazu bieten sie verschiedene Übungen und Aktivitäten an, beraten und schlagen Anpassungen im Alltag vor. Ergotherapie kann auch Konzentrations- und Gedächtnistraining beinhalten.
- Körperliche Aktivität: Es ist wichtig, in Bewegung zu bleiben, um beispielsweise Bettlägerigkeit zu vermeiden. Studien zeigen, dass Menschen mit Demenz, die an Bewegungsprogrammen teilnehmen, dadurch länger mobil sein können. Kombinierte Programme zur Verbesserung von Kraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht können helfen, Alltagsaktivitäten länger selbstständig zu erledigen.
- Musiktherapie: Musiktherapie wird in Einzel- (persönlich abgestimmt) oder in Gruppensitzungen angeboten. Dabei wird je nach Angebot und Möglichkeit aktiv Musik gemacht - zum Beispiel gesungen - oder (passiv) Musik gehört.
Unterstützung für Angehörige
Für Angehörige gibt es praktische Unterstützungsangebote und Schulungen. Sie sollen helfen, die Krankheit besser zu verstehen und im Alltag mit ihr zurechtzukommen. Praktische Angebote umfassen Informationen über Leistungen der Kranken- und Pflegekassen und über finanzielle Hilfen. Die psychosoziale Beratung unterstützt bei der Antragstellung und berät unter anderem dazu, wie man mit schwierigen Situationen im Pflegealltag umgehen kann.
Für Angehörige ist es hilfreich, in die Diagnose und Behandlungsplanung eingebunden zu sein. Da die Betreuung und Pflege für Angehörige belastend sein kann, gibt es Angebote, in denen man Bewältigungsstrategien erlernen kann. Das soll die Belastung senken und kommt dann auch der oder dem Erkrankten zugute. Unterstützung für Angehörige kann persönlich, aber auch telefonisch oder per Videoanruf genutzt werden - je nachdem, was besser in den Alltag passt.
Vorbeugung
Einer vaskulären Demenz beugt man vor, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Die frühzeitige Behandlung risikobehafteter Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Adipositas ist ein entscheidender Beitrag zur Demenzvorsorge.
Darüber hinaus ist es wichtig, mit seinem persönlichen Lebensstil zur Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems beizutragen:
- ausgewogene Ernährung
- körperliche Bewegung
- nicht rauchen
Außerdem wird zur allgemeinen Demenzvorbeugung ein geistig und sozial aktives Leben empfohlen.
Leben mit vaskulärer Demenz
Eine Demenz ist eine enorme Belastung für Betroffene und Angehörige. Es gibt Alltagstipps, um mit vaskulärer Demenz besser und oft auch länger allein leben zu können:
- Benutzen Sie Erinnerungshilfen (Kalender, Notizen, Handy-Funktionen, abwischbare Tafeln usw.)
- Gestalten Sie Ihre Wohnung sicherer und demenzangepasst.
- Machen Sie ihren Haushalt übersichtlicher und legen Sie feste Plätze für bestimmte Dinge fest. Auch technische Hilfen wie eine Herdsicherung können entlasten.
- Geben Sie ihrem Alltag eine feste, wiederkehrende Struktur. Nutzen Sie hierfür und für besondere Termine einen Wochenplan.
- Betreiben Sie Hobbys und gestalten Sie Ihre Freizeit aktiv.
- Pflegen Sie Ihre körperliche Gesundheit: Bleiben Sie körperlich aktiv, ernähren Sie sich gesund und nehmen Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich.
- Fördern Sie Ihre Gesundheit mit guter Schlafhygiene: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus.
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