Die vaskuläre Demenz (F01.-) ist eine Form der Demenz, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht wird. Sie entsteht durch eine Infarzierung des Gehirns infolge einer vaskulären Erkrankung, einschließlich der zerebrovaskulären Hypertonie. Die Infarkte sind meist klein, summieren sich aber in ihrer Wirkung. Der Beginn liegt gewöhnlich im späteren Lebensalter.
Einführung in die Demenz und ihre Klassifikation
Demenzen allgemein (F00-F03) sind Syndrome als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns. Sie sind gekennzeichnet durch die Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist dabei nicht getrübt. Diese kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Das Syndrom kann bei der Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vorkommen, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.
Bei Demenzerkrankungen findet aktuell ein konzeptueller Wandel statt. Bis vor Kurzem wurden sie in Bezug auf die Ätiologie syndromal diagnostiziert. In den letzten Jahren sind aber, insbesondere bei der Alzheimer-Krankheit, Biomarker für die Pathologie (Amyloid, Tau-Aggregation) hinzugekommen, wodurch eine gesicherte ätiologische Diagnose möglich ist. Bei anderen Demenzformen sind ebenfalls Biomarker in Entwicklung.
ICD-Klassifikation der vaskulären Demenz (ICD-10)
Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) ist ein weltweit anerkanntes System zur Klassifizierung von Krankheiten und Gesundheitsproblemen. Die ICD-10 (die derzeit gültige Version) und die kommende ICD-11 enthalten spezifische Codes für die vaskuläre Demenz und ihre verschiedenen Subtypen.
Im Kapitel F0 der ICD-10 werden verschiedene Demenzformen genannt. Die vaskuläre Demenz (F01) wird dort wie folgt unterteilt:
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- F01.0 Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn: Diese Form entwickelt sich meist sehr schnell nach einer Reihe von Schlaganfällen als Folge von zerebrovaskulärer Thrombose, Embolie oder Blutung. In seltenen Fällen kann eine einzige massive Infarzierung die Ursache sein.
- F01.1 Multiinfarkt-Demenz: Sie beginnt allmählich, nach mehreren vorübergehenden ischämischen Episoden (TIA), die eine Anhäufung von Infarkten im Hirngewebe verursachen. Inklusive vorwiegend kortikale Demenz.
- F01.2 Subkortikale vaskuläre Demenz: Hierzu zählen Fälle mit Hypertonie in der Anamnese und ischämischen Herden im Marklager der Hemisphären. Im Gegensatz zur Demenz bei Alzheimer-Krankheit, an die das klinische Bild erinnert, ist die Hirnrinde gewöhnlich intakt.
- F01.3 Gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz
- F01.8 Sonstige vaskuläre Demenz
- F01.9 Vaskuläre Demenz, nicht näher bezeichnet
Es ist wichtig zu beachten, dass in der ambulanten Versorgung der ICD-Code auf medizinischen Dokumenten immer durch Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit ergänzt wird:
- A: Ausgeschlossene Diagnose
- G: Gesicherte Diagnose
- V: Verdachtsdiagnose
- Z: Zustand nach der betreffenden Diagnose
ICD-11: Änderungen und Neuerungen in der Klassifikation
In ICD-11 werden aktuelle diagnostische Klassifikationen neurodegenerativer Demenzerkrankungen aufgegriffen. In Kapitel 6 (Psychische Störungen, Verhaltensstörungen, neuromentale Entwicklungsstörungen) werden in dem Unterkapitel Neurokognitive Störungen die Demenzen aufgeführt.
Einen eigenen Code hat die Demenz durch primär zerebrovaskuläre Krankheit (6D81). Hier können durch Postkoordination verschiedene Formen zerebrovaskulärer Erkrankungen mit jeweils eigenen Codes zugeordnet werden.
Im neurologischen Kapitel 8 (Krankheiten des Nervensystems) sind Demenzen bei Störungen mit neurokognitiven Beeinträchtigungen als Hauptmerkmal aufgeführt.
Durch Postkoordination ist die Codierung einer Demenz mit Schweregrad für die Alzheimer-Krankheit, die Lewy-Körper-Krankheit und die frontotemporale Lobärdegeneration möglich.
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Ein zentraler Fortschritt von ICD-11 ist die Einführung der leichten neurokognitiven Störung - die erstmal bereits in der 5. Version des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) eingeführt wurde - mit der Möglichkeit über Postkoordination diesem Syndrom eine spezifische Ätiologie zuzuordnen.
Symptome der vaskulären Demenz
Die Symptome der vaskulären Demenz können je nach betroffenem Hirnareal variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Gedächtnisverlust
- Schwierigkeiten beim Denken und Planen
- Sprachprobleme
- Veränderungen in der Persönlichkeit und im Verhalten
- Motorische Störungen (z.B. Gangstörungen, Schwäche)
- Stimmungsschwankungen und Depressionen
Die Beschwerden können nach einer Störung der Durchblutung im Gehirn beginnen. Durchblutungs-Störungen im Gehirn können durch einen dauerhaft erhöhten Blutdruck verursacht werden.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Hauptursache der vaskulären Demenz sind Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu Infarkten führen. Risikofaktoren für die Entstehung einer vaskulären Demenz sind:
- Hoher Blutdruck (Hypertonie)
- Arteriosklerose (Verkalkung der Arterien)
- Diabetes mellitus
- Herzerkrankungen
- Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA)
- Rauchen
- Hoher Cholesterinspiegel
- Übergewicht
- Bewegungsmangel
Diagnose der vaskulären Demenz
Die Diagnose der vaskulären Demenz basiert auf einer umfassenden neurologischen Untersuchung, neuropsychologischen Tests und bildgebenden Verfahren des Gehirns (z.B. CT oder MRT). Die neuropsychologischen Tests helfen, die kognitiven Beeinträchtigungen zu erfassen und von anderen Demenzformen abzugrenzen. Die Bildgebung dient dazu, vaskuläre Schäden im Gehirn nachzuweisen.
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Differentialdiagnose
Es ist wichtig, die vaskuläre Demenz von anderen Demenzformen, insbesondere der Alzheimer-Krankheit, zu unterscheiden. Während die Alzheimer-Krankheit durch einen schleichenden, kontinuierlichen Abbau der kognitiven Fähigkeiten gekennzeichnet ist, kann die vaskuläre Demenz einen stufenweisen Verlauf haben, bei dem sich die Symptome nach Schlaganfällen oder TIAs plötzlich verschlechtern. Allerdings gibt es auch gemischte Formen, bei denen sowohl Alzheimer- als auch vaskuläre Veränderungen im Gehirn vorliegen.
Therapie und Management
Die Therapie der vaskulären Demenz zielt darauf ab, die Risikofaktoren zu kontrollieren, weitere Schlaganfälle zu verhindern und die Symptome zu lindern. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:
- Kontrolle des Blutdrucks: Eine gute Blutdruckeinstellung ist entscheidend, um das Risiko weiterer vaskulärer Schäden zu reduzieren.
- Behandlung von Diabetes mellitus: Eine gute Blutzuckerkontrolle ist wichtig, um die Gefäße zu schützen.
- Senkung des Cholesterinspiegels: Eine lipidsenkende Therapie kann helfen, die Arteriosklerose zu verlangsamen.
- Thrombozytenaggregationshemmer oder Antikoagulantien: Diese Medikamente können das Risiko von Blutgerinnseln und Schlaganfällen verringern.
- Kognitives Training: Spezielle Übungen können helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern oder zu erhalten.
- Ergotherapie und Physiotherapie: Diese Therapien können helfen, die motorischen Fähigkeiten und die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten.
- Logopädie: Bei Sprachproblemen kann eine logopädische Therapie hilfreich sein.
- Medikamentöse Behandlung von Begleitsymptomen: Depressionen, Angstzustände und Schlafstörungen können mit Medikamenten behandelt werden.
- Unterstützung und Beratung von Angehörigen: Die Betreuung von Menschen mit vaskulärer Demenz ist oft sehr belastend für die Angehörigen. Daher ist es wichtig, dass sie Unterstützung und Beratung erhalten.
Prävention
Ein gesunder Lebensstil kann dazu beitragen, das Risiko einer vaskulären Demenz zu senken. Zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen gehören:
- Regelmäßige Bewegung
- Gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten
- Nichtrauchen
- Mäßiger Alkoholkonsum
- Kontrolle des Blutdrucks, des Blutzuckers und des Cholesterinspiegels
- Vermeidung von Übergewicht
Hinweis auf zusätzliche Schlüsselnummern (U63.-!)
Soll das Vorliegen von psychischen oder Verhaltensstörungen spezifisch angegeben werden, so sind sekundäre Schlüsselnummern (U63.-!) zu benutzen.