In unserer heutigen, oft hektischen Welt ist es wichtiger denn je, auf unsere psychische Gesundheit zu achten und Strategien zu entwickeln, um mit Stress umzugehen. Entspannungsübungen sind hierbei ein wirksames Mittel, um Ruhe und innere Ausgeglichenheit zu finden. Diese Übungen können uns helfen, Stress abzubauen, unsere Energiereserven wieder aufzufüllen und langfristig widerstandsfähiger gegen Stress zu werden.
Die Bedeutung des vegetativen Nervensystems
Unser vegetatives Nervensystem steuert unbewusste Prozesse im Körper wie Verdauung, Herzschlag, Muskeltonus und Atmung. Es besteht aus zwei Gegenspielern: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Der Sympathikus aktiviert den Körper in Stress- oder Gefahrensituationen, während der Parasympathikus für Entspannung und Regeneration zuständig ist. Im oft stressigen Alltag ist der Sympathikus häufig stärker aktiviert als der Parasympathikus, was zu einem Ungleichgewicht führen kann.
Der Vagusnerv: Ein Schlüssel zur Entspannung
Ein wichtiger Bestandteil des parasympathischen Nervensystems ist der Vagusnerv, der längste Hirnnerv im Körper. Er verbindet das Gehirn mit vielen Organen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Entspannung. Der Vagusnerv kann durch gezielte Übungen wie Atemtechniken, Kältereize oder Summen bewusst aktiviert werden.
Warum den Vagusnerv aktivieren?
Der Vagusnerv beruhigt den Körper, indem er Herzschlag und Atmung verlangsamt sowie Magen und Darm stimuliert. Eine optimale Funktion des Vagusnervs ist daher entscheidend für ein ausgeglichenes Wohlbefinden und die Gesundheit.
Entspannungstechniken und Übungen zur Stärkung des vegetativen Nervensystems
Es gibt zahlreiche Entspannungsübungen, die Ihnen helfen, Ihre psychischen und körperlichen Ressourcen zu stärken. Wer diese regelmäßig praktiziert, geht nicht nur gelassener mit herausfordernden Situationen um, sondern kann sich auch besser konzentrieren.
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- Yoga: Yoga kombiniert Körperstellungen ("Asanas") und Dehnungen mit Atemübungen. Diese Entspannungsübungen trainieren Körper und Geist gleichermaßen. Die Asanas und tiefen Dehnungen entspannen Muskeln, Bindegewebe und Bänder, während das kontrollierte Atmen die Achtsamkeit schult und einen Zustand innerer Ruhe versetzt.
- Tai Chi: Beim Tai-Chi führen Sie bestimmte Bewegungen der Kampf- und Bewegungskunst ganz bewusst und konzentriert aus. Das steigert die Lebensenergie, stärkt die Selbstwahrnehmung und sensibilisiert Sie für die körperlichen Frühwarnsignale von Stress.
- Qigong: Diese asiatische Methode basiert darauf, die Lebensenergien (das „Qi“) zurück in die richtigen Bahnen zu lenken. Die dabei praktizierten Entspannungsübungen helfen, Spannungen abzubauen und das Körperbewusstsein zu steigern.
- Progressive Muskelentspannung: Stress und Verspannungen können sich gegenseitig verstärken. Die Progressive Muskelentspannung setzt genau hier an: Im Liegen oder Sitzen spannen Sie nacheinander die Muskeln verschiedener Körperregionen an, um sie kurz darauf wieder zu entspannen. Mit diesen Entspannungsübungen lassen sich innere Unruhe, Erregungszustände und Verspannungen lindern.
- Autogenes Training: Auch das autogene Training basiert auf der Wechselwirkung zwischen Körper und Geist und wirkt mit seinen Entspannungsübungen wie eine Selbsthypnose. Indem Sie sich auf den Körper konzentrieren, suggerieren Sie sich selbst (autogen) eine tiefe Entspannung. Das vegetative Nervensystem, das für Atmung, Blutdruck und Kreislauf zuständig ist, wird dadurch positiv beeinflusst.
- Meditation und Achtsamkeit: Meditationsübungen sind auch Entspannungsübungen, denn sie helfen dabei, sich auf den Moment zu konzentrieren, negative Gedankenspiralen zu lösen und gedankliche Klarheit zu finden. Meditationstechniken und -übungen schulen zudem die Achtsamkeit, die es erleichtert, sich der eigenen emotionalen und körperlichen Zustände bewusst zu werden.
- Atemtherapie: Starker Stress führt meist zu einer ungesunden, flachen Atmung. Atemübungen können helfen, das zu verhindern. Durch bewusstes Atmen lösen Sie Muskelverspannungen, steigern Ihre Vitalität und verbessern unter anderem die Durchblutung Ihres Körpers. Atemtechniken sind daher effektive Entspannungsübungen.
- Box-Breathing (Vier-Quadrat-Atmung): Diese Übung beinhaltet das Einatmen für 4 Sekunden, das Anhalten der Luft für 4 Sekunden, das Ausatmen für 4 Sekunden und das anschließende Anhalten der Luft für 4 Sekunden. Die gesamte Übung sollte mehrfach wiederholt werden. Diese Atemtechnik senkt die Herzfrequenz und das Stresslevel.
- 4-7-8-Atemtechnik: Diese Technik beinhaltet das Einatmen für 4 Sekunden, das Anhalten der Luft für 7 Sekunden und das Ausatmen für 8 Sekunden. Diese Atmung aktiviert direkt den Parasympathikus.
- Selbstmassage: Legen Sie beide Handflächen seitlich außen an den Hals und streichen Sie mit sanften, kreisenden Bewegungen zwischen Ohr und Schulterübergang über die Haut. Der Vagusnerv verläuft seitlich am Hals entlang, und leichter Druck kann ihn anregen.
- Kopf drehen: Drehen Sie den Kopf einmal langsam nach links und fixieren Sie mit den Augen etwas in nächster Nähe. Drehen Sie dann den Kopf langsam nach rechts und stellen Sie ebenfalls kurz einen Gegenstand mit den Augen scharf.
- Augenbrauen heben: Heben Sie die Augenbrauen und bewegen Sie dabei die Ohren.
- Singen: Singen Sie Ihre Lieblingslieder, vor allem solche, die Vokale wie A, O und U enthalten.
- Gurgeln: Gurgeln kann ebenfalls den Vagusnerv stimulieren.
- Kältereize setzen: Eine kurze kalte Dusche am Morgen kann helfen, wach und gleichzeitig gelassen in den Tag zu starten. Lassen Sie das kalte Wasser erst langsam über Arme und Beine laufen und dann vor allem den Hals entlang über den ganzen Körper.
- Akkommodieren: Trainieren Sie Ihre Augenmuskeln und regen Sie gleichzeitig den Vagusnerv an, indem Sie jeweils einen Finger der rechten und einen Finger der linken Hand unterschiedlich weit von sich wegstrecken und versuchen, diese mit den Augen abwechselnd scharf zu stellen.
- Akupressur: Drücken Sie für eine Selbst-Akupressur den Punkt in der Ohrmuschel, der mit dem Vagusnerv in Verbindung steht, 30 Sekunden und lassen Sie wieder los. Wiederholen Sie dies mehrmals.
Vagusnerv-Stimulation im Alltag
Neben den spezifischen Übungen gibt es auch Möglichkeiten, den Vagusnerv im Alltag zu stimulieren:
- Kalt abduschen: Mäßige Kälte aktiviert den Vagusnerv. Regelmäßiges Duschen mit kaltem Wasser erhöht die Entspannungsfähigkeit des Körpers, führt zu einer verbesserten Stimmung und einer gesteigerten Stressresistenz.
- Kühles Wasser trinken: Auch das Trinken von kühlem Wasser kann den Vagusnerv aktivieren. Der Körper reagiert auf die Kälte und aktiviert das parasympathische Nervensystem.
- Akupressurmatte nutzen: Die mit kleinen Spitzen ausgestattete Matte drückt auf verschiedene Akupressurpunkte auf der Haut, einschließlich solcher, die mit dem Vagusnerv verbunden sind.
- Bewusste Atmung: Legen Sie Ihre Handflächen auf den Bereich Ihres Magens. Atmen Sie tief ein und wieder aus, sodass Sie fühlen, wie Ihr Bauch sich hebt und senkt. Zählen Sie beim Einatmen bis vier, halten Sie kurz und atmen Sie dann bis sechs oder sogar acht wieder aus.
- Meditation: Meditieren ist Entspannung pur und aktiviert Ihren Vagustonus. Wenn Ihnen das unangenehm ist, dann verbleiben Sie in Stille und fokussieren Sie sich aufs Hier und Jetzt.
- Bitterstoffe: Die Wirkung von Bitterstoffen beginnt schon im Mundraum. Dabei kommt es zur Aktivierung des Vagusnervs.
- Yoga: Legen Sie sich auf den Rücken, winkeln Sie die Beine an, die Füße stehen hüftbreit auseinander. Die Hände liegen entspannt neben dem Körper. Nun das Becken langsam anheben. Die Oberschenkel bilden eine Linie mit dem Oberkörper. Oberschenkel, Knie, Waden und Gesäß anspannen, die Bauchmuskeln bleiben hingegen locker. 10 bis 15 Sekunden halten, anschließend Hüften langsam auf den Boden sinken lassen. Dreimal wiederholen.
- Massage: Sie können an verschiedenen Körperstellen den Vagusnerv durch Streicheln oder sanfte Massagen aktivieren. Eine dieser Stellen liegt an Ihrem Hals. Beginnen Sie am besten, indem Sie Ihren Hals mit den Fingerspitzen leicht ohne Druck streicheln und dann langsam mit mehr Druck arbeiten.
- Positive Erlebnisse: Spazieren in der Natur, Ausstellung, Meer, Sonnenuntergang, Buch - alles, was Sie beruhigt, stimuliert den Vagusnerv. Doch auch, wer es weniger ruhig mag, kann etwas für seinen Vagusnerv tun: Gute Laune, positive Gedanken, Freude, auch Vorfreude, sind perfekt für unseren Vagusnerv.
- Probiotika: Probiotika stärken nicht nur Ihren Darm, sondern können auch Auswirkungen auf den Vagusnerv haben.
Wichtige Hinweise
- Regelmäßigkeit ist der Schlüssel: Vagusnerv-Training dauert nicht unbedingt lange. Viel wichtiger ist es, es regelmäßig zu tun. Suchen Sie sich täglich 1-3 aus den vorgestellten Varianten aus, um Ihren Vagusnerv zu stärken.
- Kein zusätzlicher Stressfaktor: Machen Sie die Übungen nicht nur dann, wenn es passt. Besonders wenn Magen-Darm-Trakt und mentales Befinden nicht in Bestform sind, profitiert man von einem besseren Vagusnerv-Tonus. Das Vagusnerv-Training soll nicht zum weiteren Stressfaktor ausarten.
- Individuelle Unterschiede: Jede Person reagiert anders auf die verschiedenen Übungen. Testen Sie aus, was zu Ihrem eigenen Wohlbefinden beiträgt.
- Professionelle Hilfe: Bei einem dysregulierten Nervensystem oder nach einem Trauma braucht es Zeit und möglicherweise professionelle Unterstützung.
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