Ventrikel Gehirn Erkrankungen: Ursachen, Symptome und Therapie

Der Hydrozephalus, umgangssprachlich auch als Wasserkopf oder früher als Gehirnwassersucht bezeichnet, ist eine Erkrankung, bei der sich übermäßig viel Liquor (Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit) im Schädelinneren ansammelt. Diese Flüssigkeit zirkuliert normalerweise im Gehirn und Rückenmark und dient als "Schutzpolster" für das Gehirn, transportiert Nährstoffe und führt Abfallstoffe ab.

Was ist das Ventrikelsystem?

Das Ventrikelsystem ist ein mit Liquor (Gehirnflüssigkeit) gefülltes, zusammenhängendes Hohlraumsystem im Inneren des Gehirns. Es besteht aus den vier Hirnkammern (Hirnventrikel), die miteinander über Foramina (Öffnungen) und einen Verbindungsgang in Beziehung stehen: zwei Seitenventrikel (1. und 2. Ventrikel), 3. und 4. Ventrikel. Die beiden Seitenventrikel sind vollkommen geschlossene Hohlräume, die nur durch eine Öffnung, das Foramen Monroi (oder Foramen interventriculare) miteinander und mit dem 3. Ventrikel in Verbindung stehen. Der 3. Ventrikel ist ein schmaler Spalt im Zwischenhirn. Mit dem 4. Ventrikel ist der 3. Ventrikel über den Aquaeductus mesencephalis (eine Art Kanal) verbunden. Der 4. Ventrikel liegt im Rautenhirn (Rhombencephalon).

Im Ventrikelsystem wird im Plexus choroideus der Liquor (Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit) gebildet. Über das Ventrikelsystem und dem darin zirkulierenden Liquor wird das Gehirn mit Nährstoffen versorgt und Stoffwechsel-Abbauprodukte werden abtransportiert.

Ursachen des Hydrozephalus

Die Hauptursache eines Hydrozephalus ist eine Störung in der Zirkulation des Liquors im Gehirn. Es gibt angeborene Formen (kongenitaler Hydrozephalus) und erworbene Varianten (extrinsischer Hydrozephalus). Die Ursachen für ein solches Ungleichgewicht beim Hydrocephalus sind vielfältig. Man kann z.B. unterscheiden zwischen:

  • Unzureichende Absorption von Liquor: Nachdem der Liquor das Gehirn umspült hat, wird er in das venöse Blutsystem aufgenommen. Ist dieser Prozess gestört, etwa durch Entzündungen oder Blutungen, kann sich Nervenwasser ansammeln. Dies ist die häufigste Ursache.
  • Behinderung des Liquorabflusses: Eine Blockade kann verhindern, dass Geirn-Rückenmarksflüssigkeit aus den Hirnkammern abfließen kann. Eine solche Blockade kann durch Tumore, Blutgerinnsel, Membranen (Gewebebrücken) oder Narbengewebe verursacht werden. Der NPH wird häufig auch als "Altershydrocephalus" bezeichnet und ist eine Form des sekundären Hydrocephalus.
  • Kommunikationsstörung: Nicht selten fließt der Liquor normal durch die Hirnkammern, kann aber im Subarachnoidalraum nicht richtig zirkulieren, was zu einer Ansammlung führt.
  • Verstärkte Produktion von Liquor: In sehr seltenen Fällen wird zu viel Liquor im Gehirn produziert.

Spezifische Gründe für Hydrocephalus können sein:

  • Infektionen wie Meningitis oder Enzephalitis
  • Blutungen im Hirn, besonders bei Frühgeborenen oder im Rahmen einer Subarachnoidalblutung
  • Tumore im Gehirn oder im Rückenmark, die die Liquorpassage behindern
  • Kopfverletzungen, die den normalen Fluss von Liquor stören
  • Angeborene Fehlbildungen, die den normalen Fluss von Liquor verhindern
  • Spinale Zysten oder andere Anomalien

Angeborener Hydrozephalus

Der angeborene (kongenitale) Hydrozephalus entsteht bei Fehlbildungen (Malformationen) des Hirns, Rückenmarks oder des Übergangs dazwischen. Der Grund ist, dass die Fehlbildung den Fluss des Hirnwassers behindert oder die Aufnahme des Liquors stört. Angeborene Erkrankungen mit einem Hydrozephalus sind:

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  • Neuralrohrdefekte, z. B. Spina bifida
  • Arnold-Chiari-Malformation
  • Dandy-Walker-Malformation
  • Verschluss (Atresie) zwischen den Liquorräumen
  • Mangelhafte Ausbildung der Hirnwindungen (Lissenzephalie)
  • Mit Flüssigkeit gefüllte Zyste (Arachnoidalzyste)
  • Mangelhafte Ausbildung der Arachnoidalzotten
  • Genetische Veränderungen (z. B. mit der Produktion des Eiweißmoleküls L1CAM)
  • Knochenfehlbildungen
  • Bei der Einnahme von bestimmten Medikamenten in der Schwangerschaft kann das Kind ebenfalls einen Hydrozephalus entwickeln: Isotretinoin (Medikament gegen Akne, Abkömmling von Vitamin A).

Erworbener Hydrozephalus

Ursachen für einen erworbenen (extrinsischen) Hydrozephalus sind Hindernisse, die den Fluss oder die Aufnahme des Hirnwassers stören, aber noch nicht bei der Geburt vorliegen. Nur selten ist die Ursache eine erhöhte Liquorproduktion (Hydrocephalus hypersecretorius). Mögliche Auslöser sind:

  • Blutungen
    • Blutung zwischen Hirnhäuten und Gehirn (Subarachnoidalblutung, SAB)
    • Blutung im Gehirn oder den Ventrikeln (intrazerebrale Blutung, intraventrikuläre Blutung)
    • Blutung nach Schädelverletzung mit Hirnbeteiligung (Kontusionsblutung nach Schädel-Hirn-Trauma)
    • Riss eines fehlgebildeten Blutgefäßes
  • Gewebewachstum
    • Hirntumoren bei Erwachsenen
    • Hirntumoren bei Kindern (z.B. Medulloblastom, Kraniopharyngeom)
    • Krankhafte mit Flüssigkeit gefüllte Zysten (z.B. Arachnoidalzyste, Kolloidzyste)
    • Erhöhter Eiweißgehalt im Liquor (z. B. durch Tumoren im Rückenmark)
  • Infektionen
    • Eiteransammlung im Gehirn durch Bakterien (Hirnabszess)
    • Hirnhautentzündung durch Bakterien oder Viren (infektiöse Meningitis)
    • Komplikation einer Infektion im Mutterleib (z. B. Toxoplasmose)

Risikofaktoren

  • Nachweis des Eiweißmoleküls L1CAM (häufigste Ursache für angeborenen Hydrozephalus)
  • Mehrere bekannte Genmutationen erhöhten das Risiko für einen angeborenen Hydrozephalus.
  • Immunschwäche
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Schlaganfall)
  • Indirekt gelten alle eine Arteriosklerose begünstigenden Umstände als Risikofaktoren für eine Hirnblutung. Hierzu zählen neben einem Bluthochdruck der Konsum von Nikotin und Alkohol, ein erhöhter Blutfettspiegel, eine Blutzuckerkrankheit, Bewegungsmangel und Übergewicht.
  • Schwangerschaft und Übergewicht gelten als Risikofaktoren für die idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH).

Arten von Hydrozephalus

Dies sind die gängigsten Hydrocephalus-Arten:

  • Kommunizierender Hydrocephalus (Hydrocephalus communicans): Der Liquorfluss zwischen den Hirnkammern und dem Subarachnoidalraum ist nicht blockiert. Das Problem liegt meist in der unzureichenden Aufnahme des Liquors. Auslöser können etwa Entzündungen, Blutungen oder Infektionen sein.
  • Normaldruckhydrocephalus (NPH, Normal Pressure Hydrocephalus; Sonderform des kommunizierenden Hydrocephalus): Wie der Name schon sagt, ist bei dieser Art der Druck im Schädelinneren normal. Die genaue Ursache des NPH ist oft unbekannt. Hauptsymptome sind Gangunsicherheit, Gedächtnisstörungen oder Inkontinenz.
  • Nichtkommunizierender Hydrocephalus (Hydrocephalus occlusus oder obstruktiver Hydrocephalus): Der Liquorfluss ist zwischen den Hirnkammern durch eine Blockade oder Verengung gestört. Dies kann beispielsweise durch einen Tumor, eine Fehlbildung oder durch Entzündungsgewebe verursacht werden.
  • Hydrocephalus e vacuo: Hierbei handelt es sich nicht um einen Hydrocephalus im eigentlichen Sinne, sondern um die Folgen einer Hirnatrophie, also der Abnahme des Hirnvolumens.

Weitere Unterscheidungen:

  • Verschlusshydrozephalus (Hydrocephalus occlusus): Dieser Typ macht etwa 60 Prozent der Fälle aus. Er entsteht durch eine Blockade, die den Abfluss von Hirnwasser behindert.
  • Hydrozephalus nonresorptivus (Resorptionsstörung): Etwa 30 Prozent der Betroffenen leiden an dieser Form, bei der das Gehirnwasser nicht ausreichend vom Blutkreislauf aufgenommen wird.

Symptome des Hydrozephalus

Hydrocephalus-Symptome können je nach Alter, Schweregrad und den betroffenen Gehirnregionen variieren.

Symptome bei Säuglingen und Kindern unter 2 Jahren:

Bei Säuglingen und Kindern unter 2 Jahren wächst der Kopf häufig übermäßig schnell (Makrozephalie). Dies fällt meist schon bei der Geburt auf. Die Fontanelle, die bindegewebige Lücke zwischen den Schädelknochen, wölbt sich vor, und die Venen an der Stirn und den Schläfen zeichnen sich deutlich ab. Das Kind kann unruhig, appetitlos und leicht reizbar sein. Es wird geräuschempfindlich und erbricht immer wieder. Einige Kinder leiden unter epileptischen Anfälllen. Häufig kommt es auch zu Entwicklungsverzögerungen. In manchen Fällen sind Iris und Pupille teilweise durch das Unterlid verdeckt (Sonnenuntergangsphänomen). Die Symptome bei Kindern unter 2 Jahren können leicht oder schwer sein.

  • Übermäßige Zunahme des Kopfwachstums (bei Kleinkindern, bevor sich deren Schädelnähte verschließen)
  • Doppelbilder bzw. nach unten abweichende Augen (Sonnenuntergangsphänomen)
  • Vermehrte Unruhe, vermehrte Reizbarkeit und häufiges Schreien bzw. häufiges Anfassen des Kindes an den Kopf
  • Vermehrt schläfrig, längere Schlafphasen als früher und trinken oft auch schlechter
  • Übelkeit und Erbrechen

Symptome bei älteren Kindern und Erwachsenen:

Ältere Kinder und Erwachsene erkranken an Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen und einem beeinträchtigten Bewusstsein. Die Denkleistung sinkt, beispielsweise kann sich das Gedächtnis verschlechtern. Morgendliche Übelkeit und schwallartiges Erbrechen trotz Nüchternheit sind möglich. Zusätzlich kann sich eine Epilepsie entwickeln. Manche Betroffenen können die Augen nicht mehr zu Seite bewegen (Abduzensparese). Die Beschwerden nehmen immer weiter zu. Besonders Erwachsene erleiden bei akutem Hydrozephalus schnell neurologische Folgeschäden.

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Symptome beim Normaldruckhydrozephalus (NPH):

In einigen Fällen - besonders im höheren Alter - geht der Hydrozephalus nicht mit einer Druckerhöhung einher (Normaldruckhydrozephalus). Die Betroffenen leiden unter deutlich anderen Symptomen. Es kommt zu Beschwerden beim Wasserlassen und Gangstörungen, zusätzlich entwickelt sich eine Demenz (Hakim-Trias genannt). Dabei ist die Gangstörung - ein am Boden klebender, schlurfender Gang - das Leitsymptom. Die Ähnlichkeit der Symptome mit anderen Alterserkrankungen und die zeitweilig starken Hirndruckschwankungen erschweren eine einwandfreie Diagnose auf den ersten Blick. Häufig wird der NPH von Mediziner*innen mit Demenz verwechselt.

  • Gangunsicherheit (breitbasiger Gang mit kleinen Schritten)
  • Harninkontinenz
  • Demenzielle Erscheinungen

Symptome bei idiopathischer intrakranieller Hypertension (IIH):

Die häufigsten Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Sehstörungen, die von verschwommenem Sehen bishin zur Erblindung reichen können. Eine Stauungspapille kann auf die Erkrankung hinweisen.

Diagnose des Hydrozephalus

Zum Erkennen eines Hydrocephalus (Gehirnwassersucht) sind eine sorgfältige medizinische Untersuchung und spezifische bildgebende Verfahren erforderlich. Die Diagnose basiert auf den Anzeichen der Betroffenen, der Anamnese und den Ergebnissen der bildgebenden Diagnostik.

  • Klinische Untersuchung: Ein Arzt/eine Ärztin wird zunächst die klinischen Symptome und die medizinische Vorgeschichte der Betroffenen bewerten. Bei Kindern unter 2 Jahren erfolgt eine Untersuchung des Kopfes, Messung des Kopfumfangs und Untersuchung der Fontanelle und der Augen. Bei Kindern ab 2 Jahren und Erwachsenen erfolgt eine Feststellung von Hirndruckzeichen (Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bewusstseinsstörung) und Sehstörungen. Ggf. Überprüfung der Hirnleistung und der altersgemäßen Entwicklung mit neuropsychologischen Tests. Ältere Menschen, die unter einem breitbasigen Gang mit kleinen Schritten, plötzlichem Harndrang und kognitiven Einschränkungen leiden, sollten mit Blick auf das Vorliegen eines Normaldruckhydrozephalus untersucht werden. Beitbasig bedeutet: Patientinnen und Patienten zeigen eine vergrößerte Schrittbreite. Sie lässt sich beim Gang des Patienten über einen Boden mit 30-cm-Fliesen erkennen. Breitbasig ist der Gang dann, wenn die Außenseite der Füße der betroffenen Person nicht innerhalb der Fliesenbreite bleibt.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Ultraschall (Sonografie): Ultraschalluntersuchungen sind während der Schwangerschaft möglich, aber auch nach der Geburt sinnvoll (dies ist wegen der offenen Fontanellen noch möglich).
    • Computertomografie (CT): Bei einem akuten Hydrozephalus wird eine CT gemacht.
    • Magnetresonanztomografie (MRT): Eine MRT bietet noch detailliertere Bilder. Da die diagnostische Präzision des MRT im Wesentlichen von der Qualität der Untersuchung abhängt, führen wir eine speziell auf die HIrnwasserräume abgestimmte hochauflösende Kernspintomographie, ggf. in Narkose, durch. Die Qualität dieser Aufnahmen unterscheidet sich erheblich von einer sog. „Standard-Kernspintomographie“.
  • Lumbalpunktion (LP): Bei dieser Prozedur wird eine kleine Menge Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit aus dem Wirbelsäulenkanal entnommen, um den Liquordruck zu messen und den Liquor auf Anomalien zu untersuchen. Bei der Untersuchung auf Normaldruckhydrozephalus kann mit einer Lumbalpunktion im Bereich der unteren Wirbelsäule etwas Liquor ablassen.
  • Weitere Untersuchungen: Bei Bedarf können die Augen untersucht werden. Auch eine Messung des Hirndrucks ist möglich.

Schwangerschaftsvorsorge:

  • Ultraschall (Sonografie)
  • Ab der 20. Schwangerschaftswoche kann eine MRT-Untersuchung (Kernspin) gemacht werden.
  • Untersuchung auf ansteckende Krankheiten mit dem TORCH-Screening (Toxoplasmose, Röteln, Zytomegalie, Herpes simplex)
  • Es gibt die Möglichkeit, etwas Fruchtwasser zu entnehmen (Amniozentese).

Therapie des Hydrozephalus

Die Therapie hängt von der Ursache des Hydrozephalus ab. Es ist wichtig, bei Verdacht auf Hydrozephalus sofort eine Ärztin/einen Arzt aufzusuchen.

Konservative Behandlung:

Selten kann man auf eine Operation verzichten. Dies ist nur der Fall bei speziellen Tumoren oder einigen milden Krankheitsverläufen. Beispielsweise kann das Medikament Acetazolamid verwendet werden. Es senkt die Liquorproduktion um bis zu 50 %. Bei bestimmen Tumoren kann man Wirkstoffe einsetzen, die den Dopamin-2-Rezeptor anregen (z. B. Cabergolin). In einigen Fällen wird eine Strahlentherapie gemacht. Bei milden Symptomen der idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH) ohne neurologische Ausfälle, wie Kopfschmerzen ohne Sehstörungen, steht eine konservative Behandlung im Vordergrund. Dabei ist die Identifikation und Vermeidung möglicher Auslöser essenziell. Eine anhaltende Gewichtsreduktion spielt eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg. Zusätzlich können Medikamente wie Acetazolamid oder Topiramat zur Reduzierung der Liquorproduktion eingesetzt werden. Gegebenenfalls wird ergänzend Furosemid als Diuretikum verabreicht, um Körperwasser auszuscheiden.

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Operative Behandlung:

  • Liquorshunt: Dies ist das übliche Verfahren. Dabei schafft der Arzt oder die Ärztin einen Abfluss innerhalb des Körpers. Der Shunt ist ein Schlauch, der unter der Haut verläuft und meistens in den Bauchraum führt (Ventrikuloperitonealer Shunt). Seltener endet er in anderen Regionen, wie im rechten Vorhof des Herzens (Ventrikuloatrialer Shunt) oder im Brustkorb. Er bleibt langfristig im Körper. Die Shuntoperation ist die derzeitige Standardtherapie beim kommunizierenden Hydrozephalus einschließlich des NPH. Ein Shunt ist ein Schlauchsystem mit zwischengeschaltetem Ventil, welches bei einem gewissen Eröffnungsdruck ein Abfließen des Liquors meist in den Bauchraum hinein gewährleistet. Seit Mitte des 19 Jahrhunderts gilt die Implantation eines Shunt-Systems als Standardbehandlung für verschiedene Formen des Hydrocephalus. Ein sogenannter Shunt besteht aus einem Schlauch-Ventil-System, das überschüssige Gehirnflüssigkeit (auch „Liquor“ oder „CSF“ für Cerebro Spinal Fluid genannt) in eine andere Körperhöhle ableitet, wo diese wieder aufgenommen und schliesslich abgebaut werden kann.

    • Ventrikuloperitoneal (VP): Ableitung aus den Hirnventrikeln (Kopf) in das Peritoneum (Bauchhöhle).
    • Ventrikuloatrial (VA): Ableitung aus den Hirnventrikeln (Kopf) in den rechten Vorhof des Herzens.
    • Lumbalperitoneal (LP): Ableitung aus dem lumbalen Spinalkanal in das Peritoneum (Bauchhöhle).

    Es gibt verschiedene Optionen, in die das überschüssige Hirnwasser abgeleitet werden kann. Praktisch relevant sind jedoch nur drei Ableitungsarten, die seit den 1960er Jahren routinemäßig angewendet werden. Diese o.g. drei Methoden sind operativ gut erprobt. Die OP Zeit beträgt in der Regel zwischen 30 und 60 min. Die Ventile und andere optionale Komponenten werden meist retroaurikulär (hinter dem Ohr), am Rippenbogen- oder am Rücken-lumbal platziert. Seit der Einführung der Hydrocephalus-Shunt-Therapie in den 1950er Jahren war die Ableitung von Hirnflüssigkeit aus den Hirnventrikeln in den Bauchraum (VP-Shunt/VPS) das am häufigsten verwendete Verfahren, mit einer Anwendungshäufigkeit von bis zu über 70%. Im Gegensatz dazu wurde die alternative Ableitung aus dem lumbalen Spinalkanal (LP-Shunt/LPS) lange Zeit als komplikationsanfälliger angesehen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Einsatz von LP-Shunts jedoch insbesondere in Japan deutlich erhöht und sowohl die Sicherheit als auch die Effizienz konnten mit Studien belegt werden. Dank verschiedener Vorteile gegenüber dem VPS wird der LP-Shunt in einigen Bereichen mittlerweile sogar häufiger angewendet. Ein wesentlicher Vorteil des LPS gegenüber dem VPS besteht darin, dass beim LP-Shunt kein Eingriff am Gehirn notwendig ist. Somit besteht kein Risiko für eine Verletzung des Gehirngewebes, eine ggf. assoziierte Blutung und das Auftreten von epileptischen Anfällen, wenn auch alle diese Komplikationen sehr selten sind. Weiterhin ist ein Eingriff am Kopf mit Manipulation am Gehirn in Deutschland mit einem Fahrverbot von 3 Monaten verbunden. In Großbritannien besteht hier sogar ein Fahrverbot für bis zu 6 Monaten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der LP-Shunt sogar unter Lokalanästhesie eingesetzt werden. Zu den häufigsten Komplikationen bei beiden Shunt-Arten gehören Infektionen, Okklusionen und Überdrainage. CSF-Leckagen, Herniationen und bestimmte Formen von Rückenschmerzen können hingegen spezifisch eher beim LPS auftreten Die verfügbaren Ventiltypen sind bei beiden Shunt-Systemen gleich, ebenso wie die Notwendigkeit, den hydrostatischen Siphoneffekt bzw. den hydrostatischen Druck auszugleichen. Beim LP-Shunt eignen sich jedoch nur bestimmte Anti-Siphon-Vorrichtungen oder Gravitationsventile. Zudem erfordert die höhere mechanische Belastung im Lumbalbereich - verursacht durch alltägliche Bewegungen wie Drehen, Beugen oder Stauchen - spezielle Anforderungen an die Stabilität des Shunts und seine subkutane Fixierung.

  • Externe Ventrikeldrainage (EVD): Im Akutfall lässt man Hirnwasser ab. Anschließend wird ein Schlauch (Katheter) eingelegt, durch den weiterhin Liquor abfließen kann. Der Katheter wird spätestens nach etwa 3 Wochen wieder entfernt. Diese Methode ist wichtig bei Hirninfarkten und Blutungen.

  • Serielle Liquorpunktion: Es wird wiederholt eine geringe Menge Liquor abgelassen. Dies wird etwa beim Normaldruckhydrozephalus gemacht. Falls es bei der idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH) zu einer Verschlechterung der Sehschärfe kommt, die jedoch nicht rasch voranschreitet, kann neben den bereits genannten Maßnahmen eine therapeutische Liquorpunktion helfen, den Hirndruck unmittelbar zu senken. In vielen Fällen bessern sich die Symptome bereits nach der ersten Punktion. Die Behandlung wird je nach Bedarf in regelmäßigen Abständen wiederholt. Falls sich die Beschwerden trotz wiederholter Liquorpunktionen nicht stabilisieren, kann eine dauerhafte Liquorableitung notwendig werden.

  • Operative Behandlung der Grunderkrankung: Je nach Ursache kann z. B. ein Hirntumor entfernt werden. Besonders bei sehr jungen Kindern erzielt auch das Veröden der liquorproduzierenden Zellen gute Ergebnisse (Choroid Plexus Cauterisation, CPC).

  • Endoskopische Ventrikulozisternostomie (ETV): Bei einer Aquäduktstenose wird eine Ventrikulozisternostomie durchgeführt. Mit Hilfe eines sehr kleinen Endoskops kann präzise die Ursache der Liquorflussbehinderung beseitigt werden. Ist die einzige Ursache des Hydrocephalus eine erworbene, umschriebene Abflussbehinderung des Hirnwassers im Bereich des sog. Aquädukt, der 4. Hirnkammer oder der Ausflussöffnung aus der 4. Hirnkammer, so kann diese Abflussbehinderung durch eine „innere Umleitung“ durch Eröffnung des Bodens des 3. Ventrikels umgangen werden. Hierbei wird ein feines Endoskop in die erweiterten Hirnkammern vorgeschoben und damit am Boden des 3. Unter der Voraussetzung, dass das Hirnwasser aus den hier liegenden Hirnwasserräumen, den sogenannten „basalen Zisternen“, auch frei abfließen kann, und die o.g. Abflussbehinderung die einzige Ursache des Hydrocephalus darstellt, ist die ETV ein sehr elegantes und dann sehr erfolgreiches Verfahren. Insbesondere bei angeborenem Hydrocephalus und Kindern unter einem Jahr sind eine freie Abflussbedingungen aus den „basalen Zisternen“ oft nicht gegeben, auch bei Verklebung nach frühkindlicher Hirnblutung oder nach Hirnhautentzündung ist dies der Fall. In diesen Fällen ist die Erfolgsrate der ETV bestenfalls 20%. Als Faustregel gilt: Bei Kindern unter einem Jahr mit angeborenem Hydrozephalus und bei Zustand nach Hirnblutung hat eine ETV eine zu geringe Erfolgsaussicht. Da eine funktionierende ETV jedoch alle Probleme, die mit einem Shuntsystem (s. unten) vergesellschaftet sind, elegant umgeht, geben wir diesem Verfahren immer dann den Vorzug, wenn es erfolgversprechend erscheint. Jedoch kann durch eine ETV ein zuvor druckaktiver Hydrocephalus in einen chronisch kompensierten Hydrocephalus umgewandelt werden. Deshalb beobachten wir Kinder nach ETV genauso intensiv nach wie Kinder mit Shuntanlage und führen ggf.

Komplikationen der Behandlung:

Die Überlebensrate bei der Shuntoperation beträgt 99,5 %. Bei Shuntoperationen kommt es manchmal zu Komplikationen. In 90 % der Fälle kann der Shunt korrekt positioniert werden. Falls dies nicht gelingt, kommt es zu Blutungen, Infektionen und Bauchverletzungen bzw. Herzrhythmusstörungen (je nach Shunt). In etwa 40 % verstopft der Shunt innerhalb von 2 Jahren, was eine erneute Operation nötig macht. In mindestens 5 % kommt es zu Shunt-Infektionen, die meistens innerhalb weniger Monate auftreten. Zu den häufigsten Komplikationen bei Shunt-Arten gehören Infektionen, Okklusionen und Überdrainage. CSF-Leckagen, Herniationen und bestimmte Formen von Rückenschmerzen können hingegen spezifisch eher beim LP-Shunt auftreten

Langzeitbetreuung und Nachsorge:

Ein Kind, welches eine ETV oder ein Hydrocephalus-Shuntsystem erhalten hat, bedarf der sorgfältigen und lebenslangen Überwachung, um ein möglichst adäquates Funktionieren der Ventrikulozisternostomie bzw des Shuntssystems sicherzustellen. Unmittelbar nach einer Operation erfolgt eine rein chirurgische Nachkontrolle und ggf. erste Nachjustierung der Shunteinstellung innerhalb von 2 bis 8 Wochen nach Entlassung. Neben der Kontrolle von Kopfumfang und Hirnkammerweite wird die Entwicklung der Kinder in allen Bereichen untersucht. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die Erkennung einer schleichenden ETV oder Shunt-Unterfunktion, die sich ohne klinische Symptome oder Zeichen entwickeln kann. Besonders hilfreich hierfür ist die computerisierte Shuntinfusionsstudie bei liegendem Shuntsystem oder Reservoirinfusionsstudie bei Zustand nach ETV, die unter Vermeidung einer Shuntoperation eine klare Aussage zur Funktionsfähigkeit eines Shunts bzw. der ETV treffen kann. Hierfür sind keine Röntgenstrahlen und keine radioaktiven Substanzen notwendig. Kleine Kinder müssen jedoch, da man für diese Untersuchung ruhig liegen bleiben muss, sediert werden.

Spätfolgen:

2 von 3 Säuglingen und Kleinkindern mit Hydrozephalus entwickeln sich nach einer frühzeitigen Behandlung altersgerecht. Bei begleitenden Fehlbildungen ist die Prognose schlechter. Akute Blutungen und Hirntumoren wirken sich ebenfalls ungünstig aus. Mögliche Folgen sind Einschränkungen von Intelligenz, Sprachfähigkeit und Gedächtnis. Auch körperliche Entwicklungsverzögerungen sind möglich. Fast die Hälfte der Erwachsenen mit Hydrozephalus erleidet nach der Shuntoperation eine Depression. Auch die Wahrscheinlichkeit für eine Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit liegt bei mehr als 40 %.

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