In Deutschland leben etwa 400.000 Frauen mit Epilepsie, die oft lebenslang auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen sind. Die Wahl der Verhütungsmethode spielt bei diesen Frauen eine besondere Rolle, da Wechselwirkungen mit den eingenommenen Antiepileptika berücksichtigt werden müssen.
Der Einfluss von Sexualhormonen auf epileptische Anfälle
Studien haben gezeigt, dass Sexualhormone einen Einfluss auf die neuronale Erregbarkeit und somit auf die Auslösung epileptischer Anfälle haben können. Östrogene scheinen dabei eher anfallsbegünstigend zu wirken, während Progesterone und deren Abkömmlinge eher anfallsmindernd wirken.
Mit dem Eintritt in die Pubertät treten die ersten relevanten hormonellen Veränderungen auf, die zu einem allmählichen Anstieg der Östrogene im Blut führen. Auch während des menstruellen Zyklus kann die Anfallsfrequenz bedingt durch die hormonellen Veränderungen variieren. Dies wird als katameniale Epilepsie bezeichnet. Definitionsgemäß bedeutet dies die Verdoppelung der täglichen Anfallsfrequenz in einer bestimmten Zyklusphase in sechs aufeinanderfolgenden Monaten.
So lassen sich beispielsweise in der Mitte des Zyklus (Tag 10 bis 13) infolge des Östrogenmaximums Anfallshäufungen nachweisen, ebenso wie am Zyklusende um die Monatsblutung (ab Tag 25), bedingt durch den Progesteronabfall. Ein sorgfältig geführter Anfallskalender, der gleichzeitig die Dokumentation der Monatsblutung mit einschließt, kann hier die Diagnosestellung erleichtern. Die Angaben über das Vorkommen einer katamenialen Epilepsie variieren stark und werden zwischen 10 und 78 % angegeben.
Therapeutisch lässt sich nur bedingt eingreifen. Durch die Langzeiteinnahme eines hormonellen Kontrazeptivums (Pille) versucht man, den menstruellen Zyklus zu unterdrücken und die Anfallsfrequenz zu senken. Allerdings ist die Anwendung einer östrogenhaltigen Pille nicht in Kombination mit jedem Antiepileptikum möglich.
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Fruchtbarkeit und Zyklusstörungen bei Epilepsie
Bei Frauen mit Epilepsie treten Störungen der Fruchtbarkeit häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Circa 15 - 20 % der Epilepsie-Patientinnen weisen Störungen des Menstruationszyklus wie Zwischenblutungen, Ausbleiben der Regelblutung oder Zyklen ohne Eisprung auf. Gehäuft treten diese Phänomene auf, wenn die Epilepsie den Schläfenlappen betrifft. Auch Antiepileptika, wie zum Beispiel die Valproinsäure, können durch einen Abfall des Östradiolspiegels Zyklusunregelmäßigkeiten bedingen.
Verhütungsmethoden und ihre Wechselwirkungen mit Antiepileptika
Das Thema der Empfängnisverhütung spielt bei Frauen mit Epilepsie eine besondere Rolle, da die Auswahl der Verhütungsmethode stets in Abhängigkeit von Wechselwirkungen mit den eingenommenen Antiepileptika getroffen werden sollte. Stark enzyminduzierende Antiepileptika bewirken eine verminderte Sicherheit der klassischen östrogenhaltigen Pille. Bei dieser Gruppe sollte eine mechanische Verhütung in Betracht gezogen werden.
Ergänzend ist ein wichtiger Hinweis zum Wirkstoff Lamotrigin zu beachten: Die Anwendung einer östrogenhaltigen Pille senkt den Serumspiegel um bis zu 50 %. Sollte die Kombination Lamotrigin und Pille dennoch erwogen werden, ist eine engmaschige Kontrolle des Serumspiegels, gegebenenfalls auch eine Dosisanpassung durchzuführen.
Schwangerschaft bei Epilepsie
Eine Schwangerschaft sollte bei Frauen mit Epilepsie in besonderer Weise vorbereitet und betreut werden. Die Häufigkeit epileptischer Anfälle ändert sich bei der Hälfte der betroffenen Frauen in der Schwangerschaft nicht. Bei 25 % der Frauen nimmt sie zu, bei 25 % verringert sie sich.
Bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft sollte mit dem betreuenden Neurologen Rücksprache über ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko bedingt durch die antiepileptische Medikation genommen werden. Die verschiedenen Antiepileptika unterscheiden sich in Hinsicht auf das Fehlbildungsrisiko für das Ungeborene erheblich. Als günstige Wirkstoffe haben sich Lamotrigin und Levetiracetam erwiesen, während z.B. Valproinsäure und Topiramat eher eine hohe Fehlbildungsrate aufweisen. Generell sollte eine Monotherapie in möglichst niedriger Dosierung angestrebt und Kombinationstherapien vermieden werden. Prophylaktisch wird die Einnahme von 5 mg Folsäure empfohlen.
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Bei Lamotrigin ist zu beachten, dass eine engmaschige Kontrolle des Serumspiegels im Verlauf der Schwangerschaft erforderlich ist, um das Absinken des Wirkspiegels frühzeitig zu erfassen und entsprechend durch Dosisanpassungen entgegenzuwirken. Dosisanpassungen sind unter Therapie mit Lamotrigin ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel zu erwarten.
Epilepsie und Menopause
Die Menopause markiert die letzte Menstruation, auf die keine weitere Regelblutung mehr folgt. Als Perimenopause wird die Lebensphase ein bis zwei Jahre vor und nach der Menopause bezeichnet. In diesem Lebensabschnitt endet die Fruchtbarkeit der Frau aufgrund der nachlassenden Funktion der Eierstöcke. Das durchschnittliche Lebensalter bei Erreichen der Menopause beträgt 51 Jahre. Bei Frauen mit Epilepsie ist dieser Zeitpunkt häufig deutlich vorverlegt, im Mittel sind die Frauen 40 Jahre alt.
In der Perimenopause gerät das zyklische Gleichgewicht des anfallssteigernden Östrogens und des anfallsmindernden Progesterons durcheinander. Zwar reifen in dieser Phase weiterhin östrogenproduzierende Follikel heran, durch ein gehäuftes Ausbleiben des Eisprungs wird jedoch weniger Progesteron freigesetzt. Somit kommt es zu einem „Östrogenüberschuss“, welcher in dieser Lebensphase eine Zunahme der Anfallsaktivität bedingen kann. Bei etwa 15 % der Epilepsie-Patientinnen manifestiert sich die Epilepsie in der Perimenopause.
Wann ist die Pille nicht geeignet?
Wie jedes Arzneimittel kann auch die Antibabypille Nebenwirkungen hervorrufen. Bei bestimmten Grunderkrankungen oder einer familiären Vorbelastung treten diese häufiger auf als bei gesunden Frauen. Grundsätzlich gilt: Nehmen Sie wegen einer Grunderkrankung bestimmte Medikamente ein, ist es ratsam, Ihre Gynäkologin oder Ihren Gynäkologen vor der Pilleneinnahme darüber zu informieren. Die Pille wirkt sich zwar nicht zwangsläufig auf die Erkrankung selbst aus, es kann aber zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen.
Thrombose
Insbesondere die sogenannte Kombi-Pille birgt ein erhöhtes Risiko für Thrombosen. Die folgenden Faktoren können zu einer Verengung der Blutgefäße führen und eine Thrombose somit begünstigen, sodass es vor allem für Frauen relevant ist, die hohe Blutfettwerte haben, stark übergewichtig sind oder rauchen.
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Darüber hinaus wird Ihre Gynäkologin oder Ihr Gynäkologe folgende Risikofaktoren für eine Thrombose bei Ihnen abfragen:
- Wurde bei Ihnen Bluthochdruck festgestellt?
- Leiden Sie an Diabetes mellitus?
- Besteht eine Folgeerkrankung der Gefäße?
- Liegt eine Erkrankung der Gefäße oder des Herz-Kreislauf-Systems vor?
- Besteht eine familiäre Vorbelastung für einen Schlaganfall?
- Hatten Sie selbst einen Schlaganfall?
- Gibt es eine familiäre Vorbelastung für Thromboseerkrankungen (bei Verwandten ersten Grades)?
- Hatten Sie selbst eine Thrombose?
Wenn bei Ihnen ein erhöhtes Thromboserisiko besteht, wird Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Sie beraten, ob und welche Pillenpräparate für Sie infrage kommen. Alternativ können Sie sich über nicht-hormonelle Verhütungsmethoden informieren.
Spielt das Alter eine Rolle?
Ja und nein: Ausschlaggebend sind der Lebensstil, der allgemeine gesundheitliche Zustand und die Zusammensetzung des Pillenpräparats. Wenn Sie gesund sind und keine Vorerkrankungen haben, ist das Alter allein kein Risikofaktor für schwere Nebenwirkungen der Pille. Allerdings steigt unter anderem bei Bluthochdruck, Übergewicht oder auch starkem Rauchen mit zunehmendem Alter das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich. In diesen Fällen wird Frauen ab 35 Jahren daher empfohlen, nicht mit der Kombi-Pille zu verhüten.
Sonderfall Migräne
Eine Migräne kann mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehen. Wie hoch dieses Risiko ausfällt, hängt jedoch unter anderem von der Art der Erkrankung ab. Leiden Sie an einer Migräne ohne Aura und sind Sie unter 35, kann eine Verhütung mit der Kombi-Pille infrage kommen. Lassen Sie sich dazu ärztlich beraten. Bei einer Migräne mit Aura liegt das Risiko für einen Schlaganfall deutlich höher, weshalb Betroffene nicht mit der Kombi-Pille verhüten sollten. Alternativ können Pillenpräparate, die nur Gestagen enthalten, verwendet werden.
Krebserkrankungen
Je nach Zusammensetzung des Präparats kann die Pille das Risiko für Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs leicht erhöhen - insbesondere, wenn sie über mehr als fünf Jahre regelmäßig eingenommen wird. Sind Sie familiär für eine dieser Krebsarten vorbelastet oder mit einem Hochrisiko-Typ des HP-Virus (HPV) infiziert, sprechen Sie mit Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen. Grundsätzlich ausgeschlossen ist die Pilleneinnahme in diesen Fällen nicht. Bei einer bestehenden Brustkrebserkrankung wird allerdings von einer hormonellen Verhütung abgeraten - insbesondere die Kombi-Pille kann nicht angewendet werden.
Psychische Erkrankungen
Die Pille bietet die Möglichkeit, hormonell bedingte Stimmungsschwankungen zu regulieren, birgt aber auch das Risiko, solche erst hervorzurufen. Eine bereits bestehende Depression oder eine andere psychische Erkrankung kann durch die Pille unter Umständen ebenfalls verstärkt werden. Zudem ergab eine Studie, dass die sogenannte Kombi-Pille insbesondere bei jungen Frauen mit familiärer Vorbelastung das Risiko einer Depression erhöht. Befinden Sie sich aktuell in psychotherapeutischer Behandlung, lassen Sie sich vor der Pilleneinnahme ärztlich beraten - auch um eventuelle Wechselwirkungen mit Antidepressiva zu vermeiden.
Was ist noch relevant?
Bei einer akuten Hepatitis, einer anderen Lebererkrankung oder auch einer Stoffwechselerkrankung sollten Sie sich hinsichtlich hormoneller Verhütungsmethoden ärztlich beraten lassen. In diesen Fällen ist die Kombi-Pille nicht geeignet.
Neben dem Empfängnisschutz kann die Pille aber auch zur Behandlung bestimmter Krankheitsbilder zum Einsatz kommen. Während einer Schwangerschaft muss die Pille allerdings abgesetzt werden. Bei der Kombi-Pille gilt diese Pause auch für die gesamte Stillzeit, da die enthaltenen Östrogene die Milchproduktion beeinflussen können.
Verhütung bei Epilepsie: Was ist zu beachten?
Viele Antiepileptika verringern den Schutz hormoneller Verhütungsmethoden (z.B. Antibabypille). Genauso gut kann es vorkommen, dass eine hormonelle Verhütung die Wirkung des Antiepileptikums negativ beeinflusst.
Mit Ihrer Frauenärztin/Ihrem Frauenarzt sollten Sie nicht nur gynäkologische Themen besprechen. Teilen Sie bei möglichem Kinderwunsch dies auch rechtzeitig Ihrer Frauenärztin/Ihrem Frauenarzt mit. Manche Antiepileptika sollten in der Schwangerschaft eher vermieden werden. Am besten ist es, bei Kinderwunsch so früh wie möglich diese Überlegungen durchzuführen.
Fallbeispiel: Lamotrigin und Ethinylestradiol/Levonorgestrel
Werden Lamotrigin und Ethinylestradiol/Levonorgestrel miteinander kombiniert, kann die Wirksamkeit des Antiepileptikums verringert werden. Der Grund: Die Clearance von Lamotrigin ist um etwa das Doppelte erhöht, somit sinkt der Wirkstoffspiegel - ein Verlust der Anfallskontrolle kann die Folge sein. Schwankungen können zudem auftreten, wenn die Frauen mit einer Pille verhüten, die ein einnahmefreies Intervall fordert. In dieser pillenfreien Woche kann der Lamotriginspiegel vorübergehend ansteigen.
Auch die kontrazeptive Wirkung kann durch Lamotrigin beeinflusst werden. Möglich ist eine Änderung der Clearance von Levonorgestrel, die mit mäßig ansteigenden FSH- und LH-Spiegeln einhergehen kann. Inwieweit sich die Ovulationsaktivität in den Ovarien ändert, ist nicht bekannt. Eine Verminderung der kontrazeptiven Wirkung ist möglich - Patientinnen sollten daher ihren Zyklus und jegliche Veränderungen beobachten und gegebenenfalls mit ihrem Arzt besprechen.
Kommunikation und Therapie
Werden beide Arzneimittel kombiniert, kann eine Aufdosierung von Lamotrigin notwendig sein. Die Patientin sollte unter Beobachtung des Arztes stehen. Andernfalls kann ein anderes Kontrazeptivum gewählt werden.
Oft sind Erhaltungsdosen um das Zweifache nötig, um die Therapie zu sichern und ein therapeutisches Ansprechen zu erreichen. Wird das hormonelle Kontrazeptivum wieder abgesetzt, kann entsprechend die Lamotrigin-Dosis reduziert werden.
Wird auf eine andere Kontrazeption ausgewichen, sollte eine Therapie ohne pillenfreie Woche Mittel der ersten Wahl sein. So können Schwankungen des Lamotriginspiegels vermieden werden. Denn steigt dieser, ist mit verstärkten Nebenwirkungen des Antiepileptikums zu rechnen. Auch eine nicht-hormonelle Verhütungsmethode kann in Betracht gezogen werden. Wechselwirkungen zwischen anderen oralen Kontrazeptiva oder Hormonersatztherapien und Lamotrigin wurden nicht untersucht.
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