Menschen mit Down-Syndrom haben ein genetisch bedingt erhöhtes Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Das Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, ist eine Chromosomenstörung, bei der das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist. Dieses zusätzliche Chromosom beeinflusst die Entwicklung des Gehirns und des Körpers und führt häufig zu kognitiven Entwicklungsproblemen und geistiger Behinderung.
Genetische Ursachen und Risikofaktoren
Der enge Zusammenhang zwischen dem Chromosom 21 und Alzheimer liegt darin, dass sich auf diesem Chromosom das Gen für das Amyloid-Vorläuferprotein (APP) befindet. Da Menschen mit Down-Syndrom das Chromosom 21 dreimal haben, ist auch das APP-Gen in den allermeisten Fällen dreifach vorhanden. Dies führt zu einem Gendosiseffekt, der das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, sprunghaft erhöht. Letztlich ist zu erwarten, dass fast jeder Mensch mit drei Kopien des Chromosoms 21 Alzheimer bekommt.
Das APP ist das Vorläufer-Eiweiß, aus dem die Bausteine der für die Alzheimer-Krankheit typischen Proteinablagerungen, die sogenannten Amyloid-Plaques, ausgeschnitten werden. Das dreifache Vorliegen des APP-Gens führt zu einer relativen Überproduktion dieses Gens und somit zur Ansammlung von Amyloid-Plaques im Gehirn.
Obwohl das Risiko sehr hoch ist, gibt es seltene Fälle, in denen Menschen mit Down-Syndrom keine Anzeichen von Alzheimer zeigen. Dies kann vorkommen, wenn nicht das gesamte Chromosom 21 dreifach vorhanden ist, sondern nur ein Teil, der das APP-Gen nicht enthält (partielle Trisomie 21).
Prävalenz und Lebenserwartung
Die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, liegt für Menschen mit Down-Syndrom bei über 90 Prozent, wahrscheinlich sogar fast 100 Prozent. In den Industrienationen ist die Alzheimer-Krankheit inzwischen die Haupttodesursache für Menschen mit Down-Syndrom. Dies hängt auch damit zusammen, dass sich die Lebenserwartung von Menschen mit Trisomie 21 in den letzten Jahrzehnten sehr positiv verändert hat und mittlerweile auf über 60 Jahre angestiegen ist. Das mittlere Erkrankungsalter bei Alzheimer liegt bei Menschen mit Down-Syndrom bei etwa 51 Jahren.
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Symptome und Diagnose
Die ersten Symptome von Alzheimer bei Menschen mit Down-Syndrom sind oft eine zunehmende Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit. Da jedoch viele Aufgaben im Alltag von Betreuungspersonen übernommen werden, werden diese Symptome oft nicht bemerkt oder der bestehenden Behinderung zugeschrieben. Häufig werden zuerst Verhaltensänderungen und Auffälligkeiten im Verhalten bemerkt, wie z.B. Rückzug oder aggressive Ausbrüche.
Die Diagnose von Alzheimer bei Menschen mit Down-Syndrom ist erschwert, da kognitive Standardtests oft nicht geeignet sind und unklar ist, welche Normwerte gelten. Wichtig sind daher individuelle Ausgangswerte für Alzheimer-Tests, die im Vorfeld erhoben werden.
Therapie und Unterstützung
Die Alzheimer-Therapie bei Menschen mit Down-Syndrom erfolgt grundsätzlich ähnlich wie bei anderen Betroffenen. Allerdings ist die wissenschaftliche Grundlage für Therapieentscheidungen schlechter, da Menschen mit Down-Syndrom in den meisten Medikamentenstudien nicht berücksichtigt werden.
Es gibt allgemeine Empfehlungen, um Alzheimer- und Demenz-Risikofaktoren zu begrenzen:
- Körperliche Aktivität (Sport)
- Regelmäßige Kontrolle von Cholesterinwerten und Blutdruck
- Hörgeräte bei Hörstörungen und Brillen bei Sehstörungen
- Soziale Teilhabe
- Kognitive Aktivität
- Ausgewogene Ernährung
Besonders wichtig ist auch die Behandlung von Schlafapnoe, von der viele Menschen mit Down-Syndrom betroffen sind.
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Aktuelle Forschung und Projekte
Der Zusammenhang von Down-Syndrom und Alzheimer ist seit etwa 20 bis 30 Jahren bekannt. Menschen mit Down-Syndrom spielen eine zentrale Rolle in der Erforschung der Alzheimer-Krankheit, da man schon früh wusste, dass es bei ihnen viele Alzheimer-Plaques im Gehirn gibt. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, das verantwortliche Gen für Alzheimer (APP) auf Chromosom 21 zu identifizieren.
Aktuell gibt es verschiedene Forschungsprojekte, die sich mit der Verbesserung der Versorgung, Diagnostik und Therapie von Demenz bei Menschen mit Down-Syndrom beschäftigen. Ein Beispiel ist das Projekt „DS-Demenz“, das vom Innovationsausschuss des Bundes gefördert wird.
Handlungsfelder in der medizinischen Versorgung
In der medizinischen Versorgung von Menschen mit Down-Syndrom und Demenz gibt es verschiedene Handlungsfelder, die verbessert werden müssen:
- Fehlende Verfügbarkeit spezialisierter Leistungserbringender (z.B. Medizinische Zentren für Erwachsene mit Behinderung, Spezialambulanzen)
- Fehlende Erfahrungen und Kenntnisse bei medizinischen Leistungserbringenden der Regelversorgung
- Fehlende Steuerung durch das medizinische Versorgungssystem und mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringenden
- Fehlende zeitliche und personelle Ressourcen
- Probleme in der Medikation (z.B. häufige Verordnung sedierender Medikamente)
- Fehlendes Wissen um das erhöhte Demenzrisiko und Schwierigkeiten bei der Symptomerkennung
- Herausforderungen in der Demenzdiagnostik (z.B. fehlende Kenntnisse zu speziellen Testverfahren, fehlende Erhebung des individuellen kognitiven Ausgangszustandes)
Vorbeugende Maßnahmen
Es gibt Hinweise darauf, dass Sport eine vielversprechende Maßnahme zur Prävention und Verlaufsmilderung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer ist. Es ist daher wichtig, Menschen mit Down-Syndrom zu einem intensiveren Sportprogramm anzuleiten und Freude an Bewegung zu vermitteln.
Bedeutung von Anerkennung und Ermutigung
Menschen mit Demenz und Down-Syndrom brauchen besonders viel Anerkennung und Ermutigung. Auch wenn sie ihre eigenen Defizite aufgrund der zunehmenden geistigen Beeinträchtigungen nicht mehr in vollem Umfang erkennen, nehmen sie doch im Hier und Jetzt diese Einschränkungen ihrer Fähigkeiten wahr.
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Personenzentrierte Pflege und Betreuung
Grundlage für eine personenzentrierte Pflege und Betreuung ist die Abkehr von einer funktionellen Verrichtungs- oder funktionsbezogenen Pflege. Es ist wichtig, das soziale Umfeld der Betroffenen vorzubereiten, Unterstützungssysteme aufzubauen und räumliche Anpassungen frühzeitig in den Blick zu nehmen.