Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das den gesamten Körper durchzieht und für die Reizweiterleitung und Informationsübermittlung zuständig ist. Es ermöglicht uns, mit der Umwelt zu interagieren, unsere Körperfunktionen zu steuern und auf Veränderungen zu reagieren. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Anatomie des Nervensystems, insbesondere den Verlauf der Nerven im Körper, von den Hirnnerven bis zu den Spinalnerven.
Aufbau des Nervensystems
Das Nervensystem lässt sich in zwei Hauptbereiche unterteilen:
- Zentrales Nervensystem (ZNS): Besteht aus Gehirn und Rückenmark. Das Gehirn ist das Kontrollzentrum des Körpers, während das Rückenmark als Hauptleitungsweg für die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper dient.
- Peripheres Nervensystem (PNS): Umfasst alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Es verbindet das ZNS mit den Sinnesorganen, Muskeln und Drüsen des Körpers.
Das PNS lässt sich weiter unterteilen in:
- Somatisches Nervensystem: Steuert willkürliche Bewegungen der Skelettmuskulatur und die bewusste Wahrnehmung von Sinnesreizen.
- Autonomes Nervensystem (vegetatives Nervensystem): Reguliert unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Das autonome Nervensystem besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem Sympathikus und dem Parasympathikus, die oft gegensätzliche Wirkungen auf die Organe haben. Der Sympathikus bereitet den Körper auf Aktivität und Stress vor, während der Parasympathikus für Ruhe und Entspannung sorgt.
- Eingeweide-Nervensystem (enterisches Nervensystem): Reguliert die Funktion des Magen-Darm-Trakts und kann unabhängig vom ZNS agieren.
Die Hirnnerven: Ursprung und Funktion
Die Hirnnerven sind zwölf Nervenpaare, die direkt aus dem Gehirn entspringen und für die Versorgung von Kopf, Hals und Rumpf zuständig sind. Sie werden von kranial (schädelwärts) nach kaudal (fußwärts) mit römischen Ziffern nummeriert. Einige Hirnnerven sind rein sensorisch, andere rein motorisch, und wieder andere haben sowohl sensorische als auch motorische Funktionen.
Hier eine Übersicht über die zwölf Hirnnerven, ihren Verlauf und ihre Funktion:
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- Nervus olfactorius (Riechnerv):
- Qualität: Sensorisch
- Verlauf: Beginnt mit den Riechzellen in der Riechschleimhaut der Nasenhöhle, zieht durch die Löcher der Siebbeinplatte (Lamina cribrosa) in die Schädelhöhle und dann zum Bulbus olfactorius.
- Funktion: Überträgt Geruchsinformationen von der Nase zum Gehirn.
- Probleme: Schädigungen führen zu Ausfällen beim Geschmacksempfinden.
- Nervus opticus (Sehnerv):
- Qualität: Sensorisch
- Verlauf: Die Nervenfasern kommen aus der Netzhaut des Auges und ziehen durch die Augenhöhle zum Sehnervkanal (Canalis opticus). Dort vereinigen sie sich mit den entsprechenden Nervenfasern der Gegenseite zur Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) und führen dann weiter in den Tractus opticus.
- Funktion: Überträgt visuelle Informationen von der Netzhaut zum Gehirn.
- Probleme: Entzündungen verschlechtern die Sehkraft, eine Optikusatrophie (Degeneration der Fasern) kann durch Druck (z.B. durch einen Tumor) verursacht werden.
- Nervus oculomotorius (Augenmuskelnerv):
- Qualität: Parasympathisch-motorisch
- Verlauf: Hat seine Wurzelzellen im Mittelhirn nahe der Mittellinie. Vor der Brücke tritt er aus einer Grube zum Türkensattel, an dem er seitlich durch die Wand des Sinus cavernosus (ein erweiterter Venenraum in der harten Hirnhaut), in dem die Venen der Augenhöhle liegen, tritt. Durch die obere Augenhöhlenspalte (Fissura orbitalis superior) gelangt er schließlich aus der Schädel- in die Augenhöhle.
- Funktion: Steuert die meisten Augenmuskeln, die für die Bewegung des Auges verantwortlich sind, sowie die Pupillenverengung und die Akkommodation (Anpassung des Auges an Nah- oder Fernsicht).
- Nervus trochlearis (Augenmuskelnerv):
- Qualität: Motorisch
- Verlauf: Ist ein sehr dünner Nerv, dessen Ursprungskerne im Mittelhirn vor dem Aquaeduct (Hirnwasserkanal) liegen. Er zieht zur Brücke und durch den Sinus cavernosus. Letztlich gelangt er durch die obere Augenhöhlenspalte zu dem Muskel, den er versorgt.
- Funktion: Steuert einen einzelnen Augenmuskel, der für die Drehung des Augapfels nach unten innen verantwortlich ist.
- Nervus trigeminus (Drillingsnerv):
- Qualität: Sensibel-motorisch
- Verlauf: Beginnt mit seinen sensiblen Wurzelzellen in der mittleren Schädelgrube, seitlich von der Brücke. Nahe der Felsenbeinpyramide geht der Nerv durch die Dura mater, wo er das Ganglion trigeminale bildet. Hier beginnt fächerförmig die Dreiteilung: Nervus ophthalmicus (Augenhöhlennerv), Nervus maxillaris (Oberkiefernerv), Nervus mandibullaris (Unterkiefernerv).
- Funktion: Versorgt das Gesicht, die Schleimhaut von Mund und Nase, die Zähne und die Dura mater mit sensorischen Informationen. Der motorische Teil steuert die Kaumuskulatur und den Mundöffner.
- Nervus abducens (Augenmuskelnerv):
- Qualität: Motorisch
- Verlauf: Der Ursprung liegt im sogenannten Fazialishügel der Rautengrube. Er tritt zwischen Medulla oblongata und der Brücke aus dem Gehirn aus, durchbricht die Dura mater und zieht dann in die Augenhöhle.
- Funktion: Steuert den äußeren geraden Augenmuskel, der den Augapfel von der Mittellinie wegführt.
- Nervus facialis (Gesichtsnerv):
- Qualität: Sensorisch-parasympathisch-motorisch
- Verlauf: Tritt am Kleinhirnbrückenwinkel aus dem Gehirn aus. Zwischen ihm und dem Nervus vestibulocochlearis (8. Hirnnerv) verläuft der Nervus intermedius, der sich im Felsenbein mit dem Nervus facialis vereint.
- Funktion: Steuert die mimische Muskulatur des Gesichts, die Geschmacksempfindung der vorderen zwei Drittel der Zunge, die Speichel- und Tränenproduktion.
- Nervus vestibulocochlearis (Hör- und Gleichgewichtsnerv):
- Qualität: Sensorisch
- Verlauf: Tritt zusammen mit dem Nervus facialis aus dem Kleinhirnbrückenwinkel aus und verläuft gemeinsam mit diesem durch den inneren Gehörgang. Der Pars vestibularis führt zu den Sinneszellen der Bogengänge und der Pars cochlearis zu den Sinneszellen des Corti-Organs im Innenohr.
- Funktion: Überträgt Informationen über Hören und Gleichgewicht vom Innenohr zum Gehirn.
- Nervus glossopharyngeus (Zungen-Rachen-Nerv):
- Qualität: Sensorisch-parasympathisch-motorisch
- Verlauf: Verlässt das Gehirn hinter der Oliva (eine seitlich von der Medulla oblongata liegende Vorwölbung des verlängerten Rückenmarks im Rautenhirn). Von dort zieht er durch das Foramen jugulare (eine Öffnung an der Schädelbasis zwischen Hinterhaupts- und Felsenbein) zur äußeren Schädelbasis.
- Funktion: Versorgt den Rachen, die Zunge und die Ohrspeicheldrüse mit sensorischen, motorischen und parasympathischen Fasern. Ist an Geschmacksempfindung, Speichelproduktion und Schluckreflex beteiligt.
- Nervus vagus ("umherschweifender" Nerv):
- Qualität: Sensorisch-parasympathisch-motorisch
- Verlauf: Tritt aus der Medulla oblongata aus und zieht zwischen zwei Gefäßen, der Vena jugularis und der Arteria carotis interna, nach unten in die Brusthöhle.
- Funktion: Hat ein sehr weites Versorgungsgebiet, das vom Kopf bis in den Bauchraum reicht. Er ist an der Steuerung von Herzfrequenz, Atmung, Verdauung und anderen wichtigen Körperfunktionen beteiligt.
- Nervus accessorius (Hals- oder Beinerv):
- Qualität: Motorisch
- Verlauf: Entspringt aus dem Halsmark mit sechs bis sieben Spinalwurzeln (Radices spinales), die sich im Wirbelkanal vereinigen. Durch das große Hinterhauptsloch tritt er in den Schädel ein und vereint sich mit Ästen des Nervus vagus, mit dem zusammen er durch das Drosselloch in der hinteren Schädelgrube wieder austritt.
- Funktion: Steuert die Muskeln des Halses und der Schulter (Musculus sternocleidomastoideus und Musculus trapezius).
- Nervus hypoglossus (Zungennerv):
- Qualität: Motorisch
- Verlauf: Die motorischen Fasern beginnen mit zehn bis 15 Wurzelfäden in der Medulla oblongata. Diese werden dann zu zwei Bündeln gesammelt, die durch die Dura mater gehen und im sogenannten Canalis hypoglossi aus dem Schädel austreten.
- Funktion: Steuert die Zungenmuskulatur und ist für die Zungenbewegung beim Sprechen und Schlucken verantwortlich.
Die Spinalnerven und das Rückenmark
Das Rückenmark ist eine lange, zylindrische Struktur, die sich vom Gehirn bis zum unteren Rücken erstreckt und durch den Wirbelkanal der Wirbelsäule geschützt ist. Es dient als Hauptleitungsweg für die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper.
Aufbau des Rückenmarks:
Das Rückenmark besteht aus grauer und weißer Substanz. Die graue Substanz befindet sich im Zentrum des Rückenmarks und enthält die Nervenzellkörper. Die weiße Substanz umgibt die graue Substanz und enthält die Nervenfasern (Axone), die Informationen zwischen Gehirn und Körper übertragen.
Die Spinalnerven:
Vom Rückenmark gehen 31 Paare von Spinalnerven aus, die jeweils seitlich aus dem Wirbelsäulenkanal austreten. Jeder Spinalnerv enthält sowohl sensorische als auch motorische Fasern und versorgt einen bestimmten Bereich des Körpers.
- Verlauf: Jeder Spinalnerv entspringt als Vorderwurzel (motorisch) und Hinterwurzel (sensorisch) aus dem Rückenmark. Die beiden Wurzeln vereinigen sich außerhalb des Rückenmarks zum Spinalnerv. Kurz danach teilt sich der Spinalnerv in einen vorderen und einen hinteren Ast, die jeweils unterschiedliche Bereiche des Körpers versorgen.
- Funktion: Die Spinalnerven übertragen sensorische Informationen von der Haut, den Muskeln und den inneren Organen zum Rückenmark und leiten motorische Befehle vom Rückenmark zu den Muskeln und Drüsen.
- Plexus: In bestimmten Körperregionen, wie z.B. im Hals-, Arm- und Lendenbereich, bilden die vorderen Äste der Spinalnerven Nervengeflechte, sogenannte Plexus. In diesen Plexus werden die Nervenfasern neu gemischt und gebündelt, so dass jeder Nerv, der aus dem Plexus austritt, Fasern aus verschiedenen Spinalnerven enthält.
Reflexe:
Das Rückenmark ist auch an der Auslösung von Reflexen beteiligt. Ein Reflex ist eine unwillkürliche Reaktion auf einen Reiz. Reflexe werden durch einen Reflexbogen vermittelt, der aus einem sensorischen Neuron, einem oder mehreren Interneuronen im Rückenmark und einem motorischen Neuron besteht.
Erkrankungen der Nerven
Verletzungen oder Erkrankungen der Nerven können zu einer Vielzahl von Problemen führen, je nachdem, welche Nerven betroffen sind und welche Funktionen sie erfüllen.
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Einige Beispiele für Erkrankungen der Nerven sind:
- Neuropathie: Schädigung der peripheren Nerven, die zu Schmerzen, Taubheit, Kribbeln und Muskelschwäche führen kann.
- Nervenkompression: Druck auf einen Nerv, z.B. durch einen Bandscheibenvorfall oder ein Karpaltunnelsyndrom, der zu Schmerzen, Taubheit und Muskelschwäche führen kann.
- Neuralgie: Nervenschmerzen, die durch eine Schädigung oder Reizung eines Nervs verursacht werden, z.B. Trigeminusneuralgie oder Postzosterneuralgie.
- Multiple Sklerose (MS): Autoimmunerkrankung, die die Myelinscheiden der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark schädigt, was zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen kann.
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Degenerative Erkrankung, die die motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark schädigt, was zu Muskelschwäche, Lähmung und schließlich zum Tod führt.
- Akustikusneurinom (Schwannoma): Gutartiger Tumor von Schwann-Zellen, die die Nerven innerhalb des Schädels betreffen.
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