Epilepsien haben ihren Ursprung im Gehirn, wobei vielfältige Ursachen infrage kommen. Es ist wichtig, zwischen den eigentlichen Auslösern einer Epilepsie und den Triggern einzelner Anfälle zu unterscheiden. Während Trigger wie Flackerlicht, Alkohol, Schlafmangel oder Stress Anfälle auslösen können, sind die eigentlichen Ursachen im Gehirn und Stoffwechsel der Betroffenen zu suchen.
Ursachen von Epilepsie bei Kindern
Grundsätzlich kann jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein. Die Medizin unterscheidet hier strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen.
Strukturelle Veränderungen: Diese können durch Schlaganfälle, Tumore oder Kopfverletzungen entstehen. Strukturelle Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen. So kann z. B. eine Narbe im Gehirn zu einer Übererregbarkeit mit fokalen Anfällen aus genau dieser Region führen. Häufige Ursachen für strukturelle Epilepsien sind Narben nach Geburtsschaden, Schlaganfall, Unfall oder Entzündung.
Infektiöse Ursachen: Infektionen des Gehirns, die durch Viren oder Bakterien verursacht werden, können ebenfalls Epilepsie auslösen.
Metabolische Ursachen: Stoffwechselveränderungen, die beispielsweise mit seltenen Stoffwechselerkrankungen wie Phenylketonurie in Verbindung stehen, können ebenfalls eine Rolle spielen. Phenylketonurie ist eine angeborene, erbliche Erkrankung des Eiweißstoffwechsels, die den Abbau der Aminosäure Phenylalanin verhindert. Diese sammelt sich im Körper an und stört beim Kind die Entwicklung des Gehirns.
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Genetische Ursachen: Genetisch bedingt haben manche Menschen eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere. Die Forschung geht heute davon aus, dass bei diesen Patienten ein oder mehrere Gene defekt sind, die als Ursache der Epilepsie anzusehen sind. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden. Von den etwa 20.000 Genen, die wir in jeder Körperzelle in uns tragen, haben tausende mit der Gehirnfunktion und -entwicklung zu tun. Wenn ein Gen, dass für die Hirnfunktion sehr wichtig ist und etwas mit der Erregung der Nervenzellen zu tun hat, krankhaft verändert ist, dann kann das zur Epilepsie führen (monogenetische Epilepsie). Es sind über 500 Gene, deren Mutation zur Epilepsie führen kann, bekannt. Diese Gene können im Labor einzeln oder im Rahmen der modernen Abklärung alle gleichzeitig untersucht werden (next generation sequencing, NGS).
Immunologische Ursachen: Hierbei handelt es sich um Entzündungsvorgänge im Gehirn, beispielsweise wenn die eigene Körperabwehr (Immunsystem) das Hirngewebe angreift und es zu einer Hirnhautentzündung kommt.
Zusätzlich gibt es sogenannte kryptogene Epilepsien, die als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet werden.
Strukturelle Epilepsien im Detail
Strukturelle Epilepsien, früher auch als symptomatische Epilepsien bezeichnet, entstehen als Folge einer bekannten Ursache wie einem Schlaganfall, Hirntumor oder einer Kopf- bzw. Hirnverletzung. Die strukturellen Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen.
Fehlbildungen des Gehirns
Ein Teil dieser Fehlbildungen betrifft beide Hirnhälften und manchmal die gesamte Hirnrinde (Pachygyrie, Lissenzephalie, beidseitige Polymirkogyrie, Bandheterotopie). Die Betroffenen sind meist schwer behindert und haben schwierig zu behandelnde Epilepsien. Andere Fehlbildungen sind regional begrenzt und verursachen fokale Anfälle aus dieser Region (umschriebene Polymikrogyrie, noduläre Heterotopie). Eine besondere Rolle spielen die fokalen kortikalen Dysplasien (fokal= nicht überall, umschrieben; kortikal= die Hirnrinde betreffend; Dysplasie= Fehlanlage). Diese sind eine häufige Ursache schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindesalter und entgehen häufig einer Routine-MRT-Untersuchung, vor allem im Alter unter 2 Jahren. Bei Kindern mit entsprechend schwierigem Verlauf sollte unbedingt eine hochauflösende MRT mit gezielten Sequenzen zur Darstellung fokaler kortikaler Dysplasien durchgeführt und ggf. nach Abschluss der Hirnreifung wiederholt werden.
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Genetische Epilepsien im Detail
Genetische Epilepsien, früher auch als idiopathische Epilepsien bezeichnet, beruhen auf einer genetischen Veranlagung. Der Begriff "genetisch" ist jedoch nicht mit "Erbkrankheit" gleichzusetzen. Die wenigsten Epilepsien wurden als Gendefekt (also Mutation in einem für die Hirnfunktion wichtigen Gen mit der Folge einer Übererregung) ererbt.
Genetische Diagnostik
Mittels genetischer Diagnostik (in Blutzellen) können selten Abweichungen der Chromosomenzahl (z. B. Trisomie 21) festgestellt werden. Größere Verluste von genetischem Material oder ein abnormer Zugewinn (copy number variations) können mit der sogenannten Array-CGH festgestellt werden. Meist sind dann mehrere bis viele verschiedene Gene betroffen. In aller Regel sind diese Veränderungen schicksalhaft spontan entstanden und nicht ererbt. Eine Untersuchung der Eltern kann sinnvoll sein um zu prüfen, ob bei ihnen dieselbe Veränderung vorliegt. Solche copy number variations können, da sie sich in allen Körperzellen finden, vom Betroffenen weitervererbt werden.
Monogenetische Epilepsien
Wenn ein Gen, dass für die Hirnfunktion sehr wichtig ist und etwas mit der Erregung der Nervenzellen zu tun hat, krankhaft verändert ist, dann kann das zur Epilepsie führen (monogenetische Epilepsie). Es sind über 500 Gene, deren Mutation zur Epilepsie führen kann, bekannt. Diese Gene können im Labor einzeln oder im Rahmen der modernen Abklärung alle gleichzeitig untersucht werden (next generation sequencing, NGS).
Polygenetische Epilepsien
Bei den meisten Menschen mit genetischer Epilepsie sind die Ergebnisse der Mutationssuche normal. Die exakte Ursache bleibt unklar. In den meisten dieser Fälle ist es so, dass gar nicht ein einziges, für das Gehirn wichtiges Gen krankhaft mutiert ist, sondern eine kritische Anzahl an Genen minimale Varianten ihrer Aktivität zeigen, die jede für sich eigentlich noch normal sind (Normvarianten). Dabei funktioniert das eine Gen vielleicht ein bisschen zu stark und ein anderes ein bisschen zu wenig. Erst die Kombination dieser Veränderungen führt dann zur Krankheit. Diese Veranlagung nennt man „polygenetisch“. Diese häufige Form genetischer Epilepsien lässt sich heutzutage noch nicht im Labor diagnostizieren, da ja kein Gen krankhaft verändert ist und die Varianten ja auch bei Gesunden vorkommen.
Weitere Ursachen und Risikofaktoren
Neben den genannten Ursachen gibt es weitere Faktoren, die eine Epilepsie auslösen können. Dazu gehören traumatische Erlebnisse und mangelnde emotionale Zuwendung in früher Kindheit, die sich als veränderte Gehirn-Struktur manifestieren und dem Betroffenen Lernen und soziale Integration erschweren können.
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Narben im Gehirn (Gliose)
Narben im Hirn, eine sogenannte Gliose, bestehen aus Gliazellen. Es handelt sich dabei um das Stützgewebe des Gehirns, das die Nervenzellen einbettet und bei der Reizweiterleitung unterstützt. Es ist von der Konsistenz her derber als normales Hirngewebe und lässt sich in der Magnetresonanztomografie in der Regel gut abgrenzen. Ist Hirngewebe geschädigt - beispielsweise nach einem Schlaganfall, nach Schädelverletzungen, Entzündungen, oder auch durch Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Multiple Sklerose - wird eine Vermehrung der stützenden Gliazellen angeregt. Die Gliazellen haben, anders als bei Hirntumoren, keinen raumfordernden, verdrängenden Charakter. Sie „füllen“ nur die entstandenen Lücken auf, um auch die Stabilität des Hirngewebes zu erhalten. Neurone, die eigentlichen impulsgebenden Zellen, vermehren sich dagegen nicht und entstehen nicht neu.
Auswirkungen von Narben im Gehirn
Abhängig vom Ort des geschädigten Hirngewebes kann in einigen Fällen - durch den Verlust von Nervenzellen - die Funktionalität der betroffenen Hirnregion beeinträchtigt sein. So kann es zum Beispiel bei Schädigung des linken Schläfenlappens zu Sprachstörungen kommen. Oder die Verletzung des rechten Scheitellappens kann zu einer Halbseitenlähmung der linken Körperhälfte führen. Narben können jedoch zu einer Störung des elektrischen Gleichgewichts des Hirns führen, was ein Epilepsieleiden zur Folge haben kann.
Autoimmunenzephalitis
Gedächtnisprobleme, Stimmungsschwankungen oder Krampfanfälle sind typische Anzeichen einer Autoimmunenzephalitis. Die Ursache ist eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems. Es bilden sich Autoantikörper, die bestimmte Rezeptoren oder Ionenkanäle auf der Oberfläche von Nervenzellen angreifen. In einigen Fällen entsteht die Autoimmunreaktion im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen. Auch Infektionen wie eine Herpesenzephalitis können die Autoantikörperbildung triggern.
Diagnostik
Die Diagnostik von Epilepsie bei Kindern umfasst in der Regel eine ausführliche Anamnese, neurologische Untersuchung, EEG (Elektroenzephalogramm) und bildgebende Verfahren wie MRT (Magnetresonanztomographie). Bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis werden Blut und Nervenwasser (Liquor-Analyse) auf spezifische Autoantikörper untersucht.
Behandlung
Die Behandlung von Epilepsie bei Kindern zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dies kann durch Medikamente (Antiepileptika), eine ketogene Diät, Vagusnervstimulation oder in seltenen Fällen durch eine Operation erfolgen. Bei Autoimmunenzephalitis wird die fehlgeleitete Immunreaktion durch Cortison, therapeutische Apherese (Blutwäsche) oder intravenöse Immunglobuline gestoppt. Bei fortbestehenden Symptomen kommen stärkere Immunsuppressiva zum Einsatz, etwa Rituximab oder Cyclophosphamid.
Bedeutung der Forschung
Die Forschung spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung der Ursachen und Mechanismen von Epilepsie und anderen neurologischen Erkrankungen. So konnte ein Forschungsteam der Charité - Universitätsmedizin Berlin aufzeigen, wie wichtig bei der Narbenbildung im Gehirn die Umorganisation von Gerüst- und Membranstrukturen in den Gliazellen ist. Die Erkenntnisse werfen Licht auf einen neuen zellulären Schutzmechanismus, durch den das Gehirn aktiv schweren Verläufen von neurologischen Erkrankungen entgegenwirken könnte.
Neuropädiatrie: Spezialisierte Betreuung für Kinder mit neurologischen Erkrankungen
Für neurologisch erkrankte Kinder und ihre Eltern gibt es spezialisierte Kinder-Neurologen, die eng vernetzt mit anderen Spezialisten zusammenarbeiten. Diese interdisziplinären Teams bieten umfassende Diagnostik, Therapie und Beratung an.
Therapeutisches Angebot
Das therapeutische Angebot umfasst unter anderem:
- Medikamentöse Einstellung
- Ketogene Diät
- Vagusnervstimulator
- Physiotherapie
- Logopädie
- Heilpädagogik
Spezialsprechstunden
Es gibt spezielle Sprechstunden für:
- Epilepsien
- Multiple Sklerose (MS)
- Mitochondriopathien
- Neurometabolische & neurodegenerative Erkrankungen
- Cerebralparese, Bewegungs- und Entwicklungsstörungen
- Neurovaskuläre Erkrankungen, kindlicher „Schlaganfall“
- Spaltfehlbildungen und Hydrozephalus
- Tuberöse Sklerose, neurocutane Erkrankungen