Vernarbungen im Gehirn durch Migräne: Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsansätze

Migräne ist eine neurologische Erkrankung, von der weltweit Millionen Menschen betroffen sind. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat entscheidende Erkenntnisse über die genetischen Grundlagen und die komplexen Mechanismen dieser Kopfschmerzerkrankung hervorgebracht. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob und wie Migräne zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führen kann, insbesondere zu sogenannten Vernarbungen oder Gliosen.

Was sind Gliosen?

Gliosezonen sind am ehesten unspezifische Veränderungen im Bereich des Hirnparenchyms. Im Gehirn entstehen Narben, sogenannte Gliosen, durch eine Vermehrung von Gliazellen, dem Stützgewebe des Gehirns. Anders als bei Hautnarben, die durch Bindegewebszellen (Fibroblasten) verschlossen werden, bestehen Hirnnarben aus Gliazellen, die die Nervenzellen einbetten und bei der Reizweiterleitung unterstützen. Diese Gliazellen füllen die entstandenen Lücken auf, um die Stabilität des Hirngewebes zu erhalten. Neurone, die eigentlichen impulsgebenden Zellen, vermehren sich dagegen nicht und entstehen nicht neu.

Ursachen von Gliosen

Gliosen können verschiedene Ursachen haben:

  • Schlaganfall: Nach einem Schlaganfall kann es zu einer Schädigung des Hirngewebes und in der Folge zur Bildung von Gliosen kommen.
  • Schädelverletzungen: Auch traumatische Hirnverletzungen können Gliosen verursachen.
  • Entzündungen: Entzündliche Prozesse im Gehirn, wie beispielsweise bei Multipler Sklerose, können ebenfalls zu Gliosen führen.
  • Erkrankungen: Bestimmte Erkrankungen wie Morbus Alzheimer können ebenfalls Gliosen verursachen.
  • Migräne: Es gibt Hinweise darauf, dass Migräne, insbesondere Migräne mit Aura, mit einem erhöhten Risiko für Gliosen verbunden sein kann.

Migräne und Gliosen: Ein möglicher Zusammenhang

Eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie (Age Gene/Environment Susceptibility-Reykjavik Study (AGES-RS)) hat gezeigt, dass Frauen, die lange Jahre unter einer Migräne mit Aura leiden, im Alter häufiger kernspintomografische Läsionen im Kleinhirn aufweisen. Diese Läsionen werden als Folge von Mikro-Infarkten gedeutet, die durch wiederholte Durchblutungsstörungen im Kleinhirn während der Migräneattacken entstehen können.

Die Studie ergab, dass 23 Prozent der Frauen, die ein Vierteljahrhundert zuvor unter Migräne mit Aura gelitten hatten, kernspintomografische Läsionen im Gehirn aufwiesen, verglichen mit nur 14,5 Prozent der anderen Frauen. Selbst nach Berücksichtigung anderer bekannter Risikofaktoren ergab dies eine Odds Ratio von 1,9 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,4-2,6).

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Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die meisten einzelnen Läsionen vermutlich keine Auswirkungen auf die Hirnleistung haben. Bei den im Durchschnitt fast 77 Jahre alten Teilnehmern der AGES-RS-Studie wurden sie bei 40 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen gefunden.

Migräne: Eine neurobiologisch bedingte Funktionsstörung

Die Migräne ist eine neurobiologisch bedingte Funktionsstörung des Gehirns, der Hirnhaut (Dura) und der jeweiligen Blutgefäße, für die eine erbliche Veranlagung besteht. Während einer Migräneattacke kommt es zu einer vorrübergehenden Fehlfunktion schmerzregulierender Systeme.

Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Geschehen vermutlich auf eine Störung des Gleichgewichtszustandes von Schmerzzentren im Hirnstamm zurückzuführen ist. Mit Hilfe spezieller bildgebender Verfahren (Positronenemissions-Tomografie) konnte nachgewiesen werden, dass im Gehirn ein Bereich - das so genannte Migräne-Zentrum im Hirnstamm (periaquäduktales Grau) - aktiviert und verstärkt durchblutet wird. Dieses „Migräne-Zentrum“ reagiert über-empfindlich auf Reize.

Die Überaktivität der Nervenzellen im Hirnstamm führt dazu, dass die (C-)Fasern des Trigeminusnervs Schmerz-signale an das Gehirn senden (über den trigemino-thalamischen Trakt). Dies hat auch eine vermehrte Ausschüttung so genannter Botenstoffe (vasoaktive Neuropeptide) zur Folge, die eine Dehnung der Blutgefäße bewirken und die Gefäßwände für Blutflüssigkeit durchgängig machen (Extravasation) und bestimmte Blutbestandteile (z.B. entzündliche Eiweißstoffe) freisetzen. Es kommt zu einer Aufschwemmung und einer Art Entzündung des Hirngewebes und der Hirnhäute. Diese so genannte neurogene Entzündung verursacht wiederum Schmerzimpulse, welche ausstrahlen und den Migränekopfschmerz bewirken.

Auslöser von Migräne

Bestimmte innere und äußere Faktoren, so genannte Trigger, können bei entsprechender Veranlagung eine Migräne begünstigen. Jeder Migräne-Patient kann durch Selbstbeobachtung und konsequente Führung eines Kopfschmerz-Tagebuchs/Kalenders seine verschiedenen, persönlichen Auslöser ermitteln:

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  • Wechselnder Schlaf-Wach-Rhythmus (z.B. zu viel oder zu wenig Schlaf)
  • Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf - Unterzuckerung/Hungerzustand (z.B. aufgrund des Auslassens von Mahlzeiten)
  • Hormonveränderungen, z.B. während des Zyklus (Eisprung oder Menstruation) bzw. aufgrund der Einnahme von Hormonpräparaten (z.B. Anti-Baby-Pille, bei Beschwerden der Wechseljahre oder zur Osteoporose-Vorsorge)
  • Stress in Form körperlicher oder seelischer Belastungen - Migräne tritt meist in der Entspannungsphase danach auf
  • Verqualmte Räume
  • Bestimmte Nahrungsmittel - z.B. Schokolade, Käse, Zitrusfrüchte, Alkohol (Rotwein!)
  • Äußere Reize wie (Flacker)Licht, Lärm oder Gerüche
  • Wetter- und Höhenveränderungen (Föhn, Kälte etc.)
  • Starke Emotionen, z.B. ausgeprägte Freude, tiefe Trauer, heftige Schreckreaktion, Angst
  • evtl. Medikamente z.B.

Migränöser Infarkt

Ein migränöser Infarkt kann als Komplikation bei einer Migräne mit Aura auftreten und gefährlich sein. Dabei kommt es zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, die schließlich in einen Schlaganfall münden. Personen, die unter Migräne mit Aura leiden, haben ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Hingegen stellt Migräne ohne Aura kein oder nur ein geringes Risiko dar. Insbesondere bei Frauen unter 45 Jahren mit Migräne mit Aura konnte, im Vergleich zur restlichen Bevölkerung, ein doppelt so hohes Risiko für einen Schlaganfall festgestellt werden.

Weitere Faktoren, die einen migränösen Infarkt wahrscheinlicher machen, sind:

  • Rauchen
  • Einnahme östrogenhaltiger Empfängnisverhütungsmittel (Anti-Baby-Pille)
  • mindestens eine Migräneattacke mit Aura im Monat
  • persistierendes Foramen ovale (angeborene Fehlbildung des Herzens, bei der eine Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof besteht)

Welche Prozesse bei einem migränösen Infarkt im Gehirn ablaufen, konnte bisher noch nicht abschließend geklärt werden. Möglicherweise tragen eine erhöhte Blutgerinnungsneigung, krampfhafte Verengungen von Blutgefäßen (Vasospasmen) oder ein örtlich verminderter Blutfluss in bestimmten Hirnregionen dazu bei.

Diagnose und Behandlung des migränösen Infarktes

Damit ein Schlaganfall als migränöser Infarkt gewertet werden kann, gibt die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) in ihrer Klassifikation folgende Kriterien an:

  • Der Patient hatte schon früher Migräne-Attacken mit Aura.
  • Ein oder mehrere Aurasymptome bleiben über 60 Minuten bestehen.
  • Eine bildgebende Untersuchung (zum Beispiel ein MRT) zeigt einen Hirninfarkt in einem bestimmten Areal.
  • Die Symptome lassen sich nicht durch eine andere Erkrankung erklären.

Sobald alle diese Punkte zutreffen, stellt der Arzt die Diagnose migränöser Infarkt. Oberstes Ziel ist es, die Durchblutung im betroffenen Hirnbereich wiederherzustellen. Dafür spritzt der Arzt dem Patienten über eine Vene ein Medikament, welches Blutgerinnsel auflöst (Thrombolyse).

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Behandlung von Migräne

Obwohl Migräne nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Häufigkeit und Intensität der Anfälle zu reduzieren und die Beschwerden zu lindern.

Akutbehandlung

Geeignete Migräne-Medikamente bekämpfen die Schmerzen, Entzündungen und Übelkeit. Hilfreich sind bei Erwachsenen Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Paracetamol, Diclofenac und Naproxen. Einige Medikamente vereinen mehrere Wirkstoffe und enthalten u.a. auch Koffein. Wichtig: Schmerzmittel sollten maximal an 10 Tagen pro Monat eingenommen werden. Andernfalls können als Nebenwirkungen der Medikamente Kopfschmerzen auftreten.

Fallen die Migräne-Anfälle schwerer aus oder werden zusätzlich von einer Migräne-Aura begleitet, kommen sog. Triptane zum Einsatz. Diese greifen in den Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin ein und verengen die geweiteten Blutgefäße im Kopf. Am besten wirken Triptane, wenn sie frühzeitig, d.h. direkt zu Beginn eines Migräne-Anfalls eingenommen werden.

Migräneprophylaxe

Patienten, die häufig Migräne-Attacken oder anhaltende Auren haben, können sich über eine medikamentöse Migräne-Prophylaxe informieren. Diese kann der Arzt bei entsprechenden Voraussetzungen verschreiben.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

  • Botulinumtoxin A (Botox): Volljährige Patienten, die den Kriterien einer chronischen Migräne entsprechen, können eine Behandlung mit Botox durchführen lassen. Das bedeutet, dass sie mindestens über 3 Monate lang 15 Tage im Monat Kopfschmerzen haben, von denen acht oder mehr Tage mit Migräne sind. Eine weitere Voraussetzung für eine Botoxbehandlung ist, dass bisherige andere Behandlungsmaßnahmen keine Wirkung gezeigt haben.
  • Chiropraktik: Die Chiropraktik kombiniert Erkenntnisse aus Medizinwissenschaft, Heilkunde und Philosophie und stellt die Gesundheit durch Normalisierung der Funktionen des Nervensystems wieder her, ohne auf Medikamente oder chirurgische Eingriffe zurückzugreifen.
  • Osteopathie: Neben der Behandlung mit chiropraktischen oder osteopathischen Maßnahmen.
  • Verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel: Spezielle Therapie von Migräne mit und ohne Aura, Migräne-Komplikationen, alle Kopfschmerzen, wie z.B. chronische Spannungskopfschmerzen, Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch, Clusterkopfschmerz, Nervenschmerz (neuropathischer Schmerz), Rückenschmerz und andere Formen chronischer Schmerzerkrankungen.

Selbsthilfemaßnahmen

  • Kopfschmerztagebuch: Beobachten Sie bei Ihren Migräneanfällen die auslösenden Faktoren und notieren Sie sich diese in ein Migräne-Tagebuch.
  • Ausreichende Wasseraufnahme: Eine ausreichende Wasseraufnahme ist Pflicht, da durch Flüssigkeitsmangel das Blut dick wird. Dadurch fällt der Sauerstofftransport schwerer und der Kopf fängt an zu schmerzen.
  • Magnesiumreiche Ernährung: Besonders Nahrungsmittel, die Magnesium enthalten, sind für Migränepatienten zu empfehlen. Der Grund: Magnesium entspannt die Muskeln.
  • Vermeidung von Triggern: Vermeiden Sie Nahrungsmittel, die bei Ihnen Migräne auslösen.
  • Entspannung: Versuchen Sie sich zu entspannen, falls eine erneute Kopfschmerzattacke anstehen sollte. Außerdem können Sie bestimmte Techniken, wie autogenes Training oder die Jacobsen-Methode lernen, welche Ihnen in den entsprechenden Situationen helfen können, den Stress abzubauen und die Kopfschmerzen zu bewältigen.
  • Sport: Treiben Sie drei bis vier mal pro Woche je eine halbe Stunde Sport. Hierbei sollten Sie es jedoch nicht übertreiben, sondern eher auf ruhigere Sportarten, wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen zurückgreifen.

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