Die Elektrizität spielt eine immer wichtigere Rolle in unserer technisierten Welt. Auch in Lebewesen spielen elektrische Vorgänge eine wichtige Rolle. Die Steuerung unserer Muskeln - z.B. für die Fortbewegung - geschieht durch elektrische Signale. Dieser Vorgang soll nun etwas genauer betrachtet werden.
Grundlagen der neuronalen Verschaltung
Eine Nervenbahn besteht aus einer Kette von Nervenzellen, den Neuronen. Neuronen sind spezialisierte Zellen zur Übertragung von Reizen. Sie bestehen aus einem Zellkörper (Soma) und dessen Fortsätzen, von denen man zwei Typen unterscheidet:
- Dendriten: Empfangen den Reiz.
- Axon (Neurit): Überträgt diesen Impuls an andere benachbarte Zellen (Reizweiterleitung).
Am Ende des Axons befindet sich die Synapse. Wird diese vom Reiz erreicht, regt sie das nächste Neuron an (Reizübertragung). Früher dachte man, dass die Informationsübertragung bei den Nerven durch Ladungsträger (Ionen) geschieht, so wie wir es z.B. vom Strom in Elektrolyten kennen.
Aufbau einer Nervenzelle (Neuron) im Detail
Das Neuron lässt sich in unterschiedliche Abschnitte gliedern:
- Zellkörper (Soma): Enthält den Zellkern sowie alle Zellorganellen, die für die Funktionsfähigkeit der Zelle wichtig sind, darunter Nissl-Schollen, Golgi-Apparat und Mitochondrien. Aufgrund seines hohen Energiebedarfs ist das Neuron in besonderem Maße von Mitochondrien abhängig.
- Dendriten: Feine Verästelungen des Zellkörpers, die über Synapsen mit anderen Nervenzellen in Kontakt stehen. Sie empfangen deren Signale und leiten sie anschließend an den Zellkörper weiter. Dendriten stellen die Antennenregion der Nervenzelle dar. Auf den Dendriten und auf dem Soma einer Nervenzelle können sich Hunderte oder Tausende von synaptischen Endigungen anderer Nervenzellen befinden.
- Axonhügel: Bildet den Übergang vom Soma zum Axon. Die elektrischen Signale werden hier gesammelt und summiert, bis eine bestimmte Schwelle (Schwellenpotential) überschritten wird. Erst dann wird ein Signal an das Axon weitergeleitet. Diese Signale werden Aktionspotentiale genannt. Der Axonhügel ist das integrierende Zentrum am Neuron.
- Axon (Neurit): Der lange Fortsatz der Nervenzelle, der aus dem Axonhügel hervorgeht. Die Aufgabe des Axons ist die Weiterleitung der Aktionspotentiale zu Nerven- oder Muskelzellen.
- Myelinscheide (Markscheide): Um die Weiterleitung der elektrischen Signale möglichst schnell und ohne Verluste zu gewährleisten, ist das Axon wie ein elektrisches Kabel isoliert. Dazu wird der Fortsatz durch Stütz- oder Hüllzellen umhüllt. Im peripheren Nervensystem (außerhalb von Gehirn und Rückenmark) werden diese Zellen Schwann’sche Zellen genannt. Im zentralen Nervensystem (ZNS), also dem Gehirn und Rückenmark, werden die Nervenzellen ebenfalls von einer Myelinscheide umgeben.
- Ranviersche Schnürringe: Die Umhüllung des Axons ist immer wieder durch freiliegende Axonbereiche unterbrochen. Diese Unterbrechungen ermöglichen eine saltatorische Erregungsleitung, wodurch die Geschwindigkeit der Erregungsleitung erhöht wird.
- Synaptische Endknöpfchen: Bilden das Ende eines Neurons. Das elektrische Signal wird hier auf die nächste Nervenzelle oder zum Beispiel auf eine Sinnes- oder Muskelzelle übertragen. Dazu wird das elektrische Signal meist in ein chemisches Signal umgewandelt. Die Verbindung am Ende einer Nervenzelle mit einer anderen Zelle wird Synapse genannt.
Die Synapse: Schaltstelle der neuronalen Kommunikation
Die Synapse ist die Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen oder zwischen einer Nervenzelle und einer anderen Zelle (z.B. Muskelzelle). Hier findet die Erregungsübertragung statt. Meist handelt es sich um chemische Synapsen. Das Endknöpfchen setzt chemische Moleküle in den synaptischen Spalt - die Lücke zwischen den zwei Zellen - frei. Dort binden sie an Rezeptoren und geben die Erregung weiter.
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Neurotransmitter: Die chemischen Botenstoffe
In chemischen Synapsen werden Neurotransmitter freigesetzt. Zu den Neurotransmittern gehören eine Reihe chemischer Botenstoffe wie z. B. Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin oder Glutamat. Diese werden in kleinen Bläschen, den synaptischen Vesikeln, gelagert.
Trifft ein elektrisches Signal über das Axon am Nervenende ein, erhöht sich die elektrische Spannung an der präsynaptischen Membran. In der Folge bewegen sich mit Neurotransmittern gefüllte synaptische Vesikel in Richtung der Membran und verschmelzen mit ihr. Dabei werden die Botenstoffe in den synaptischen Spalt abgegeben und „wandern“ zur Empfängerzelle.
Auf der anderen Seite des synaptischen Spaltes treffen die Botenstoffe auf Andockstellen in der Membran des Empfänger-Neurons, die die elektrischen Eigenschaften dieser Membran regulieren. Dadurch ändert sich der Membranwiderstand. Die Empfängerzelle kann die Spannungsänderung, die dadurch entsteht, in einem rasanten Tempo verarbeiten. Zwischen dem Eintreffen des Impulses bis zur Spannungsänderung auf der anderen Seite des synaptischen Spalts vergeht nur etwa eine tausendstel Sekunde. Damit stellt die synaptische Übertragung einen der schnellsten biologischen Vorgänge dar.
Synaptische Vesikel: Mehr als nur Speicher
Die synaptischen Vesikel sind keineswegs nur eine Art membranumhüllte „Konservendose“ zur Speicherung der Botenstoffe. In ihrer Membran befindet sich eine ganze Reihe von Proteinen, die sich seit Millionen von Jahren durch die Evolution kaum verändert haben. Eine Gruppe dieser Proteine, die Neurotransmitter-Transporter, ist dafür verantwortlich, die Botenstoffe aus dem Zellplasma in die Vesikel hineinzupumpen und dort anzureichern. Dazu ist viel Energie erforderlich. Diese wird von einem weiteren Proteinmolekül bereitgestellt, einer Protonen-ATPase (V-ATPase), die unter Verbrauch von Adenosintriphosphat (ATP) Protonen in die Vesikel hineinpumpt. Neben diesen für das „Auftanken“ erforderlichen Proteinen enthalten die Membranen synaptischer Vesikel weitere Komponenten, die dafür sorgen, dass die Vesikel mit der Plasmamembran verschmelzen können (darunter das SNARE-Protein Synaptobrevin und den Calcium-Sensor Synaptotagmin) und nach der Membranfusion wieder in das Nervenende zurücktransportiert werden. Die synaptische Vesikel werden anschließend im Nervenende über einige Zwischenschritte wieder recycelt und neu mit Botenstoffen befüllt.
Für die Fusion selber sind SNARE-Proteine verantwortlich - kleine Proteinmoleküle, die in der Plasmamembran wie in der Vesikelmembran sitzen. Kommen die Membranen nahe aneinander, lagern sich die dieser Proteine aneinander, wobei sie sich in Richtung der Membran wie Taue miteinander verdrillen. Bei dieser Zusammenlagerung wird Energie freigesetzt, die für das Verschmelzen der Membranen benutzt wird. Um zu verstehen, wie diese Zusammenlagerung die Verschmelzung der Membranen bewirkt, wurden die SNARE-Proteine in künstliche Membranen eingebaut, an denen man die Fusion mit hochauflösenden Methoden, darunter der Kryo-Elektronenmikroskopie, untersuchen konnte. Dabei wurden erstmalig Zwischenstufen der Fusionsreaktion identifiziert. Fortschritte sind ebenfalls bei der Frage erzielt worden, wie die einströmenden Calcium-Ionen die Fusionsmaschine aktivieren.
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Erregungsleitung: Der Weg des Signals durch das Neuron
Die Erregungsleitung ist die Weiterleitung elektrischer Signale in Nerven- und Muskelzellen. Eine Erregung entsteht immer am Axonhügel eines Neurons. Das Aktionspotential einer Nervenzelle wird entlang des Nervenzellfortsatzes - dem Axon - weitergeleitet.
Kontinuierliche vs. saltatorische Erregungsleitung
Es gibt zwei Arten der Erregungsleitung:
- Kontinuierliche Erregungsleitung: Bei nicht-isolierten Nervenzellen (z.B. bei Wirbellosen) müssen die elektrischen Signale kontinuierlich (fortlaufend) weitergeleitet werden. Diese Art der Weiterleitung ist vergleichsweise langsam. Die Geschwindigkeit kann aber erhöht werden, indem der Durchmesser der Leitungsbahn erhöht wird.
- Saltatorische Erregungsleitung: Die meisten Nervenzellen bei uns Menschen sind wie elektrische Kabel isoliert (Myelinscheide). Die Myelinschicht bildet aber keine durchgehende Umhüllung, sondern ist im Abstand von etwa 0,5-2 mm immer wieder unterbrochen (Ranviersche Schnürringe). Das ermöglicht eine saltatorische Erregungsleitung.
Bei der saltatorischen Erregungsleitung kommt es zu einer lokalen Depolarisation (Spannungsabnahme) am Anfang des Axons. Das führt zur Öffnung spannungsabhängiger Natriumionenkanäle. Die Kanäle befinden sich nur an den Ranvierschen Schnürringen. Dort strömen dann die positiv geladenen Natriumionen ins Zellinnere. Dadurch wird ein erneutes Aktionspotential bzw. eine neue Depolarisierung ausgelöst. Sie reicht bis zum nächsten Schnürring. Es wird also immer nur an einem nicht-isolierten Bereich ein Aktionspotential gebildet. Durch die Isolation kann die Leitungsgeschwindigkeit deutlich erhöht und Energie gespart werden. Natriumionenkanäle in Bereichen, die das Aktionspotential bereits passiert hat, werden danach inaktiviert. Die Zeit, die sie brauchen, bis sie wieder erregt werden können, wird Refraktärzeit genannt.
Alles-oder-Nichts-Gesetz
Nach dem Alles-oder-nichts-Gesetz lässt eine Erregung bei Überschreitung des Schwellenpotenzials immer ein Aktionspotenzial in gleicher Form, Größe und Dauer entstehen. Daher ist nicht die Größe des Aktionspotenzials für die Kommunikation der Nervenzellen entscheidend, sondern die Anzahl der Impulse pro Zeiteinheit (Frequenz). Dabei ist es wichtig, dass nach jeder Depolarisation mithilfe der Natrium-Kalium-Pumpe das Ruhepotenzial wieder hergestellt wird.
Neuronale Verschaltung: Integration von Signalen
Eine einzelne Nervenzelle kann mit Hunderten oder sogar Tausenden anderer Nervenzellen verbunden sein. Mit anderen Worten, auf den Dendriten und auf dem Soma einer Nervenzelle können sich Hunderte oder Tausende von synaptischen Endigungen anderer Nervenzellen befinden. Diese synaptischen Eingänge können erregend oder hemmend sein. Führt der Gesamteffekt zu einer Depolarisation, die höher liegt als der Schwellenwert, kommt es zur Auslösung eines Aktionspotentials am Axonhügel.
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- EPSP (erregendes postsynaptisches Potential): Ist das Gesamtsignal stark genug, um den Schwellenwert zu überschreiten, spricht man von einem EPSP.
- IPSP (inhibitorisches postsynaptisches Potential): Liegt die Summe der Erregung unterhalb der zur Auslösung eines Aktionspotentials benötigten Stärke, ist das entstandene Potential ein IPSP.
Räumliche und zeitliche Summation
Die Frage, ob das Rezeptorpotential für ein neues Aktionspotential ausreicht, wird am Axonhügel geklärt. Hierbei spielen räumliche und zeitliche Summation eine entscheidende Rolle:
- Zeitliche Summation: Eine Synapse wird zeitlich kurz aufeinanderfolgend erregt. Hier findet die Erregung zeitlich so kurz hintereinander statt, dass das Membranpotential nach der vorhergehenden Reizung nicht auf das Niveau des Ruhepotentials zurückgehen kann.
- Räumliche Summation: Gleichzeitige Stimulation der Nervenzelle durch mehrere bzw. verschiedene Synapsen. Die postsynaptischen Potentiale addieren sich auf. Gleichzeitige Stimulierung an verschiedenen Synapsen.
Von einer räumlichen Summation spricht man, wenn eine Nervenzelle gleichzeitig von mehreren präsynaptischen Zellen beeinflusst wird. Bei der räumlichen Summation werden die von den verschiedenen Synapsen gebildeten EPSPs und IPSPs am Zellkörper verrechnet. Synapsen, die nahe am Axonhügel liegen, haben dabei einen größeren Einfluss als weit vom Axonhügel entfernte Synapsen. Inhibitorische Synapsen kommen auf den Dendriten eines Neurons vor, etwas häufiger auf dem Soma, und ganz besonders oft auf dem Axonhügel. Der Axonhügel ist eine strategisch wichtige Position für hemmende Synapsen. Eine geringe AP-Frequenz reicht hier schon aus, um die erregenden Impulse vieler anderer Synapsen zu hemmen.
Experimentelle Untersuchung von Nervenzellen
Nervenzellen können präpariert und freigelegt werden, um dann mit entsprechenden Werkzeugen und Gerätschaften daran spezielle Verschaltungsmuster, Nervenzell-Eigenschaften oder Potentialableitungen zu untersuchen.
Präparation von Nervenzellen aus der Grille: Ein Beispiel
Vor der Präparation der Nervenzellen muss man sich zunächst die zellorganisatorischen Gegebenheiten des vorliegenden Organismus ins Gedächtnis rufen und den Versuch entsprechend planen. Eine Grille hat z.B. ein Strickleiternervensystem. Die Axone des Tintenfisches Loligo vulgaris z.B. sind unmyelinisiert und ziemlich groß und dick. Für eine elektrische Ableitung zur Messung des Ruhepotentials dieser Axone wird daher eine Verstärkeranlage für die Verstärkung des kleinen Signals benötigt. Das muss natürlich auch für die Bewertung und Diskussion der Ergebnisse berücksichtigt werden.
1) Was möchte ich tun? - Ableitung des Aktionspotentials des weiterleitenden Neurons bei einer Grille bei Konfrontation mit einem optischen Reiz
2) Welche Nervenzellen möchte ich messen, wo möchte ich ableiten und wie komme ich daran? - Grillen besitzen gut identifizierbare Neurone, d.h., ein Reiz führt zur Erregung eines spezifischen Neurons und damit zu einem sehr großen, gut darstellbaren Aktionspotential. Die Grille hat ein sog. Strickleiternervensystem. Das bedeutet, es besteht aus einer Reihe von Ganglienpaaren, die über sogenannte Konnektive miteinander verbunden sind. Durch diesen Aufbau ähnelt das Aussehen des Nervenstrangs einer Strickleiter. Das Neuron für die optische Wahrnehmung kann im Brustbereich der Grille untersucht werden.
3) Präparation: Zunächst sollte man sich über die Anatomie der Grille informieren. Das Strickleiternervensystem der Grille liegt an der Bauchseite (ventral), d.h. nicht dorsal am Rücken wie bei Wirbeltieren. Für die Präparation müssen zunächst alle darüberliegenden Strukturen vorsichtig entfernt werden. Hierfür benötigt man kleine Präparationswerkzeuge und ein Mikroskop. Dann gilt: „Übung macht den Meister.“ Soll das Neuron komplett aus dem Organismus entnommen werden, sollte es vorsichtig herauspräpariert werden, um es so wenig wie möglich zu zerstören, und dann schnell überführt werden. ACHTUNG - Einzelne Neuronen können in der Regel nicht isoliert und überführt werden. Es sind immer Nervenstränge, d.h. Zusammenschlüsse von Neuronen, die mit einer Bindegewebsscheide geschützt sind. Ein Gegenbeispiel liefert allerdings Loligo mit seinem Riesenaxon dafür, dass unter bestimmten Gegebenheiten auch einzelne Zellen isoliert und verwendet werden können.
4) Messgeräte:
- Ableit-Mikroelektrode: Diese Elektrode wird in das Neuron hineingestochen. Meist wird eine spitze Glaskapillare mit einem Draht, die mit Elektrolytflüssigkeit gefüllt ist, verwendet. Durch den Draht ist sie mit einem Verstärker verbunden.
- Verstärker: Vergrößert das Signal zur Darstellung
- Vergleichs-/Referenzelektrode: Diese ist mit dem Außenmilieu verbunden und dient als Bezugspunkt, als Vergleich. Die Differenz ergibt das Ruhepotential in der Zelle (zumeist zwischen -70 und -90 mV)
- Oszilloskop/PC: Das Oszilloskop bildet die Ladungsdifferenz (Spannungsmesser) auf einem Bildschirm ab. Wird ein Reiz aufgenommen und das Neuron erregt, kann man eine Veränderung erkennen. Das typische Aktionspotential-Bild wird dargestellt. Neben der Spannung können auch andere physikalische Parameter (Widerstand, Strom) gemessen werden.
5) Versuchsaufbau-Gestaltung: Zu Versuchsbeginn sollten alle benötigten Werkzeuge, Elektrolytlösungen, Messgeräte und Geräte zur Reizstimulation (in diesem Fall für einen optischen Reiz) bereitgestellt werden. Der Nervenstrang wird komplett aus dem Modellorganismus isoliert und in eine dem zu untersuchenden Organismus entsprechende Elektrolytlösung überführt. Bei der Untersuchung eines lebenden Organismus wird der Nervenstrang mit einer Elektrode direkt angestochen. Zu Messung werden immer eine Messelektrode und einen Bezugspunkt durch die Referenzelektrode gewählt.
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