Vorhofflimmern: Schlaganfallrisiko und die Bedeutung von Scores wie CHA2DS2-VASc

Vorhofflimmern ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle einhergeht. In Deutschland sind etwa 1,8 Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen, wobei das Risiko mit zunehmendem Alter und dem Vorliegen weiterer Erkrankungen wie koronarer Herzkrankheit, Hypertonie, Diabetes oder Adipositas steigt. Angesichts der steigenden Lebenserwartung ist zu erwarten, dass die Prävalenz von Vorhofflimmern und damit auch von Vorhofflimmern-assoziierten Schlaganfällen in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.

Die Rolle von Risikoscores bei Vorhofflimmern

Um das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern besser einschätzen und die Notwendigkeit einer gerinnungshemmenden Behandlung (Antikoagulation) beurteilen zu können, werden verschiedene Risikoscores verwendet. Diese Scores helfen Ärzten, das individuelle Risiko eines Patienten für einen Schlaganfall zu quantifizieren und die Therapie entsprechend anzupassen.

CHA2DS2-VASc-Score: Ein weit verbreitetes Instrument

Der CHA2DS2-VASc-Score ist einer der am häufigsten verwendeten Scores zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern-Patienten. Die Berechnung des CHA2DS2-VASc-Scores sollte bei Patient:innen mit Vorhofflimmern erfolgen. Der Score berücksichtigt verschiedene Risikofaktoren, die das Schlaganfallrisiko erhöhen können. Dazu gehören:

  • Congestive Heart Failure (Herzinsuffizienz)
  • Hypertension (Bluthochdruck)
  • Age ≥ 75 Jahre (Alter 75 Jahre oder älter)
  • Diabetes Mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Stroke/TIA (Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke in der Vorgeschichte)
  • Vascular Disease (Gefäßerkrankung)
  • Age 65-74 Jahre (Alter zwischen 65 und 74 Jahren)
  • Sex Category (Geschlecht; Frau)

Jeder Risikofaktor wird mit einem oder zwei Punkten bewertet, und die Summe ergibt den CHA2DS2-VASc-Score. Mit steigendem CHA2DS2-VASc-Score steigt auch das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Ein CHA2DS2-VASc-Score = 1 entspricht einer adjustierten Schlaganfallrate pro Jahr von 1,3 %. Das bedeutet, dass jährlich bei 1,3 von 100 Personen ohne Antikoagulation ein Schlaganfall auftritt. Ab wann der Score und damit das Risiko zu hoch ist, ist abhängig vom Geschlecht.

Die Begriffe „CHADS2-VASc-Score“ und „CHA2DS2-VASc-Score“ werden synonym verwendet: Beide beschreiben dasselbe Punktesystem, welches das Schlaganfallrisiko von Patient:innen mit Vorhofflimmern abschätzt.

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Grenzen des CHA2DS2-VASc-Scores und alternative Modelle

Obwohl der CHA2DS2-VASc-Score weit verbreitet ist, hat er auch seine Grenzen. Studien haben gezeigt, dass er nicht immer die beste Vorhersagekraft für das Schlaganfallrisiko aufweist. Einige neuere Scores, wie der GARFIELD-AF-Score oder der modifizierte CHADS2-Score, könnten in bestimmten Fällen zuverlässigere Ergebnisse liefern.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsklinik Leiden haben die Vorhersagekraft verschiedener Risikomodelle verglichen und festgestellt, dass der CHA2DS2-VASc-Score nicht die beste Performance zeigte. Als tendenziell zuverlässiger stellten sich die neueren, nach 2010 publizierten Scores wie der GARFIELD-AF heraus. Mit einer Ausnahme: Der modifizierte CHADS2 aus dem Jahr 2008 zeigte alles in allem die beste diskriminative Fähigkeit.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die meisten Studien sich auf die diskriminativen Eigenschaften der Scores konzentrierten, also wie gut das Modell zwischen Patienten mit hohem und niedrigem Schlaganfallrisiko unterscheiden kann. Die Kalibrierung, die aussagt, wie hoch das absolute Risiko eines Patienten am Ende tatsächlich ist, wurde weniger berücksichtigt.

HAS-BLED-Score: Abschätzung des Blutungsrisikos

Neben der Abschätzung des Schlaganfallrisikos ist auch die Beurteilung des Blutungsrisikos bei Patienten mit Vorhofflimmern von großer Bedeutung, insbesondere wenn eine Antikoagulation in Erwägung gezogen wird. Hier kommt der HAS-BLED-Score zum Einsatz.

Der HAS-BLED-Score dient dazu, die Blutungsneigung bei antikoagulierten Patienten mit Vorhofflimmern abzuschätzen. Er berücksichtigt verschiedene Faktoren, die das Blutungsrisiko erhöhen können:

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  • Hypertension (unkontrollierter Bluthochdruck)
  • Abnormal Renal/Liver Function (eingeschränkte Nieren- oder Leberfunktion)
  • Stroke (Schlaganfall in der Vorgeschichte)
  • Bleeding Tendency (Blutungsneigung oder -anamnese)
  • Labile INR (bei VKA-Therapie; instabile INR-Werte)
  • Elderly (Alter ≥ 65 Jahre)
  • Drugs/Alcohol (Einnahme von Medikamenten, die das Blutungsrisiko erhöhen, z. B. NSAR oder Alkoholmissbrauch)

Jeder Risikofaktor trägt null bis zwei Punkte zum finalen HAS-BLED-Score bei.

Antikoagulation bei Vorhofflimmern: Nutzen und Risiken

Die orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) oder Nicht-VKA oralen Antikoagulanzien (NOAKs) reduziert die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Schlaganfällen und Thromboembolien maßgeblich. Demgegenüber steht eine erhöhte Blutungsneigung durch die orale Antikoagulation. Die Behandlungsleitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) empfehlen bei der Wahl des Antikoagulans, Risiken (z. B. Blutungen) und Vorteile (z. B. Schlaganfallprävention) gegeneinander abzuwägen.

Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK, NOAK)

Direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs), auch bekannt als nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAKs), sind eine relativ neue Klasse von Antikoagulanzien, die eine Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) wie Warfarin darstellen. Zu den DOAKs gehören:

  • Dabigatran (Pradaxa)
  • Rivaroxaban (Xarelto)
  • Apixaban (Eliquis)
  • Edoxaban (Lixiana)

DOAKs haben im Vergleich zu VKAs einige Vorteile, darunter eine einfachere Dosierung, wenigerInteraktionen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie eine geringere Notwendigkeit für regelmäßige Blutuntersuchungen (INR-Kontrolle). Allerdings haben auch DOAKs Risiken, insbesondere Blutungen, und es ist wichtig, diese Risiken sorgfältig abzuwägen, bevor eine Behandlung begonnen wird.

Weitere Aspekte der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern

Neben der Antikoagulation gibt es weitere Maßnahmen, die zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern-Patienten beitragen können:

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  • Kontrolle von Risikofaktoren: Eine gute Kontrolle von Bluthochdruck, Diabetes,Cholesterin und anderen Risikofaktoren kann das Schlaganfallrisiko senken.
  • Gesunder Lebensstil: Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität und Verzicht auf Rauchen kann das Herz-Kreislauf-System stärkenund das Schlaganfallrisiko reduzieren.
  • Vermeidung von Alkoholmissbrauch: Übermäßiger Alkoholkonsum kann das Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfälle erhöhen.
  • Regelmäßige ärztliche Kontrollen: Regelmäßige Kontrollen beim Arzt helfen,Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Online-Rechner zur Risikoberechnung

Es gibt verschiedene Online-Rechner, die bei der Berechnung des CHA2DS2-VASc-Scores und des HAS-BLED-Scores helfen können. Diese Rechner sind jedoch nur als Hilfsmittel gedacht und ersetzen nicht die Beratung durch einen Arzt.

Ein solches Programm errechnet das Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt innerhalb der nächsten 10 Jahre anhand der 2003 im European Journal of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation erschienenen Punktescores. Im März 2005 wurde eine Version mit den Daten für Deutschland veröffentlicht. Das Risiko in Deutschland liegt zwischen der Low-Risk- und High-Risk-Gruppe in Europa. Dieser Rechner berücksichtigt diese neueste Tabelle. Die Angabe von HDL-Cholesterin ist optional, wird dieser Wert eingegeben, erfolgt die Berechnung nach den Tabellen für den Gesamtcholesterin/HDL-Quotienten, wird kein Wert eingegeben, erfolgt die Berechnung nach den Tabellen für den Gesamt-Cholesterinwert. Der Risikorechner ermöglicht auch die Eingabe der Laborwerte in der SI-Einheit mmol/l anstelle von mg/dl.

Bitte beachten Sie, dass diese Tools und Rechner ausschließlich für Trainingszwecke bestimmt sind und nicht verwendet werden dürfen, um Diagnosen zu stellen oder Therapieentscheidungen zu treffen.

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