Die Vorstellung, dass Herz und Gehirn getrennte Einheiten sind, die unabhängig voneinander funktionieren, ist längst überholt. Tatsächlich stehen diese beiden Organe in einer innigen und komplexen Verbindung, die unsere Wahrnehmung, unser Denken und sogar unsere Anfälligkeit für Vorurteile beeinflusst.
Die Standleitung: Das autonome Nervensystem
Herz und Gehirn kommunizieren über das autonome Nervensystem und über Botenstoffe miteinander. Das autonome Nervensystem, bestehend aus Sympathicus und Parasympathicus, fungiert als eine Art "Standleitung" zwischen den beiden Organen. Da es sich nicht willentlich beeinflussen lässt, hält es Entspannung und Anspannung beim gesunden Menschen ständig die Waage.
- Der Sympathicus aktiviert uns und bereitet den Körper auf Angriff oder Flucht vor. Er erhöht die Herzfrequenz, den Muskeltonus und sorgt für körperliche Reaktionen wie ein rotes Gesicht oder hektische Flecken.
- Der Parasympathicus hingegen bringt uns zur Ruhe, verlangsamt die Atmung und senkt die Herzfrequenz.
Diese ständige Anpassung des Herzschlags an die jeweilige Situation führt zu einer hohen Herzratenvariabilität, die als Zeichen einer vitalen Herz-Hirn-Verbindung und letztlich von Gesundheit gilt. Eine starre Herzfunktion hingegen kann lebensbedrohlich sein und sogar zum plötzlichen Tod führen.
Das Herz im Gehirn: Das Herzschlag-evozierte Potential (HEP)
Im Gehirn existiert ein Abbild des Herzens: Der Herzschlag ist dort über das Herzschlag-evozierte Potential (HEP) repräsentiert. Mithilfe von Elektrokardiogrammen (EKG) und Elektroenzephalogrammen (EEG) können Forscher die elektrischen Erregungsmuster in beiden Organen gleichzeitig analysieren und miteinander abgleichen. Dabei zeigt sich, dass bestimmte Hirnregionen synchron mit dem Herzen aktiviert werden.
Besonders in der Inselregion des Gehirns lässt sich diese rhythmische Korrelation mit dem Herzen als HEP messen. Dieses Potential spiegelt die elektrische Erregungsausbreitung im Herzgewebe wider, die zur Kontraktion des Herzmuskels führt.
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Die Höhe des HEP variiert von Mensch zu Mensch und könnte Hinweise auf unterschiedliche Modi des Gehirns geben:
- Ein hohes HEP könnte bedeuten, dass man sich auf den eigenen Körper und die Innenwelt konzentriert.
- Ein niedriges HEP hingegen könnte auf eine stärkere Ausrichtung auf die Außenwelt hindeuten, beispielsweise bei der Nahrungssuche oder in Gefahrensituationen.
Der Herzschlag als Taktgeber: Wahrnehmung und Vorurteile
Der Herzschlag beeinflusst nicht nur die Durchblutung des Gehirns und damit die Verarbeitung aller Informationen, sondern wirkt sich auch direkt auf unsere Wahrnehmung und unser Denken aus. Studien haben gezeigt, dass der Herzschlag die Wahrnehmung von Berührungsreizen und sogar die Neigung zu Vorurteilen beeinflussen kann.
Forscher fanden heraus, dass Probanden einen elektrischen Reiz am Finger schwächer wahrnehmen, wenn sich das Herz gerade zusammenzieht und Blut in den Körper pumpt (systolische Phase). Dies könnte daran liegen, dass in diesem Moment Rezeptoren in den großen Blutgefäßen eine Information über den Blutdruck ans Gehirn übermitteln und die Verarbeitung anderer Reize dadurch gedämpft wird.
Ein weiteres Experiment zeigte, dass Probanden in der systolischen Phase häufiger ihren Vorurteilen folgten und einem schwarzen Mann eher eine Waffe zuwiesen als einem weißen Mann.
Wenn das Herz leidet: Auswirkungen auf das Gehirn
Die enge Verbindung zwischen Herz und Gehirn bedeutet auch, dass sich Erkrankungen des einen Organs auf das andere auswirken können. So haben Menschen mit Depressionen ein doppelt so hohes Risiko, einen Herzinfarkt oder einen plötzlichen Herztod zu erleiden. Bei Schlaganfallpatienten finden sich häufig Plaques in den Herzgefäßen und ein Herzinfarkt nach einem Schlaganfall ist eine gefürchtete Komplikation.
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Sogar Stress kann bei kerngesunden Menschen eine Herzmuskelschwäche (Takotsubo-Syndrom) auslösen. Dabei kommen die Betroffenen mit Brustschmerzen und Atemnot in die Notaufnahme, obwohl ihre Gefäße offen sind. Die linke Herzkammer pumpt jedoch weniger effizient als gewöhnlich und die Herzspitze ist ballonartig erweitert.
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Patienten mit Takotsubo-Syndrom die Verarbeitung emotionaler Eindrücke in bestimmten Gehirnarealen weniger ausgeprägt ist. Dies betrifft vor allem die Amygdala, den Hippocampus und den Gyrus cinguli, die für die Kontrolle von Emotionen entscheidend sind.
Die Psychokardiologie: Eine junge Disziplin
Die junge Disziplin der Psychokardiologie versucht zu ergründen, wie neurologische Erkrankungen und seelisches Leid dem Herzen zusetzen. Studien haben gezeigt, dass Trauer, Ärger und Freude organische Veränderungen an diesem wichtigen Organ hervorrufen können.
Gewichtszunahme als Warnsignal: Wassereinlagerungen bei Herzschwäche
Eine Gewichtszunahme muss nicht immer auf eine zu kalorienreiche Ernährung oder zu wenig Bewegung zurückzuführen sein. Bei einer Herzschwäche kann es zu Wassereinlagerungen im Körper kommen, die sich als Gewichtszunahme bemerkbar machen.
Wenn der geschwächte Herzmuskel das zum Herzen zurückfließende Blut nicht mehr ausreichend weiterpumpt, bildet sich ein Rückstau vor dem Herzen. Dadurch entstehen Ödeme, insbesondere in den Beinen und im Bauchraum.
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Um Wassereinlagerungen frühzeitig zu erkennen, empfiehlt die Deutsche Herzstiftung Menschen mit einer Herzschwäche, sich täglich zu wiegen. Eine Gewichtszunahme von 2 kg in 3 Tagen kann ein Warnsignal sein.
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