Wadenkrämpfe nach Chemotherapie: Ursachen und Behandlung

Wadenkrämpfe sind ein häufiges und oft schmerzhaftes Problem, das nach einer Chemotherapie auftreten kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Wadenkrämpfen im Zusammenhang mit der Chemotherapie und bietet einen Überblick über verschiedene Behandlungsansätze.

Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN) als Ursache

Eine der Hauptursachen für Wadenkrämpfe nach einer Chemotherapie ist die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN). CIPN ist eine Schädigung der peripheren Nerven, die als Nebenwirkung bestimmter Chemotherapeutika auftreten kann. Diese Nerven sind für die Übertragung von Reizen zwischen der Haut und dem Gehirn zuständig, einschließlich Empfindungen wie Berührung, Druck, Wärme und Kälte. Wenn diese Nerven geschädigt sind, können sie die Reize nicht mehr richtig ans Gehirn senden, was zu Missempfindungen wie Kribbeln, Taubheitsgefühlen und Schmerzen führen kann.

Symptome der CIPN

Die Symptome der CIPN beginnen häufig in den Fingerspitzen und Zehen und können sich dann über die Hände und Füße ausbreiten. Taubheitsgefühle können alltägliche Tätigkeiten erschweren, wie das Öffnen und Schließen von Knöpfen oder Flaschen. Taubheit in den Fußsohlen kann Probleme beim Gehen und Stürze verursachen. Bei fast der Hälfte der Betroffenen geht die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie mit chronischen Schmerzen einher. Neben den sensorischen Symptomen kann die CIPN auch motorische Symptome verursachen, wie z.B. Muskelschwäche, Muskelzucken und Muskelkrämpfe. Einige Krebspatienten klagen auch über Kraftlosigkeit in Armen und Beinen, sodass sie Probleme beim Greifen und Gehen haben. In seltenen Fällen können auch Hör- und Sehstörungen auftreten, wenn Hirnnerven betroffen sind.

Risikofaktoren für CIPN

Es gibt einige individuelle Faktoren, die das Risiko erhöhen, an Neuropathie zu erkranken. Neben der onkologischen Erkrankung können das auch Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder Niereninsuffizienz sein. Sehr wahrscheinlich ist ebenfalls, dass Patient*innen mit einem hohen Alkoholkonsum ein größeres Erkrankungsrisiko haben. Auch genetische Faktoren beeinflussen den Schweregrad der Chemotherapie-induzierten Neuropathie.

Diagnose der CIPN

Leider vergeht häufig viel zu viel Zeit, ehe eine Polyneuropathie erkannt und diagnostiziert wird. Um eine Polyneuropathie zu diagnostizieren, sind unterschiedliche Methoden notwendig. Zunächst wird der Arzt die Beschwerden des Patienten erfragen. Anschließend wird eine körperliche Untersuchung durchgeführt, um die Schwere und Ausprägung der Polyneuropathie zu ermitteln. Zudem können Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit anhand einer Elektroneurografie (ENG) und die Elektromyografie (EMG) zur Messung der elektrischen Aktivität im Muskel erfolgen. Weitere diagnostische Maßnahmen können die Testung des Vibrationsempfindens mit einer Stimmgabel, die Prüfung von Reflexen (z.B. Achillessehnenreflex) und die Messung der oberflächlichen Reizwahrnehmung (Schmerz-, Temperatur-, Berührungs- und Druckempfinden) umfassen. Bei Verdacht auf Hörschädigung sollte ein Hörtest durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt durchgeführt werden.

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Andere Ursachen für Wadenkrämpfe nach Chemotherapie

Neben der CIPN können auch andere Faktoren zu Wadenkrämpfen nach einer Chemotherapie beitragen. Dazu gehören:

  • Elektrolytstörungen: Chemotherapie kann zu Elektrolytstörungen führen, wie z.B. einem Mangel an Magnesium, Kalium oder Kalzium. Diese Elektrolyte sind wichtig für die normale Funktion der Muskeln und Nerven.
  • Dehydration: Chemotherapie kann zu Übelkeit und Erbrechen führen, was zu Dehydration führen kann. Dehydration kann ebenfalls zu Muskelkrämpfen beitragen.
  • Medikamente: Einige Medikamente, die während der Chemotherapie eingesetzt werden, können als Nebenwirkung Muskelkrämpfe verursachen.
  • Mangelernährung: Eine Mangelernährung kann zu einem Mangel an wichtigen Nährstoffen führen, die für die normale Funktion der Muskeln und Nerven benötigt werden.
  • Bewegungsmangel: Bewegungsmangel kann zu Muskelabbau und Muskelkrämpfen führen.

Behandlung von Wadenkrämpfen nach Chemotherapie

Die Behandlung von Wadenkrämpfen nach Chemotherapie hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. In vielen Fällen können jedoch folgende Maßnahmen helfen:

  • Anpassung der Chemotherapie: Löst die Chemotherapie die Polyneuropathie aus, passt der:die Ärzt:in, wenn möglich, die Dosis oder das Schema an, um eine dauerhafte Schädigung der Nerven zu verhindern.
  • Elektrolytausgleich: Elektrolytstörungen sollten durch die Einnahme von Elektrolyten oder durch Infusionen ausgeglichen werden.
  • Flüssigkeitszufuhr: Es ist wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um Dehydration zu vermeiden.
  • Medikamente: Bei Bedarf können Medikamente zur Linderung von Muskelkrämpfen eingesetzt werden.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Nährstoffen ist wichtig für die normale Funktion der Muskeln und Nerven.
  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann helfen, Muskelabbau vorzubeugen und Muskelkrämpfe zu reduzieren.

Weitere Maßnahmen zur Linderung von CIPN-bedingten Beschwerden

  • Schmerzmittel: Verursacht die Polyneuropathie Schmerzen, stehen verschiedene Schmerzmittel zur Verfügung, die je nach Schwere der Schmerzen eingesetzt werden. Als wirksam haben sich vor allem Wirkstoffe aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva erwiesen (z. B. Amitriptylin, Duloxetin). Aber auch Wirkstoffe, die normalerweise zur Behandlung von Krampfanfällen genutzt werden (Antiepileptika), können helfen (etwa Pregabalin, Gabapentin, ggf. Carbamazepin).
  • Bewegungstherapie: Eine Bewegungstherapie kann Beschwerden lindern und die Geschicklichkeit der Hände oder das Gleichgewicht beim Gehen fördern bzw. erhalten.
  • Physiotherapie und Ergotherapie: Bei Muskelschwäche können Physiotherapie oder Ergotherapie ratsam sein. Im Rahmen der Ergotherapie können Hilfsmittel zum Greifen von Gegenständen eingesetzt werden.
  • Elektrotherapie: Bei einer Elektrotherapie werden die Nerven elektrisch stimuliert.
  • Kryotherapie: Einige Studien belegen die Wirksamkeit von sogenannter Kryotherapie während der Chemotherapie. Das bedeutet, während der Therapie tragen die Betroffenen Kältehandschuhe und -strümpfe.
  • SENSI-Bäder: SENSI-Bäder dienen der Stimulierung der Nerven durch das Setzen verschiedener Reize.
  • Akupunktur: Als experimentelles Behandlungsverfahren für neuropathische Schmerzen gilt etwa die Akupunktur.
  • Kälte vermeiden: Patient*innen, die mit Probleme mit Kältereizen haben, sollten sich nicht zu lange in kalten Räumen oder bei kaltem Wetter draußen aufhalten, ohne sich entsprechend zu schützen.

Vorbeugende Maßnahmen

  • Enge OP-Handschuhe: Japanische Forscher:innen haben herausgefunden, dass das Tragen von zu engen OP-Handschuhen jeweils 30 Minuten vor, während und nach der Chemo einer Polyneuropathie vorbeugen kann.
  • Regelmäßiges Bewegungstraining: Ein regelmäßiges Bewegungstraining, insbesondere der Finger- und Zehenfunktionen, wird von Expert*innen empfohlen.

Was kann man selbst tun?

Neben den medizinischen Behandlungen gibt es auch einige Dinge, die Betroffene selbst tun können, um ihre Beschwerden zu lindern:

  • In Bewegung bleiben: Ein gezieltes Training hilft, Einschränkungen im Alltag und die Lebensqualität zu verbessern.
  • Bei Hitze aufpassen: Wenn du Temperaturen nicht mehr gut spüren kannst, kann es leicht zu Verbrennungen kommen. Vor dem Baden kannst du beispielsweise die Wassertemperatur mit einem Thermometer messen.
  • Auf Verletzungen achten: Bei Schmerzunempfindlichkeit kann es sein, dass du kleine Wunden an Händen oder Füßen nicht bemerkst. Diese können sich entzünden.
  • Für einen guten Stand sorgen: Um sich sicher fortzubewegen, sollten Vorkehrungen wie festes Schuhwerk oder eine Gehhilfe getroffen werden.
  • Verletzungen und Infektionen vorbeugen: Verletzungen, wie Schnittwunden oder Verbrennungen an Händen und Füßen werden später oder gar nicht wahrgenommen, wenn das Empfinden an diesen Stellen stark eingeschränkt ist.
  • Ohrgeräusche minimieren: Wer bei lauten Geräuschen an Tinnitus leidet, sollte laute Umgebungen meiden.
  • Langes und häufiges Stehen vermeiden.
  • Verabreden Sie sich! Eine Verabredung mit einer Freundin oder Bekannten kann wahre Wunder wirken, weil Sie Verbindlichkeit schafft.
  • Nicht lange nachdenken! Zählen Sie einen Countdown herunter, das stoppt die Gedanken.

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