Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes und komplexes Organ, das eine zentrale Rolle bei allen körperlichen, kognitiven und emotionalen Prozessen spielt. Seine Entwicklung beginnt bereits im Mutterleib und setzt sich bis ins junge Erwachsenenalter fort. Die Frage, wann das Gehirn vollständig entwickelt ist, beschäftigt Neurowissenschaftler seit langem. Die Antwort ist komplex, da verschiedene Bereiche des Gehirns unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten aufweisen.
Die frühe Entwicklung des Gehirns im Mutterleib
Die Entwicklung des Gehirns beginnt bereits in der zweiten Schwangerschaftswoche mit der Bildung des Neuralrohrs. Bis zum Ende der achten Schwangerschaftswoche sind Gehirn und Rückenmark fast vollständig angelegt. Das Gehirn des Embryos teilt sich in drei Teile: Vorderhirn, Mittelhirn und Hinterhirn. Das Vorderhirn ist hauptsächlich für Argumentation, Problemlösung, Formung und Speicherung von Erinnerungen zuständig. Das Mittelhirn verarbeitet sensorische Informationen und hilft bei der Koordination räumlicher Verhältnisse.
In dieser frühen Phase ist eine gesunde Ernährung der Mutter von entscheidender Bedeutung, da Nährstoffe wie langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (LCP), Eisen und Cholin eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns spielen. Auch der Genuss von fettreichem Meeresfisch wie Lachs, Hering oder Makrele kann sich positiv auf die Gehirnentwicklung des Kindes auswirken, da diese Lebensmittel viel DHA (Docosahexaensäure) enthalten, einen wichtigen Baustein für die Entwicklung von Gehirn und Sehvermögen.
Das rasante Wachstum des Gehirns im Säuglingsalter
Nach der Geburt setzt sich das rasante Wachstum des Gehirns fort. In den ersten zwei Lebensjahren verdreifacht sich die Gehirnmasse des Babys. Zwischen dem ersten und sechsten Monat ist die Phase mit der stärksten Gehirnentwicklung. Jeder Sinneseindruck wie Berührung, Geruch, Geräusch oder Licht wird verarbeitet und sorgt dafür, dass das Gehirn weiterwächst. Gleichzeitig durchläuft das Gehirn Phasen der strukturellen Verfeinerung, in der eine Vielzahl von neuronalen Verbindungen durchtrennt und Platz für neue geschaffen wird. Sowohl die Entstehung von neuen Gehirnzellen als auch der Abbau von Verknüpfungen sind notwendig, damit sich ein gesundes, optimal funktionierendes Gehirn entwickeln kann.
Das Gehirn eines Babys ist im ersten Lebensjahr so aktiv wie nie wieder im späteren Leben. Pro Sekunde werden in den ersten beiden Jahren bis zu 700 neue Nervenverbindungen gebildet. Die Gehirnstrukturen vernetzen, verstärken und verändern sich, da das kindliche Gehirn in dieser Phase seiner Entwicklung hochsensibel auf Erfahrungen reagiert. Die Vielzahl an Nervenverbindungen ermöglicht dem Kind das rasante Lernen in den ersten Lebensjahren.
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Die Entwicklung der Großhirnrinde und des präfrontalen Cortex
Besonders groß ist im Entwicklungsprozess die Veränderung der Großhirnrinde (Cortex). An seiner Stirnseite sitzt der Frontallappen (präfrontaler Cortex), der als die oberste Leitzentrale des Gehirns gilt. Von hier aus werden die motorischen Funktionen des Babys gesteuert und kontrolliert. Zudem ist der präfrontale Cortex der Sitz der Persönlichkeit, des Charakters, der Empathie und des Sozialverhaltens.
Die Entwicklung von grauer und weißer Substanz
Zum Gehirn gehören grob gesagt zwei Strukturen: die graue und die weiße Substanz. Die graue Substanz besteht aus den Nervenzellen und die weiße Substanz aus deren Ausläufern - den Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die für die Kommunikation zuständig sind. Aus der Forschung mit Magnetresonanztomografie weiß man, dass die graue Substanz bis zum Alter von etwa 25 Jahren und die weiße Substanz bis zum Alter von 30 Jahren wächst.
Zunächst nimmt die graue Substanz bis zum sechsten Lebensjahr deutlich an Volumen zu. Das ermöglicht es uns, uns gut an die Umgebung anzupassen, in der wir aufwachsen. Die Zunahme beginnt oft in Hirnregionen, die sensorische Informationen verarbeiten. Ab dem sechsten Lebensjahr stagniert dieses Wachstum, und ab der Pubertät nimmt das Volumen der grauen Substanz sogar etwas ab. Das Gehirn behält nur die Zellen, die viel benutzt werden und die bereits viele Verbindungen hergestellt haben. Auf diese Weise wird das Gehirn immer leistungsfähiger.
Sensible Phasen und die Bedeutung des Lernens
Nicht alle Hirnregionen entwickeln sich gleich schnell. So gibt es sensible oder kritische Perioden, in denen Kinder auf bestimmte Reize besonders empfindlich reagieren - das erleichtert es, neue Dinge zu lernen. Vor allem schwierige Sprachen lernt man am besten bis zum zehnten Lebensjahr, und für das Unterscheiden von Sprachlauten beschränkt sich die sensible Phase sogar auf das erste Lebensjahr.
Die Gehirnentwicklung in der Pubertät
In der Pubertät kommt es zu weiteren bedeutenden Veränderungen im Gehirn. Der frontale Kortex, der eine Rolle beim Planen, Denken und Verarbeiten komplexer Informationen spielt, entwickelt sich weiter. Es kann zu einer Art Ungleichgewicht im Gehirn kommen, weil sich ein Bereich schneller entwickelt als ein anderer. So wächst der frontale Kortex recht langsam, Amygdala, Striatum und Nucleus accumbens dagegen schneller - ein tiefer im Gehirn gelegener Bereich, der unter anderem für Emotionen, Motivation und Belohnungsempfinden zuständig ist. Das führt dazu, dass wir in dieser Lebensphase besonders emotional und besonders sensibel auf Belohnungen reagieren und mehr Risiken eingehen.
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Die Gehirnentwicklung im jungen Erwachsenenalter
Zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr entwickelt sich das Gehirn höchstwahrscheinlich in sozialer Hinsicht weiter. Möglicherweise gelingt es uns in dieser Phase immer besser, uns an unterschiedliche soziale Situationen anzupassen: als Freundin, als Partner, als Mitarbeiter und Teammitglied, manchmal auch als Vater oder Mutter. Darüber hinaus lernen wir offenbar besser zu unterscheiden zwischen dem, was wir selbst wollen oder denken, und dem, was unsere Umwelt von uns erwartet. Wir nehmen mehr Rücksicht auf andere und wissen unser eigenes Verhalten besser zu kontrollieren.
Das Gehirn nach dem 30. Lebensjahr
Nach dem 30. Lebensjahr beginnt das Gehirn leicht zu schrumpfen. Ab etwa 70 Jahren beschleunigt sich der Verfall: Verbindungen gehen verloren - das Gedächtnis lässt nach. Dennoch bleibt das Gehirn plastisch und lernfähig. Hirnareale können Funktionen voneinander übernehmen oder zusammenarbeiten.
Der präfrontale Kortex und das Erwachsensein
Besonders relevant bei der Frage, wann das Gehirn erwachsen ist, ist der präfrontale Kortex. Dieser Bereich entwickelt sich bis zum Alter von etwa 25 Jahren weiter und beeinflusst unter anderem das Planen, Denken und das Verarbeiten komplexer Informationen sowie das Vorhersehen von Konsequenzen. Studien haben gezeigt, dass die exekutiven Funktionen des Gehirns, zu denen kognitive Prozesse wie Selbstkontrolle gehören, sich in der späten Kindheit bis zur frühen Adoleszenz (10 bis 15 Jahre) stark entwickeln, in der mittleren Adoleszenz (15 bis 18 Jahre) in feineren Abstufungen weiterentwickeln und sich dann in der späten Jugend (18 bis 20 Jahre) auf einem mit Erwachsenen vergleichbaren Niveau festigen.
Faktoren, die die Gehirnentwicklung beeinflussen
Die Gehirnentwicklung wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter:
- Genetik: Die genetische Ausstattung eines Menschen spielt eine wichtige Rolle bei der Gehirnentwicklung.
- Ernährung: Eine gesunde Ernährung mit ausreichend Nährstoffen ist für die optimale Entwicklung des Gehirns unerlässlich.
- Umwelt: Die Umwelt, in der ein Kind aufwächst, kann einen großen Einfluss auf die Gehirnentwicklung haben.
- Erfahrungen: Die Erfahrungen, die ein Kind macht, prägen die Entwicklung des Gehirns.
- Hormone: Hormone spielen eine entscheidende Rolle bei der Gehirnentwicklung, insbesondere in der Pubertät.
Tipps zur Förderung einer gesunden Gehirnentwicklung
Es gibt viele Dinge, die man tun kann, um eine gesunde Gehirnentwicklung zu fördern, darunter:
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- Eine gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten.
- Regelmäßige Bewegung: Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und kann die kognitiven Funktionen verbessern.
- Ausreichend Schlaf: Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Gehirns und die Konsolidierung von Erinnerungen.
- Geistige Stimulation: Fordern Sie Ihr Gehirn regelmäßig durch Lesen, Lernen und andere geistig anregende Aktivitäten heraus.
- Soziale Interaktion: Pflegen Sie soziale Kontakte und verbringen Sie Zeit mit Freunden und Familie.
- Stressmanagement: Lernen Sie, Stress abzubauen, da chronischer Stress die Gehirnfunktion beeinträchtigen kann.
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