Aktuelle Fortschritte in der Parkinson-Forschung: Ein Überblick

Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Weltweit sind Millionen Menschen davon betroffen, allein in Deutschland schätzt man etwa 400.000 bis 500.000 Erkrankte. Eine Heilung gibt es bislang nicht, aber die Forschung ist auf dem Vormarsch und bietet Anlass zur Hoffnung. Neue Therapieansätze und Diagnostiktests geben aus Sicht von Fachleuten Grund für Optimismus. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen in der Parkinson-Forschung, von genetischen Untersuchungen und Antikörpertherapien bis hin zu Stammzellforschung und der Entwicklung von Biomarkern.

Ursachenforschung und Risikofaktoren

Die moderne Parkinsonforschung zielt darauf ab, die molekularen Grundlagen der Krankheitsentstehung zu entschlüsseln und insbesondere die Wechselwirkung von genetischen Risikofaktoren und Umwelteinflüssen besser zu verstehen. Wissenschaftler untersuchen, wie genetische Faktoren und Umweltfaktoren zur Entstehung der Krankheit beitragen können. Genetische Studien haben bestimmte Gene identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko für Parkinson in Verbindung stehen, wie das GBA1- und das LRRK2-Gen. Mutationen in diesem Gen erhöhen das Parkinson-Risiko. Davon sind vor allem jüngere Menschen mit Parkinson betroffen. Umweltfaktoren, wie die Exposition gegenüber bestimmten Pestiziden oder Schwermetallen, werden ebenfalls untersucht. Beispielsweise haben einige Studien gezeigt, dass Landwirte und Winzer, die regelmäßig Pestizide verwenden, ein höheres Risiko haben, an Parkinson zu erkranken. Für den Rückgang der Erkrankungshäufigkeit liegt noch keine abschließende Erklärung vor. Möglich ist laut den RKI-Forschenden, dass der Rückgang bestimmter Risikofaktoren, beispielsweise von Umwelteinflüssen wie der Pestizidbelastung, oder die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten einen Teil der Entwicklung erklären.

Genetische Aspekte

Kathrin Brockmann, Neurologin am Universitätsklinikum Tübingen, und ihr Forschungsteam suchen im Erbgut von Menschen mit Parkinson nach Mutationen des GBA1-Gens. Sie konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Einteilung von Parkinson-Patienten anhand von Erbinformationen und biologischen Stoffwechselwegen. Veränderungen in der Erbinformation bieten einen Anhaltspunkt, ob es sich um Stoffwechselweg A oder B handelt. Dementsprechend sollten unterschiedliche Medikamente zum Einsatz kommen. Das Ziel soll sein, dass jeder eine möglichst individuelle Therapie bekommt. Diese Gruppe zeigt auffällig viel des verklumpten, schädlichen Eiweißes Alpha-Synuclein im Gehirn und im Nervenwasser. Dieses Eiweiß ist für das Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn mitverantwortlich.

Innovative Therapieansätze

Bislang lässt sich Parkinson nur symptomatisch behandeln. In der Therapie der Parkinson-Krankheit kommen deswegen Medikamente zum Tragen, die den Dopaminmangel im Gehirn ausgleichen und innerhalb enger Grenzen stabil halten, um möglichst normale Dopaminsignale im Gehirn zu erzeugen. Alternativ oder ergänzend zur Dopaminersatztherapie können auch die Gehirnnetzwerke der Bewegungssteuerung direkt stimuliert werden. Dieses Verfahren nennt man tiefe Gehirnstimulation. In einem neurochirurgischen Eingriff werden Sonden im Gehirn platziert, die über ein implantiertes Schrittmachersystem, mittels schwacher elektrischer Impulse die Nervensignale der Bewegungssteuerung regulieren.

Aktuelle Studien befassen sich auch mit neuen Therapien, darunter medikamentösen Behandlungen, die darauf abzielen, das Fortschreiten der Erkrankung abzubremsen oder gar aufzuhalten. Innovative Forschungsansätze wie die Immunisierung gegen Alpha-Synuklein, die Gentherapie und die Verwendung von Stammzellen bieten vielversprechende Perspektiven und befinden sich im frühen Stadium der klinischen Prüfung an Patienten. Aktuelle Ansätze der Gentherapie fördern die Produktion von Nervenwachstumsfaktoren in den betroffenen Gehirnbereichen, um das Nervensterben abzumildern, während Stammzelltherapien darauf abzielen, verlorene Neuronen zu ersetzen.

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Antikörpertherapie

Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von Antikörpertherapien. Hier gibt es "erste Ergebnisse, die auf eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs hindeuten". So stünden derzeit insbesondere der monoklonale Antikörper Prasinezumab im Fokus der Forschung. Der Antikörper Prasinezumab richtet sich gegen Alpha-Synuclein. Die Hoffnung ist, dass das das Fortschreiten der Erkrankung bremst. Bislang seien die Studienergebnisse zu Prasinezumab vielversprechend, so Brockmann. Derzeit werde überlegt, ob eine Phase-3-Zulassungstudie geplant werde.

Im Herbst geht es in die heiße Phase einer neuen Studie. Patienten, die eine Veränderung in der Erbinformation haben, bekommen ein neues Medikament, das das krankmachende Eiweiß abfangen soll. Ziel ist es, dass mit einem Antikörper das schädliche Eiweiß im Gehirn abgefangen wird, damit es nicht mehr von Nervenzelle zu Nervenzelle wandert. Ab Herbst bekommen die Patienten diesen Antikörper über zwei Jahre. Dann werden die Daten alle ausgewertet. Die Hoffnung ist, dass wir in den nächsten fünf Jahren dieses Medikament auf dem Markt haben.

GLP-1-Rezeptoragonisten

Interessant für die Parkinson-Forschung sind zudem GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA), die neuroprotektive Wirkungen haben sollen. Der GLP-1-RA Exenatid habe in einer Phase-3-Studie allerdings keine signifikanten Vorteile hinsichtlich einer Krankheitsmodifikation bei Morbus Parkinson gezeigt, so Brockmann. Multizentrische klinische Studie hätten ergeben, dass der GLP-1-RA Lixisenatid das Fortschreiten der Parkinson-Symptome in einem geringen, aber statistisch signifikanten Umfang verlangsame.

Stammzellforschung

Anfang des Jahres wurde eine wissenschaftliche Sensation vermeldet: Stammzellen im menschlichen Gehirn entdeckt! Forscher wollen die Entdeckung nun nutzen, um neue Therapien gegen neurologische Erkrankungen zu entwickeln. Dazu gehört auch die Parkinson-Erkrankung. Man müsste Stammzellen des Gehirns, die noch keine spezifische Aufgabe übernommen haben, dazu bringen, sich in Dopamin-produzierende Zellen zu verwandeln. Dadurch könnte man die abgestorbenen Zellen im Gehirn von Parkinson-Patienten ersetzen und sicherstellen, dass wieder ausreichend Dopamin produziert wird.

In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt untersuchten sie die Funktion der Gene deshalb in Mäusen. Mit Erfolg: "Unsere wichtigsten Ergebnisse bestehen darin, dass wir bei Mäusen die Bildung von zusätzlichen Dopamin-produzierenden Nervenzellen durch das Einbringen zweier Gene erreichen konnten", fasst Projektleiter Professor Wolfgang Wurst zusammen. Die Gene tragen die Bauanleitung für zwei Eiweißmoleküle. Beide Moleküle aktivieren wichtige Schritte in dem Entwicklungsprozess, der aus einer Stammzelle eine Dopamin-produzierende Nervenzelle werden lässt. Als nächstes will Wurst untersuchen, ob die genetisch veränderten Mäuse vor der Parkinson-Krankheit geschützt sind.

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Frühzeitige Diagnose und Biomarker

Die Göttinger Neurologin Brit Mollenhauer sagte, die aktuellen Fortschritte machten die Entwicklung von Therapien, die die Krankheit verlangsamen oder sogar aufhalten, in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten realistisch. So gebe es auch deutliche Fortschritte bei der Entwicklung von Biomarkern, die den so wichtigen frühzeitigen Nachweis einer Erkrankung ermöglichten. Ein Durchbruch könnte die verlässliche Identifikation krankheitsauslösender Proteine im Nervenwasser, im Blut oder in der Haut sein.

Man sei inzwischen in der Lage, aus dem Nervenwasser von Parkinson-Patienten mit einer recht hohen Genauigkeit sagen zu können, ob der Patient die Erkrankung habe oder nicht - oder ob sie womöglich im Entstehen sei, erklärt die Medizinerin. Deshalb sei die frühe Diagnose wichtig. Je früher man in den Krankheitsverlauf eingreifen kann, desto besser ist das für den Patienten oder die Patientin. Denn, dass "Funktionen, die mal verloren gegangen sind, wieder zurückkommen, ist schwierig, weil Nervenzellen sich nicht wieder neu bilden", erläutert Neurologe Levin.

Nicht-motorische Symptome

Viele Menschen mit Parkinson leider aber auch an vielfältigen nicht-motorischen Beschwerden, die teilweise sogar den Bewegungsstörungen lange vorausgehen, wie etwa Ängste, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Sexualfunktionsstörungen oder Denkstörungen. Sie sind oft nicht ausreichend durch den Ausgleich des Dopaminmangels zu behandeln und erfordern zusätzliche Behandlungen anderer Neurotransmittersysteme, wie z.B. Serotonin, Acetylcholin oder Noradrenalin, um die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern.

Prävalenz und Zukunftsaussichten

Eine Studie im Fachblatt BMJ hatte vor wenigen Tagen prognostiziert, dass sich die Zahl der Parkinson-Erkrankten weltweit von 11,9 Millionen im Jahr 2021 bis 2050 mehr als verdoppeln könnte. Diskussionen gibt es um die Entwicklung der Prävalenz in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen berichtete ein Team des Robert-Koch-Instituts (RKI) auf Basis von AOK-Krankenkassendaten, dass die altersstandardisierte Parkinsonprävalenz in Deutschland zwischen 2017 und 2022 abgenommen habe. Es sei aber auch denkbar, dass ein verändertes Diagnose- und Kodierverhalten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Ursache sei. Prinzipiell könnte auch die COVID-19-Pandemie durch seltenere Kontakte mit dem Gesundheitswesen die diagnostizierte Prävalenz beeinflussen, so die RKI-Forschenden. Auf diesen Punkt wies auch Brockmann hin.

Trotz der Herausforderungen sehen Experten wie der Neurologe Prof. Günter Höglinger nach jahrzehntelanger Forschung einen positiven Trend: „Zwar ist es immer noch eine ernste Erkrankung, aber sie führt in vielen Fällen nicht zu einer Einschränkung der Lebenserwartung", sagt der Direktor der Neurologischen Klinik des LMU Klinikums München. Ein Grund: das erheblich verbesserte Wissen zu Parkinson-Diagnostik und Behandlung.

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