Drogenkonsum ist ein komplexes Thema, das weit über den gelegentlichen Gebrauch hinausgeht. Suchtmediziner Markus Salinger vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth betont, dass Alkohol ebenso eine Droge ist wie Kokain, Heroin oder Cannabis. Diese Substanzen haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Gehirn und können langfristige Schäden verursachen.
Wie Drogen das Gehirn beeinflussen
Drogen stören die Balance der Neurotransmitter im Gehirn, die für die Informationsübertragung zuständig sind. Alkohol beispielsweise hemmt bestimmte Glutamatrezeptoren, die für die Kommunikation der Nervenzellen, das Erinnerungsvermögen und das Lernen wichtig sind. Substanzen wie Kokain blockieren diese Rezeptoren. Gemeinsam ist allen Drogen, dass sie die Gehirnmasse verändern und das Gehirnvolumen verkleinern können.
Markus Salinger erklärt, dass Abhängige Drogen nutzen, um ihre Stimmung zu modellieren. Grundsätzlich verstärkt die Droge die Grundstimmung, in der sich jemand befindet. Wer also depressiv ist und trinkt, wird seine Depression dadurch nicht verbessern, sondern verstärken. Die Wirkung einer Droge kann von Person zu Person unterschiedlich sein.
Das Belohnungssystem und die Sucht
Drogen greifen in das Belohnungssystem des Gehirns ein, was dazu führt, dass man sich im ersten Moment besser oder zumindest so fühlt, wie man es gerne hätte. Dies führt dazu, dass man immer wieder zur Droge greift. Die Empfänglichkeit für Drogen hängt von den Lebensumständen ab und ist genetisch bedingt. Das Risiko, alkoholabhängig zu werden, ist um ein Drittel höher, wenn in der Familie bereits Alkoholabhängigkeit vorgekommen ist. Auch Belastungen wie die Corona-Pandemie können zu steigendem Alkoholmissbrauch führen.
Bei Jugendlichen verändern Drogen Wachstumsfaktoren im Gehirn und steuern beispielsweise die Plastizität. Junge Gehirne sind dafür besonders empfänglich. Je früher jemand Drogen konsumiert, desto größer sind die Probleme, die er haben wird. Allerdings können auch ältere Menschen noch stark abhängig werden.
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Alkohol als Nervengift
Die Behauptung, maßvoller Alkoholkonsum verlängere das Leben, ist widerlegt. Alkohol ist ein Nervengift. Jede Droge kann zu Veränderungen im Körper und im Gehirn führen. Das Ausmaß dieser Veränderungen hängt vom Gesundheitszustand des Einzelnen ab.
Hilfe und Unterstützung
Wer feststellt, dass er zu viel trinkt oder von einer Droge loskommen möchte, muss nicht sofort in die Klinik. Es gibt Suchthilfe- und ambulante Angebote sowie Selbsthilfegruppen, die eine gute Anlaufstelle sein können. Markus Salinger rät jedem, sich einen Maikäfer ins Gedächtnis zu rufen, um vor einem Missbrauch von Suchtmitteln gefeit zu sein. Der Maikäfer steht auf sechs Beinen, die für Beruf, Familie/Partnerschaft, Gesundheit, soziale Kontakte, Individualität/Hobbys und Glaube/Spiritualität stehen. Je ausgeglichener diese Bereiche sind, desto sicherer ist man vor einem Suchtmittelmissbrauch.
Sucht: Eine Krankheit des Gehirns
Die neuere Forschung betrachtet Sucht als eine körperliche Erkrankung, bei der das menschliche Gehirn im Zentrum steht. Fortschritte in den Neurowissenschaften haben Sucht als eine chronische Gehirnerkrankung mit starken genetischen, neuronalen und soziokulturellen Komponenten identifiziert. Es wird weiter erforscht, warum verschiedene Substanzen oder Verhaltensweisen unterschiedlich schnell süchtig machen oder warum manche Menschen schneller abhängig werden als andere.
Das Belohnungssystem im Fokus
Das Belohnungssystem ist ein weit verzweigtes Netz aus Hirnarealen und Neuronen, die wie in einem Schaltkreis zusammenwirken. Es dient eigentlich der Selbsterhaltung, kann aber dazu führen, dass wir von manchen Dingen nicht genug bekommen können. Dopamin ist der wichtigste Mitspieler im Belohnungssystem. Es ist ein Neurotransmitter, der für eine Vielzahl von lebensnotwendigen Steuerungs- und Regelungsvorgängen benötigt wird. Drogen und Suchtmittel aktivieren das Belohnungssystem durch Dopamin deutlich stärker als natürliche Belohnungen.
Das Suchtgedächtnis
Unser Gehirn speichert nicht nur schöne Urlaubserinnerungen, sondern auch, welche Stoffe oder Verhaltensweisen zu einer besonderen Belohnung geführt haben. Das Verlangen danach wird stärker, und das Vorderhirn wird dabei durch neuronale Anpassungsprozesse nachhaltig verändert. Das enge Zusammenspiel von Reizverarbeitung, Kognition, Gedächtnis und Emotion führt zu einem Suchtverhalten, das nach und nach erlernt wird und in ein nahezu automatisiertes Handlungsmuster münden kann.
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Folgen für Betroffene
Je häufiger Alkohol, illegale Drogen oder Glücksspiel als Problemlöser dienen, desto stärker verfestigen sich diese Verhaltensmuster. Gleichzeitig wird die suchterkrankte Person immer sensibler für Reize, die mit der Aufnahme bestimmter Suchtstoffe in Verbindung stehen (Trigger). Durch diese Trigger werden Suchterkrankte an das schöne Gefühl beim Konsum der Droge oder der Verhaltensweise erinnert und möchten dem Verlangen nachgeben. Beim Verzicht auf das Suchtmittel kann es zu Entzugserscheinungen kommen.
Therapie und Behandlung
Die Therapie einer Suchterkrankung ist abhängig von der Art der Sucht und der Ausprägung bei jedem Einzelnen. In der Regel wird anfangs eine körperliche Entgiftung unter medizinischer Aufsicht durchgeführt, um möglichen Komplikationen vorzubeugen. Bei der medizinischen Behandlung einer Drogenabhängigkeit kommen unter Umständen für einige Substanzen Ersatzstoffe in Frage, was den Beginn einer Therapie erleichtern kann. Ein wichtiges Ziel der Behandlung ist, neuen Lebensmut zu bekommen und dank neuer Strategien und Verhaltensmustern abstinent zu bleiben. Mögliche Therapien sind Beratung, Entgiftung, Entwöhnung, Psychotherapie, Selbsthilfegruppen und Medikamente.
Rückfall
Eine Suchterkrankung ist mit Blick auf das komplexe Suchtgedächtnis eine lebenslange Aufgabe. Ein Rückfall ist kein persönliches Versagen, sondern gehört vielmehr zum Wesen einer Sucht. Wichtig ist, jeden Rückfall zu bewerten und therapeutisch aufzuarbeiten, um die Abstinenz langfristig zu stabilisieren.
Spezifische Auswirkungen verschiedener Drogen
Alkohol
Alkohol ist ein Zellgift, das in hohen Mengen zum Absterben von Gehirnzellen führen kann. Regelmäßiger Konsum kann zu Hirnschädigungen und dem Korsakow-Syndrom führen, bei dem es zum Absterben ganzer Hirnregionen kommt.
Ecstasy
Ecstasy beeinflusst die Konzentration von Serotonin im Gehirn und kann zu gravierenden Hirnschäden führen, die sich als Gedächtnisprobleme äußern. Es kann auch die Blut-Hirn-Schranke schädigen.
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Cannabis
Der Konsum von Cannabis kann negative Effekte auf die Hirnleistung haben, insbesondere auf das Kurzzeitgedächtnis, das logische Denken und das Urteilsvermögen. Dauerhaft kann das Lernen neuer Informationen beeinträchtigt sein.
Amphetamin und Methamphetamin
Amphetamine können Nervenzellen schädigen. Methamphetamin (Crystal) ist besonders giftig und kann zu Konzentrationsschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hirnblutungen und Schlaganfällen führen.
Kokain
Kokain „manipuliert“ das Gehirn, indem es Botenstoffe freisetzt, die zunächst Wohlbefinden auslösen und so zur Sucht führen. Es kann das Risiko für Hirnblutungen und Schlaganfälle verfünffachen und den Alterungsprozess des Gehirns beschleunigen.
Die Rolle der neuronalen Verbindungen bei Sucht
Forschungen haben gezeigt, dass eine synaptische Verbindung zwischen dem orbitofrontalen Kortex (Entscheidungsfindung) und dem dorsalen Striatum (willkürliche Bewegungsabläufe und Belohnungssystem) eine wichtige Rolle bei zwanghaftem Verhalten bei Sucht spielt. Die Stärkung dieser Verbindung kann dazu führen, dass Menschen trotz negativer Konsequenzen ihren Drogenkonsum fortsetzen.