Die Neurologie befasst sich mit Erkrankungen des Nervensystems, einschließlich der Hirnnerven und des peripheren Nervensystems (PNS). Eine neurologische Untersuchung, durchgeführt von einem Neurologen, ist entscheidend, um neurologische Ausfälle und Funktionsabweichungen zu erkennen. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Überblick über den Ablauf, die Bedeutung und die Kosten einer solchen Untersuchung.
Was ist eine neurologische Untersuchung?
Die neurologische Untersuchung dient als Grundlage für die neurologische Diagnostik. Sie ermöglicht eine erste Einschätzung der Ursache und Lokalisation von Nervensystemerkrankungen, wie z.B. chronisch-entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) oder Stoffwechselstörungen der peripheren Nerven. Im Gegensatz zur psychiatrischen Untersuchung, die sich auf das Verhalten konzentriert, basiert die neurologische Untersuchung auf der objektiven Erfassung neurologischer Funktionen. Auffälligkeiten im Gehirn können jedoch auch Verhaltensänderungen verursachen.
Wann sollte man eine neurologische Untersuchung durchführen lassen?
Mögliche Hinweise auf eine neurologische Erkrankung sind vielfältig und können sich in unterschiedlichen Symptomen äußern:
- Taubheitsgefühl oder Lähmungserscheinungen: Diese können im Gesicht, in den Armen oder Beinen auftreten und auf eine Schädigung von Nervenbahnen hindeuten.
- Sehstörungen: Doppelbilder oder der Ausfall eines Teils des Gesichtsfeldes können auf Probleme mit den Hirnnerven oder den Sehzentren im Gehirn hinweisen.
- Kopfschmerzen: Insbesondere neuartige, sehr starke oder chronische Kopfschmerzen sollten neurologisch abgeklärt werden.
- Probleme mit Konzentration und Gedächtnis: Diese können Anzeichen für kognitive Beeinträchtigungen sein, die durch neurologische Erkrankungen verursacht werden.
- Veränderungen beim Sprechen: Schwierigkeiten, sich auszudrücken, Wörter zu finden oder undeutliches Sprechen können auf neurologische Ursachen zurückzuführen sein.
- Schwindel: Plötzlicher oder anhaltender Schwindel kann ein Symptom für verschiedene neurologische Störungen sein.
- Blasenprobleme: Inkontinenz oder ein starker Harndrang können in manchen Fällen neurologische Ursachen haben.
- Probleme mit Gleichgewicht und Koordination: Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten oder Bewegungen zu koordinieren, können auf Störungen des Nervensystems hindeuten.
- Muskelschwäche, steife Muskeln oder Muskelzucken: Diese Symptome können auf Erkrankungen der Muskeln oder der Nerven, die die Muskeln steuern, hinweisen.
- Zittern: Zittern einzelner Körperteile oder des ganzen Körpers kann ein Symptom für neurologische Erkrankungen wie Parkinson sein.
- Verwirrtheit, Schläfrigkeit: Diese Symptome können auf eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion hindeuten.
- Verhaltensänderungen: Plötzliche oder unerklärliche Verhaltensänderungen können neurologische Ursachen haben.
Ablauf der ersten neurologischen Untersuchung
Der erste Termin beim Neurologen folgt einem strukturierten Ablauf, um eine umfassende Beurteilung des Patienten zu gewährleisten.
1. Anamnese (Ärztliches Gespräch)
Am Anfang steht immer ein ausführliches Gespräch, die Anamnese. Der Neurologe erfasst die Krankheitsgeschichte des Patienten, einschließlich:
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- Aktuelle Beschwerden: Eine genaue Schilderung der Symptome, deren Beginn, Häufigkeit und Verlauf ist wichtig. Der Arzt fragt detailliert nach Art und Lokalisation der Beschwerden.
- Medizinische Vorgeschichte: Vorerkrankungen, Operationen, Allergien und aktuelle Medikamente werden erfasst.
- Familiäre Vorbelastung: Neurologische Erkrankungen in der Familie können Hinweise auf eine genetische Veranlagung geben.
Dieses Gespräch liefert wichtige Hinweise für die weitere Vorgehensweise und die Klärung der Diagnose.
2. Körperliche und neurologische Untersuchung
Nach der Anamnese folgt die körperliche und neurologische Untersuchung, die in verschiedene Bereiche unterteilt ist:
- Allgemeine Betrachtung (Inspektion): Der Neurologe achtet auf das Gangbild, die Körperhaltung und mögliche äußere Anzeichen einer Erkrankung.
- Kurze internistische Untersuchung: Abhören von Herz und Lunge sowie Messung des Pulses und des Blutdrucks.
- Untersuchung der Hirnnerven: Die Funktion der zwölf Hirnnerven wird überprüft. Jeder Hirnnerv hat eine spezifische Aufgabe, die durch Funktionstests untersucht wird.
- Riechnerv (Nervus olfactorius): Überprüfung des Geruchssinns mit verschiedenen Aromastoffen (z.B. Kaffee, Vanille, Zimt). Der Patient muss den Duftstoff von einer Leerprobe unterscheiden.
- Sehnerv (Nervus opticus): Überprüfung der Sehschärfe und des Gesichtsfelds. Der Patient muss Gegenstände oder Buchstaben aus einer bestimmten Entfernung erkennen. Die Pupillenreaktion wird überprüft, indem der Arzt mit einer Lampe in die Augen leuchtet.
- Augenbewegungsnerven (Nervus oculomotorius, Nervus trochlearis, Nervus abducens): Überprüfung der Augenbewegungen. Der Patient soll dem Finger des Arztes mit den Augen folgen können.
- Drillingsnerv (Nervus trigeminus): Überprüfung der Sensibilität im Gesicht und der Funktion der Kaumuskeln. Der Arzt streicht dem Patienten über das Gesicht und fragt, ob er die Berührung spürt.
- Gesichtsnerv (Nervus facialis): Überprüfung der Gesichtsmimik und des Geschmackssinns. Der Patient soll Grimassen schneiden, die Stirn runzeln und einen Kussmund machen.
- Hör- und Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibulocochlearis): Überprüfung des Hörvermögens und des Gleichgewichts. Der Arzt reibt die Finger in der Nähe der Ohren, um das Gehör zu überprüfen.
- Zungen- und Rachennerv (Nervus glossopharyngeus): Überprüfung des Schluckvermögens. Der Arzt inspiziert den Rachen.
- Vagusnerv (Nervus vagus): Der Arzt fragt nach Auffälligkeiten beim Herzschlag, beim Atmen oder der Verdauung.
- Akzessorischer Nerv (Nervus accessorius): Überprüfung der Funktion der Kopfmuskulatur. Der Arzt drückt die Schultern nach unten, während der Patient diese hochzieht.
- Unterzungennerv (Nervus hypoglossus): Überprüfung der Zungenbewegung. Der Patient streckt die Zunge heraus und bewegt sie zu allen Seiten.
- Prüfung der Reflexe: Reflexe sind unwillkürliche Reaktionen des Nervensystems auf einen Reiz. Die Untersuchung der Reflexe ist wichtig, um festzustellen, ob alle Teile der Nervenbahnen richtig arbeiten.
- Muskeleigenreflexe (Muskeldehnungsreflexe): Auslösung durch einen Reflexhammer (z.B. Patellarsehnenreflex, Achillessehnenreflex). Ein leichter Hammerschlag ist für die Dehnung der Kniesehne verantwortlich und dadurch auch für einen Rezeptor im Streckermuskel (Oberschenkelmuskel, Muskulus quadriceps). Ein Dehnungsrezeptor (Muskelspindel) erzeugt ein Aktionspotenzial. Das sensorische Neuron bildet bei einem monosynaptischen Schaltkreis Synapsen mit einem Motoneuron im Vorderhorn des Rückenmarks aus. Durch die Leitung eines Aktionspotenzials des Motoneurons an den Streckermuskel wird veranlasst, dass dieser sich kontrahiert. Eine postsynaptische Bahn, an der ein spinales Interneuron beteiligt ist, hemmt das Motoneuron des antagonistischen Muskels und behindert ein Feuern. Die Konsequenz ist die Streckung des Beines.
- Fremdreflexe: Reizort und Reizantwort betreffen verschiedene Strukturen (z.B. Bauchhautreflexe).
- Plantarreflex (Babinski-Reflex): Bestreichen der Fußsohle. Normalerweise krümmen sich die Zehen nach unten. Eine Aufwärtsbewegung des großen Zehs kann auf eine Störung hinweisen.
- Testung der Muskelkraft und der Bewegungsabläufe: Der Neurologe beurteilt den gesamten Bewegungsapparat und die Muskulatur.
- Passive Beweglichkeit: Der Arzt prüft passiv die Beweglichkeit der Gliedmaßen.
- Halteversuche: Arm- oder Beinhalteversuche, z.T. mit geschlossenen Augen, geben Aufschluss über latente Lähmungen.
- Feinmotorik: Überprüfung der Feinbeweglichkeit (z.B. Knöpfe schließen, Schreiben).
- Zielversuche: Der Patient muss z.B. im großen Bogen den Zeigefinger zur Nase führen (Finger-Nase-Versuch).
- Beobachtung des Stehens und Gehens: Der Arzt beobachtet, wie der Patient steht und geht, auch mit geschlossenen Augen.
- Sensibilitätsprüfung: Überprüfung des Schmerz-, Temperatur-, Druck- und Berührungsempfindens.
- Oberflächensensibilität: Reizung der Haut mit Zellstoff oder Watte zur Prüfung der Berührungsempfindung, mit spitzen Gegenständen zur Prüfung des Schmerzempfindens.
- Tiefensensibilität: Anhalten einer Stimmgabel an Knochenvorsprüngen.
- Untersuchung der vegetativen Funktionen: Beurteilung von Körperfunktionen, die der Mensch normalerweise nicht willentlich beeinflussen kann (z.B. Herzschlag, Atmung, Verdauung).
- Feststellung des psychischen Befundes: Beurteilung von Merkfähigkeit, Konzentration, Bewusstseinslage und Grundstimmung. Sprach- und Rechentests sowie Tests zur Merkfähigkeit und Orientierung können durchgeführt werden.
3. Weitere Untersuchungen
Je nach Beschwerdebild und den Ergebnissen der neurologischen Untersuchung kann der Neurologe weitere apparative Untersuchungen veranlassen, um die Diagnose zu sichern. Dazu gehören beispielsweise:
- Elektroenzephalographie (EEG): Messung der Hirnströme.
- Elektromyographie (EMG): Messung der Muskelaktivität.
- Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.
- Bildgebende Verfahren: Ultraschall der hirnversorgenden Gefäße, Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT).
- Laboruntersuchungen: Blut-, Urin- oder Nervenwasseruntersuchung.
4. Abschlussgespräch und Bericht
Nach Abschluss der Untersuchungen bespricht der Neurologe die Ergebnisse mit dem Patienten, stellt eine Diagnose und schlägt eine Therapie vor. Der Hausarzt oder der überweisende Arzt erhält einen ausführlichen schriftlichen Bericht.
Vorbereitung auf den ersten Termin
Eine spezielle Vorbereitung auf den ersten Termin beim Neurologen ist nicht erforderlich. Es ist jedoch hilfreich, folgende Dinge zu beachten:
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- Überweisung: In der Regel benötigen Sie eine Überweisung von Ihrem Hausarzt.
- Ärztliche Vorberichte: Bringen Sie alle relevanten ärztlichen Vorberichte und Laborbefunde mit.
- Medikamentenliste: Erstellen Sie eine Liste aller Medikamente, die Sie einnehmen.
- Befunde bildgebender Untersuchungen: Bringen Sie Befunde von CT- oder MRT-Untersuchungen mit (wenn möglich auf CD-ROM).
- Merkzettel: Notieren Sie sich Ihre persönlichen Fragen an den Arzt.
- Begleitperson: Wenn Sie sich unsicher fühlen, bringen Sie eine Person Ihres Vertrauens mit.
Kosten einer neurologischen Untersuchung
Liegt eine Begründung für eine neurologische Untersuchung vor, übernimmt die Krankenkasse die Kosten vollständig.
Spezialsprechstunden
Viele neurologische Kliniken bieten Spezialsprechstunden für bestimmte Erkrankungen an, wie z.B.:
- Bewegungsstörungen: Für Patienten mit Parkinson, Tremor oder Dystonie.
- Multiple Sklerose: Für Patienten mit Multipler Sklerose.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Für Patienten mit Muskelerkrankungen oder Erkrankungen der peripheren Nerven.
- Gedächtnisstörungen: Für Patienten mit Demenz oder anderen Gedächtnisstörungen.
- Schmerzsprechstunde: Für Patienten mit chronischen Schmerzen.
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