Küssen ist mehr als nur eine intime Geste; es ist ein komplexer biologischer und psychologischer Prozess, der eine Vielzahl von Reaktionen im Körper auslöst. Dieser Artikel beleuchtet, was beim Küssen im Gehirn und Körper vor sich geht, welche gesundheitlichen Vorteile es bietet und warum es uns glücklich macht.
Die Chemie des Glücks: Hormone im Rausch
Warum macht uns Küssen glücklich? Ein intensiver, leidenschaftlicher Kuss, insbesondere auf den Mund und idealerweise mit Zunge, ist mehr als nur ein Bussi auf die Wange. Er löst ein wahres Feuerwerk an chemischen Reaktionen aus. Die Lippen, mit ihrer dünnen Haut und der hohen Anzahl an Nervenzellen, senden intensive Botschaften ans Gehirn. Dieser "Neuro-Großalarm" führt zur Ausschüttung von Glückshormonen wie Dopamin und dem Kuschelhormon Oxytocin.
Dopamin, oft als Glücks- oder Antriebshormon bezeichnet, sorgt für ein Gefühl von Wohlbefinden und Motivation. Oxytocin, das auch Stress abbaut, stärkt die Bindung und kann sogar sexuelle Erregung auslösen. Gleichzeitig sinkt die Konzentration des Stresshormons Cortisol.
Sinneserlebnisse und Instinkte: Mehr als nur Berührung
Beim Küssen werden verschiedene Sinne aktiviert. Wir nehmen den Geschmack und Geruch des Partners wahr und prüfen unterbewusst, ob er zu uns passt. Es ist kein Zufall, dass wir sagen, wir können jemanden "gut riechen". Unsere natürlichen Instinkte spielen eine Rolle, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, und der Körper gerät in positiven Stress. Der erste intensive Kuss mit jemandem bleibt oft in Erinnerung, weil er ein prägendes Erlebnis ist.
Küssen und Gesundheit: Vorteile und Risiken
Küssen hat nicht nur positive Auswirkungen auf unsere Psyche, sondern kann auch unsere körperliche Gesundheit beeinflussen.
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Stärkung des Immunsystems
Küssen stärkt das Immunsystem, da es den Körper mit den Keimen des Partners konfrontiert. Dieser wechselseitige Austausch von Bakterien mobilisiert die körpereigenen Abwehrkräfte und wirkt wie eine Art Schluckimpfung. Bei einem zehnsekündigen Zungenkuss werden etwa 80 Millionen Bakterien ausgetauscht, meist harmlose. Durch diesen häufigen Bakterienaustausch kann sich die Zusammensetzung der oralen Mikroflora der Kusspartner angleichen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Küssen auch zur Übertragung von Infektionskrankheiten führen kann.
Fitness und Kalorienverbrauch
Ein Kuss braucht etwa 20 Kalorien pro Minute und beansprucht über 30 Gesichtsmuskeln. Küssen ist also ein kleines Fitnessprogramm für das Gesicht. Es regt Stoffwechsel und Blutzirkulation an, wodurch wir uns wacher und motivierter fühlen.
Stressabbau und Blutdrucksenkung
Leidenschaftliche Küsse lassen den Blutdruck steigen und den Puls in die Höhe treiben. Die Blutgefäße erweitern sich, sodass das Blut leichter zu den Körperorganen gelangt. Dies kann zu einer Senkung des Blutdrucks auf Normalwerte führen, was besonders für Menschen mit Bluthochdruck vorteilhaft ist. Küssen hilft uns, uns zu entspannen und Stress abzubauen.
Psychische Vorteile
Küssen stärkt die Bindung zu dem geliebten Menschen und vermittelt ein Gefühl der Zugehörigkeit. Es kann auch das Selbstwertgefühl steigern, da man sich geliebt und begehrt fühlt. Studien deuten darauf hin, dass Menschen, die sich morgens mit einem Kuss von ihrem Partner verabschieden, weniger Unfälle bauen und beruflich erfolgreicher sind. Wer oft küsst, lebt angeblich sogar länger.
Allergien: Mythos und Realität
Es gibt Hinweise darauf, dass Küssen bei Allergien helfen kann. Eine ältere japanische Studie zeigte, dass Heuschnupfenallergiker nach 30 Minuten Küssen weniger Pollen-Antikörper im Blut hatten. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Studie aufgrund der geringen Teilnehmerzahl begrenzt. Küssen kann nämlich durchaus das genaue Gegenteil bewirken und sogar allergische Reaktionen auslösen, zum Beispiel bei Erdnussallergikern. Selbst kleinste Spuren von Allergenen im Speichel können einen anaphylaktischen Schock auslösen.
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Die Rolle des Gehirns: Ein komplexes Netzwerk
Beim Küssen werden Milliarden von Nervenzellen aktiviert, die Botschaften an das Gehirn senden. Diese sensorischen Informationen werden in der Hirnrinde verarbeitet, insbesondere im somatosensorischen Cortex, wo die Körperoberfläche in einem "Homunkulus" repräsentiert ist. Die Lippen und das Gesicht nehmen in diesem Bereich einen überproportional großen Raum ein, was ihre hohe Sensibilität unterstreicht.
Die elektrischen Signale, die beim Küssen entstehen, rauschen über den Trigeminusnerv, der das Gesicht versorgt, direkt in die Medulla oblongata und von dort weiter ins limbische System, die Gefühlszentrale des Gehirns. Das limbische System ist entscheidend für die Verarbeitung von Emotionen und die Entstehung von Glücksgefühlen.
Küssen im Laufe der Geschichte und Kulturen
Es gibt Hinweise darauf, dass bereits vor mehr als 4.500 Jahren geküsst wurde. Eine Theorie besagt, dass Küssen aus der Mund-zu-Mund-Fütterung entstanden ist. Das Küssen aus Liebe ist aber nicht in allen Kulturen gleich verbreitet. Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Hektor Haarkötter von der Hochschule Bonn Rhein-Siegensagt, dass Küssen eher in den nördlichen Weltregionen verbreitet ist und besonders im indoeuropäischen Sprach- und Kulturraum beliebt war, anfangs jedoch eher zeremonieller Natur.
Die Bedeutung des ersten Kusses
Der erste Kuss ist oft der Beginn einer Romanze und kann den Grundstein für eine lebenslange Partnerschaft legen. Er gibt Aufschluss über Geruch, Geschmack, Gesundheitszustand und genetische Eignung des potenziellen Partners. Psychotherapeut Wolfgang Krüger beschreibt den Kuss als "die intimste Form der erotischen Annäherung, die uns zur Verfügung steht".
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