Was passiert im Gehirn während des Schlafs?

Der Schlaf ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, vergleichbar mit Essen und Trinken. Entgegen der landläufigen Meinung, dass der Körper im Schlaf in eine Art Energiesparmodus wechselt, ist das Gehirn während des Schlafs oft sogar aktiver als im Wachzustand. Doch was genau passiert in unserem Gehirn, während wir schlafen? Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Vorgänge, die sich während des Schlafs im Gehirn abspielen, von der Gedächtnisbildung bis zur "Müllabfuhr".

Der dynamische Prozess des Einschlafens

Der Übergang vom Wachzustand zum Schlaf ist ein dynamischer Prozess, an dem verschiedene Hirnareale beteiligt sind. Diese Hirnareale, die für unterschiedliche Funktionen zuständig sind, wie Bewegung, Sinneswahrnehmung und Bewusstsein, schalten nicht gleichzeitig in den Schlafmodus. Einige Hirnareale, die für unser Bewusstsein zuständig sind, gehen relativ rasch in den Schlafzustand über, während andere, die an der Gedächtnisbildung beteiligt sind, ebenfalls schnell "einschlafen".

Die Tatsache, dass wir den Einschlafprozess oft nicht bewusst wahrnehmen, liegt daran, dass Hirnareale, die an der Gedächtnisbildung beteiligt sind, relativ rasch "einschlafen". Dies ist vergleichbar mit dem Träumen, bei dem wir uns zwar eines Traums bewusst sind, uns aber nicht an die genauen Inhalte erinnern können.

Schlaf als "Off-Modus" mit lebenswichtigen Prozessen

Oberflächlich betrachtet scheint der Schlaf ein "Off-Modus" des Körpers zu sein, in dem Sinne, dass unsere Sinne eingeschränkt sind, wir kaum auf äußere Reize reagieren und unser Bewusstsein abwesend ist. In Wirklichkeit finden jedoch lebenswichtige Prozesse statt: Nervenzellen verknüpfen sich, Proteine werden aufgebaut und Hormone werden ausgeschüttet. Während des Schlafs laufen wichtige Wundheilungsprozesse ab, das Immunsystem stabilisiert sich und Zellen regenerieren sich.

Die Rolle des Schlafs für das Gehirn

Das Gehirn braucht den Schlaf, um sich zu regenerieren und neu zu sortieren. Die Eindrücke, Informationen und Bilder, die wir tagsüber sammeln, werden in der Nacht verarbeitet. Neue Gedächtnisinhalte werden gebildet und bestehende verfestigt. Das Gehirn trennt unwichtige von wichtigen Informationen und baut Abfallprodukte ab und transportiert sie ab.

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Das glymphatische System: Die "Müllabfuhr" des Gehirns

Das Gehirn verbraucht als zentrales Steuerungsorgan unseres Körpers sehr viel Energie. Dabei entstehen Stoffwechselprodukte, die abgebaut und abtransportiert werden müssen, um Schädigungen zu vermeiden. Das Gehirn verfügt über eigene Zelltypen, die für den Abtransport von Abbauprodukten zuständig sind. Das glymphatische System sorgt dafür, dass die Leerräume zwischen den Nerven- und Nervengewebszellen mit Liquor, dem Gehirnwasser, durchgespült werden, um Schadstoffe abzutransportieren. Es wird vermutet, dass das glymphatische System vor allem während des Schlafs aktiv ist.

Auswirkungen eines gestörten glymphatischen Systems

Ein gestörter Schlafrhythmus könnte dazu führen, dass das glymphatische System weniger gut arbeitet. Störungen des glymphatischen Systems im Gehirn könnten zur Entstehung von Krankheiten wie Migräne, Epilepsien oder Schlafstörungen (Insomnien) führen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine solche Störung möglicherweise die Entstehung der Alzheimer-Krankheit begünstigen könnte, da Beta-Amyloid-Proteine, die von dem glymphatischen System entsorgt werden, sich bei der Alzheimer-Krankheit gehäuft im Gehirn ablagern und die Kommunikation der Nervenzellen stören.

Schlafphasen und ihre Bedeutung

Der Schlaf gliedert sich in verschiedene Phasen, die sich in 90-minütigen Zyklen wiederholen:

  • Einschlafphase: Übergang vom Wachzustand zum Schlaf.
  • Leichte bis mittlere Schlafphasen: Vorbereitung auf den Tiefschlaf.
  • Tiefschlafphase: Intensivste Erholung und Erneuerung des Körpers. Atmung, Puls und Blutdruck sinken, die Muskeln sind locker. Das Gehirn schüttet vermehrt Wachstumshormone aus.
  • REM-Phase (Rapid Eye Movement): Das Gehirn ist ähnlich aktiv wie im Wachzustand. Die Augen bewegen sich ruckartig hin und her. Träume treten auf.

In der ersten Nachthälfte schlafen wir am tiefsten. Rund vier Stunden nach dem Einschlafen ist die Körpertemperatur am niedrigsten und der Melatoninstand am höchsten. In dieser Phase beginnt der Körper, Cortisol auszuschütten, ein Stresshormon, das als Wachmacher arbeitet.

Neuronale Netzwerke und Bewusstseinsverlust

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Veränderungen in zwei neuronalen Netzwerken dazu führen, dass Schlafende das Bewusstsein verlieren. Das "Default-Mode-Netzwerk" (DMN), das den Ruhezustand des Gehirns darstellt und der Selbstreflexion dient, und das ACN (anticorrelated network), das vor allem Außenreize verarbeitet, sind bei wachen Menschen eng aneinandergekoppelt. Im Schlaf entkoppeln sich diese Netzwerke, was zum Bewusstseinsverlust führt.

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Schlaf und synaptische Plastizität

Im Schlaf wird die allgemeine Aktivität der Synapsen, der Nervenzell-Verbindungen, reduziert. Die meisten Verbindungen werden geschwächt, manche sogar ganz abgebaut. Nur wichtige Synapsen bleiben bestehen oder werden gestärkt. Dadurch schafft das Gehirn wieder Platz, um neue Informationen zu speichern. Diese synaptische Plastizität ist eine wichtige Grundlage für Lernen und eine flexible Informationsverarbeitung.

Langsame Gehirnwellen und Gedächtnisbildung

Die langsamen Wellen im Tiefschlaf verstärken die Verbindungen zwischen den Nervenzellen in der Hirnrinde und unterstützen so die Gedächtnisbildung. Während der Spannungsschwankungen, die für langsame Wellen im Tiefschlaf typisch sind, sind die synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen der Hirnrinde maximal verstärkt. Die Hirnrinde ist in diesem Zustand besonders empfänglich für Informationen.

Die Rolle des Hippocampus

Der Hippocampus spielt eine zentrale Rolle bei der Gedächtnisbildung. Neue Erfahrungen werden kurzzeitig im Hippocampus gespeichert und anschließend während Ruhezeiten reaktiviert. Die Verbindungen in der Hirnrinde, die dem Langzeitgedächtnis zugrunde liegen, werden gestärkt.

Was passiert, wenn wir nicht genug schlafen?

Schlafentzug führt dazu, dass wir gereizt und emotional unausgeglichen reagieren. Die Aufmerksamkeit sowie die Fähigkeit, schnell zu reagieren und Probleme zu lösen, lassen nach. Es gibt Hinweise darauf, dass ein gestörter Schlafrhythmus dazu führen könnte, dass das glymphatische System weniger gut arbeitet. Chronische Schlafstörungen konnten mit Gehirnerkrankungen wie Schizophrenie, Autismus und Alzheimer in Verbindung gebracht werden.

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