Die bipolare Störung, auch manisch-depressive Erkrankung genannt, ist eine psychische Erkrankung, die durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist. Betroffene erleben Phasen von Depression und Phasen von Euphorie oder Reizbarkeit. Diese entgegengesetzten Stimmungen können den Alltag erheblich beeinträchtigen. Es wird geschätzt, dass etwa drei bis fünf Prozent der Menschen im Laufe ihres Lebens an einer bipolaren Störung erkranken.
Symptome der bipolaren Störung
Die bipolare Störung manifestiert sich in verschiedenen Episoden, die unterschiedliche Symptome aufweisen:
- Depressive Episoden: In dieser Phase erleben Betroffene gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit und Interessenverlust.
- Manische Episoden: Manische Phasen sind durch ungewöhnlich gehobene oder reizbare Stimmung, gesteigerte Aktivität und vermindertes Schlafbedürfnis gekennzeichnet. In schweren Fällen können psychotische Symptome wie Größenwahn oder Verfolgungswahn auftreten.
- Hypomanische Episoden: Hypomanie ist eine mildere Form der Manie, bei der die Symptome nicht so stark ausgeprägt sind und keine gravierenden sozialen Konsequenzen verursachen.
- Gemischte Episoden: In gemischten Episoden treten depressive und manische Symptome gleichzeitig auf, was zu schnellen Stimmungsschwankungen führen kann.
Ursachen der bipolaren Störung
Die genauen Ursachen der bipolaren Störung sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren eine Rolle spielt:
- Genetische Faktoren: Studien haben gezeigt, dass bei Verwandten ersten Grades von Patienten mit bipolaren Störungen solche Erkrankungen etwa sieben Mal häufiger auftreten. Wenn ein Elternteil erkrankt ist, besteht bei den Nachkommen eine Wahrscheinlichkeit von etwa 10 %, an derselben Störung zu erkranken. Sind beide Elternteile betroffen, liegt das Erkrankungsrisiko sogar bei etwa 40 bis 50 %. Leidet ein eineiiger Zwilling an einer bipolaren Störung, so ist sein Zwilling mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 60 % ebenfalls erkrankt. Eine bipolare Störung ist jedoch keine „Erbkrankheit“ im engeren Sinne, die nach den Mendelschen Regeln vererbt wird. Viele verschiedene Gene, die wohl vor allem auf den Chromosomen 18, 4 und 21 liegen und die wichtig sind für Noradrenalin, Serotonin sowie für die Plastizität des Nervensystems, scheinen zu dem Störungsbild beizutragen. Dabei muss man auch wissen, dass viele Menschen Veränderungen in diesen Genen aufweisen. Wenn jedoch bei einer Person viele solcher Gene verändert sind, dann besteht eine größere Disposition, an einer Bipolaren Störung zu erkranken. Die Betroffenen haben genetisch bedingt eine höhere Wahrscheinlichkeit, an der Störung zu erkranken, das nennt man genetische Vulnerabilität.
- Biologische Faktoren: Bei Patienten mit bipolaren Störungen wurden Veränderungen im Neurotransmitterhaushalt festgestellt. So besteht während einer Depression ein Mangel der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin, während bei einer Manie die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im Gehirn erhöht sind. Man nimmt an, dass bei Menschen mit einer bipolaren Störung die Konzentration der verschiedenen Neurotransmitter leichter aus dem Gleichgewicht gerät. Außerdem sind sie anfälliger dafür, dass biologische Rhythmen, etwa der Schlafrhythmus, durcheinander geraten. Eine Störung des Gleichgewichts verschiedener Transmitter ursächlich ist. Außerdem ist bei depressiven Menschen die Empfindlichkeit und Dichte der Rezeptoren verändert, auf die die Neurotransmitter einwirken.
- Umweltfaktoren: Belastende Lebensereignisse wie Stress, Traumata oder Verlusterlebnisse können eine bipolare Störung auslösen oder den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen. Zu den Umweltfaktoren gehören zum Beispiel negative Lebensereignisse, Stress, aber auch größere Lebensveränderungen.
- Psychosoziale Faktoren: Negative Einstellungen, eine schlechte Verarbeitung von Ereignissen oder der Missbrauch von Alkohol können die Erkrankung negativ beeinflussen. Als soziale Faktoren können sich zum Beispiel häufige Kritik oder Ablehnung ungünstig auf den Krankheitsverlauf auswirken. Auch eine ungeordnete Lebensführung, zum Beispiel ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus oder Phasen mit intensiver und weniger intensiver Arbeit, kann erneute Krankheitsphasen auslösen. Auf der anderen Seite gibt es auch Schutzfaktoren, die die Wahrscheinlichkeit für weitere Krankheitsphasen verringern können. Dazu gehören psychische Faktoren wie die Fähigkeit zur Stressbewältigung oder ein selbstverantwortlicher Umgang mit Medikamenten, aber auch soziale Faktoren, zum Beispiel eine stabile Partnerschaft oder die Unterstützung von Angehörigen.
Was passiert im Gehirn?
Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass bipolare Störungen Hirnerkrankungen sind. Durch bildgebende Verfahren wurde bei Betroffenen während einer Krankheitsepisode eine veränderte Aktivität des so genannten limbischen Systems im Gehirn festgestellt. Das limbische System ist für das Empfinden und Verarbeiten von Gefühlen mit verantwortlich.
Eine aktuelle Studie von Psychologen der Technischen Universität Dresden (TUD) hat ergeben, dass BD die ordnungsgemäße Gehirnentwicklung bei Jugendlichen beeinträchtigen kann und dass wiederholte Episoden den strukturellen Abbau des Gehirns beschleunigen können. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Beginn im Jugendalter mit spezifischen strukturellen Veränderungen des Gehirns verbunden ist. Diese strukturellen Veränderungen des Gehirns könnten sich aus einem Zusammenspiel zwischen Hirnreifungsprozessen und dem Ausbruch der bipolaren Störung ergeben.
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In einer systematischen Überprüfung konzentrierten sich Dr. Katharina Förster und ihr Team am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Verhaltensneurowissenschaften daher auf Ergebnisse von elf longitudinalen Bildgebungsstudien mit insgesamt 329 bipolaren Patienten und 277 gesunden Kontrollpersonen. Nach der Analyse dieser Studien zusammen wurden einige wichtige Beobachtungen gemacht. Erstens stellten sie eine positive Korrelation der Anzahl der Stimmungsepisoden bei erwachsenen Patienten mit dem Ausmaß des strukturellen Verlusts im Laufe der Zeit fest. Mit anderen Worten, je schwerwiegender BD bei einem Patienten ist, desto schneller altert sein Gehirn. Sie fanden auch heraus, dass Jugendliche mit BD eine verkümmerte Gehirnentwicklung erfahren. Während das Gehirnvolumen bei gesunden Jugendlichen zunehmen sollte, zeigten BD-Jugendliche im Laufe der Zeit ein stabiles oder sogar abnehmendes Gehirnvolumen. In der gesamten Stichprobe waren Rückfälle in manische oder depressive Episoden mit einem erhöhten Verlust an grauer Substanz, Gehirnvolumen und kortikaler Dicke verbunden. Während erwachsene Patienten im Vergleich zu gesunden erwachsenen Probanden einen erhöhten Rückgang der Hirnstruktur zeigten, zeigten Jugendliche mit bipolarer Störung im Vergleich zu gesunden Jugendlichen keine Zunahme der grauen Substanz, des Gehirnvolumens und der kortikalen Dicke.
Ein internationales Forschungsteam hat das Genom von über 150.000 Menschen mit bipolarer Störung untersucht. Insgesamt wurden in der Studie 298 Regionen des Genoms identifiziert, in denen genetische Varianten das Risiko für eine bipolare Störung erhöhen - 267 davon wurden in der aktuellen Ausführung der GWAS neu entdeckt. In den identifizierten Regionen stehen 36 konkrete Gene im Verdacht, für die bipolare Störung relevant zu sein.
Die Gehirnzellen von Patienten mit bipolarer Störung reagieren empfindlicher auf Reize als die Gehirnzellen anderer Menschen. Diese Hyperexzitabilität konnte in Stammzellexperimenten durch die Gabe von Lithium vermindert werden. Die im Labor durchgeführten Experimente zeigen, dass die Hirnzellen aller sechs Patienten auf eine äußere Reizung hin eine vermehrte elektrische Aktivität zeigen. Weitere Untersuchungen deuten auf Störungen in den Mitochondrien als mögliche Ursache hin. Die Hyperexzitabilität wurde vermindert, wenn die Forscher den Nährlösungen der Zellkulturen Lithium zugesetzt hatten.
Diagnose und Therapie
Die Diagnose einer bipolaren Störung wird in der Regel durch ein ausführliches psychotherapeutisches Gespräch gestellt. Dabei ist es hilfreich, Angehörige oder Freunde in die Diagnose mit einzubeziehen, um ein umfassendes Bild des Krankheitsverlaufs zu erhalten.
Die Therapie der bipolaren Störung ist sehr individuell und besteht im Wesentlichen aus einer medikamentösen Behandlung und Psychotherapie. Ziel der Akut-Therapie ist es, die Stimmung während einer Depression oder Manie zu stabilisieren. Anschließend folgt die Erhaltungs-Therapie, die darauf abzielt, die Phase zwischen den depressiven und manischen Episoden zu verlängern.
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Folgende Medikamentengruppen werden in der Regel eingesetzt:
- Stimmungsstabilisierer
- Antidepressiva
- Atypische Antipsychotika
Psychotherapeutische Verfahren gelten als sehr wirksam, insbesondere wenn sie die persönlichen Problemstellungen und Stärken der betreffenden Person berücksichtigen und ihre Angehörigen miteinbeziehen.
Leben mit bipolarer Störung
Für viele Betroffene ist ein normaler Alltag nicht möglich. Die bipolare Störung kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark belasten. Es ist wichtig, sich gut über die Erkrankung zu informieren und Unterstützung zu suchen. Selbsthilfegruppen für Angehörige bieten Unterstützung und Impulse, um mit den Herausforderungen der Erkrankung zurecht zu kommen.
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