Chronische Schmerzen, insbesondere chronische Nervenschmerzen, stellen eine erhebliche Herausforderung für Betroffene und das Gesundheitssystem dar. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität, führen zu körperlichen Einschränkungen, Schlafstörungen, Erschöpfung und psychischer Belastung und können die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von chronischen Nervenschmerzen und bietet einen umfassenden Überblick für Betroffene und Interessierte.
Was sind chronische Schmerzen?
Schmerzen werden im Allgemeinen als chronisch eingestuft, wenn sie länger als drei Monate anhalten oder nach einer Verletzung oder Gewebeschädigung bestehen bleiben, obwohl die Ursache abgeheilt ist. Akute Schmerzen hingegen sind Schmerzen, die wenige Tage bis Wochen, höchstens aber drei Monate anhalten und eine wichtige Schutzfunktion haben. Sie bewirken, dass man die Hand rasch zurückzieht, wenn man sich an einem Dorn sticht oder auf eine heiße Herdplatte fasst. Dies bewahrt den Körper vor einer größeren Verletzung. Chronische Schmerzen haben diese sinnvolle Funktion meist nicht.
Chronische Schmerzen können als Dauerschmerz bestehen oder auch wiederkehrend auftreten. Sie werden individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen und können durch soziale und psychische Faktoren beeinflusst werden. Menschen mit chronischen Schmerzen entwickeln häufiger Ängste, depressive Verstimmungen oder Schlafstörungen, was sich negativ auf das Schmerzempfinden und die Schmerzverarbeitung auswirken und die Schmerzen weiter verschlimmern kann.
Ursachen chronischer Schmerzen
Chronische Schmerzen können verschiedene Ursachen haben, darunter:
- Fehlfunktion des Nervensystems: Chronische Schmerzen können eine Folge von Fehlfunktionen im Nervensystem sein, bei denen die Nervenzellen überempfindlich werden.
- Gestörte Schmerzverarbeitung: Manchmal sind Schmerzen die Folge von Störungen der Schmerzverarbeitung im Gehirn. Solche Schmerzen sind oft unspezifisch - es gibt keine bekannte Ursache, die Auslöser sind vielfältig.
- Chronische Entzündungen: Bei manchen Erkrankungen richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Zellen und verursacht anhaltende Entzündungen, die zu chronischen Schmerzen führen können. Ein Beispiel hierfür ist die rheumatoide Arthritis.
Erkrankungen, die häufig mit chronischen Schmerzen einhergehen, sind zum Beispiel Arthrose, Rückenprobleme, rheumatoide Arthritis, Fibromyalgie und Diabetes mellitus.
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Grundsätzlich können verschiedene Ursachen verschiedene Arten von Schmerz erzeugen:
- Schmerz durch Reizung von Schmerzrezeptoren (nozizeptive Schmerzen): Nervenenden, die der Schmerzwahrnehmung dienen, vermitteln das Schmerzsignal. Solche Schmerzrezeptoren werden beispielsweise bei Verletzungen, Verbrennungen, Nierensteinen oder einem Herzinfarkt aktiviert.
- Entzündlicher Schmerz: Er ist Folge einer Entzündung im Gewebe, da Entzündungsbotenstoffe ebenfalls die Schmerzrezeptoren reizen. Auslöser sind Infektionen oder Autoimmunerkrankungen, bei denen Antikörper gegen körpereigene Zellen zu einer Entzündung führen.
- Neuropathischer Schmerz: Er resultiert aus einer direkten Schädigung der Nerven. Auslöser sind Verletzungen von Nerven, Schädigungen der Nervenwurzeln, Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Zellgifte wie Alkohol, oder viral bedingte Erkrankungen wie Gürtelrose.
- Zentraler Schmerz: Er entsteht durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Gehirn oder Rückenmark. Das Gehirn erzeugt dann eine Schmerzwahrnehmung, die sich von der ursprünglichen körperlichen Schmerzursache losgelöst hat. Eine Schmerzwahrnehmung kann auch entstehen, ohne dass ein körperlicher Schaden vorliegt. Zentrale Schmerzen treten beispielsweise auf bei Fibromyalgie, Reizdarm oder chronischen Schmerzen im Becken.
Neuropathische Schmerzen im Detail
Neuropathische Schmerzen, auch Nervenschmerzen genannt, sind eine spezielle Form chronischer Schmerzen, die durch Schädigungen oder Fehlfunktionen des Nervensystems entstehen. Im Gegensatz zu nozizeptiven Schmerzen, die durch Reizung von Schmerzrezeptoren entstehen, resultieren neuropathische Schmerzen aus einer Dysfunktion der Nerven selbst.
Ursachen neuropathischer Schmerzen
- Diabetes: Diabetes ist eine der häufigsten Ursachen für neuropathische Schmerzen, da der hohe Blutzuckerspiegel die peripheren Nerven schädigen kann (diabetische Neuropathie).
- Nervenverletzungen: Verletzungen durch Unfälle, Operationen oder Knochenschäden können Nerven dauerhaft schädigen.
- Infektionen: Einige Infektionen wie Herpes Zoster (Gürtelrose) können nach der Abheilung lang anhaltende, brennende Schmerzen hinterlassen (postherpetische Neuralgie).
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose, Schlaganfälle und Rückenmarksverletzungen können neuropathische Schmerzen hervorrufen.
- Tumore und Krebs: Tumore oder deren Behandlung können Nerven schädigen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann eine periphere Neuropathie verursachen.
- Genetische Erkrankungen: Einige genetische Störungen können neuropathische Schmerzen verursachen.
Symptome neuropathischer Schmerzen
Neuropathische Schmerzen äußern sich oft auf besondere Weise:
- Brennende oder stechende Schmerzen
- Elektrisierende Empfindungen
- Taubheit oder Kribbeln (Parästhesien)
- Überempfindlichkeit (Allodynie)
- Schmerzen bei Kälte oder Hitze
Diagnose neuropathischer Schmerzen
Die Diagnose neuropathischer Schmerzen erfolgt durch:
- Anamnese und klinische Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankheitsgeschichte und Symptome und führt neurologische Untersuchungen durch.
- Bildgebende Verfahren: MRT und CT können strukturelle Probleme im Nervensystem identifizieren.
- Elektrophysiologische Tests: Nervenleitgeschwindigkeitstests und Elektromyographie (EMG) messen die elektrische Aktivität in den Nerven und Muskeln.
- Labortests: Bluttests können Infektionen, Diabetes oder andere zugrunde liegende Ursachen aufdecken.
- Quantitativ Sensorische Testung (QST): Hierbei werden die betroffenen Areale des Patienten auf Wärme, Kälte, Druck, Vibration, Berührung und stumpfe Nadelreize getestet.
Faktoren, die chronische Schmerzen begünstigen
Es gibt einige Faktoren, die das Risiko für chronische Schmerzen erhöhen, darunter:
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- Psychische Belastungen wie Stress, Angst und Depressionen
- Soziale Isolation
- Bewegungsmangel
- Übergewicht
- Rauchen
Diagnose chronischer Schmerzen
Grundsätzlich ist es zunächst wichtig, die genaue Ursache für Schmerzen zu finden. Dazu dienen bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT). Auch bestimmte Blutwerte geben Hinweise auf die Ursache.
Manchmal werden Nervenblockaden oder Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit zur Diagnose eingesetzt.
Allerdings lässt sich selbst bei starken Schmerzen nicht immer ein Auslöser finden.
Für die Behandlung ist es wesentlich, die Schmerzen genau lokalisieren und einschätzen zu können. Dafür wird die Ärztin oder der Arzt gezielte Fragen stellen, zum Beispiel:
- Wann und wo sind die Schmerzen aufgetreten?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an?
- Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
- Wie wirken sich die Schmerzen auf Alltagsaktivitäten aus?
In einer körperlichen Untersuchung können Ärztinnen und Ärzte mögliche Einschränkungen der Körperfunktionen feststellen.
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Behandlungsmöglichkeiten chronischer Schmerzen
Die Behandlung chronischer Schmerzen ist oft komplex und erfordert einen multimodalen Ansatz, der sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Therapien umfasst. Ziel ist es, die Schmerzen zu lindern, die Funktionsfähigkeit zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
- Körperliche Aktivität und Bewegungsübungen: Durch Bewegung werden körpereigene Stoffe freigesetzt, die eine schmerzlindernde Wirkung haben. Außerdem regt Bewegung die Durchblutung und den Stoffwechsel an und sorgt dafür, dass Knochen und Knorpel ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden.
- Physiotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie: Diese Therapien können helfen, die Muskulatur zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren.
- Verhaltenstherapie, Training zur Stressbewältigung: Chronische Schmerzen können die Lebensqualität stark beeinträchtigen, und psychologische Unterstützung kann helfen, mit den Schmerzen besser umzugehen und das Schmerzempfinden zu reduzieren.
- Unterstützende Maßnahmen: Akupunktur, manuelle Therapie oder periphere Nervenstimulation können bei einigen Patienten Linderung verschaffen.
- Ernährungsberatung und Gewichtsabnahme: Eine ausgewogene Ernährung kann das allgemeine Wohlbefinden verbessern, insbesondere bei Erkrankungen wie Diabetes, die neuropathische Schmerzen verursachen. Gewichtsabnahme kann bei Übergewicht den Schmerz reduzieren oder begünstigen.
- Hilfsmittel: Gehhilfen, Schienen oder orthopädische Schuhe können bei schweren orthopädischen Beeinträchtigungen helfen.
- Entspannungsverfahren: Progressive Muskelrelaxation oder Wärme- und Kälteanwendungen können selbständig zu Hause durchgeführt werden.
Medikamentöse Therapien
- Lokale Schmerzmittel: Salben und Gele mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln können bei lokalen Schmerzen angewendet werden.
- Injektionen: Bei Gelenkschmerzen oder einem Bandscheibenvorfall können Schmerzmittel oder entzündungshemmendes Kortison auch mithilfe einer Spritze örtlich angewendet werden.
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva können die Schmerzempfindung beeinflussen, auch wenn keine Depression vorliegt.
- Epilepsie-Medikamente (Antiepileptika): Sie werden bei Nervenschmerzen angewendet, die bei einer Schädigung der Nerven entstehen.
- Muskelentspannende Medikamente: Sie kommen zum Einsatz, wenn Schmerzen im Zusammenhang mit Muskelverkrampfungen auftreten.
- Entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR): Ibuprofen oder Paracetamol sollten nur bei akutem Aufflackern der Schmerzsymptome eingenommen werden.
- Opioide: Starke Schmerzmittel wie Opioide sollten in den meisten Situationen nur vorübergehend eingenommen werden.
Neuromodulation
- Spinal Cord Stimulation (SCS): Bei dieser Methode wird ein Implantat in der Nähe des Rückenmarks platziert, das elektrische Impulse abgibt, die die Schmerzsignale blockieren.
- Periphere Nervenstimulation: Hierbei werden elektrische Impulse auf die betroffenen Nerven im peripheren Nervensystem angewandt, um die Schmerzsignale zu reduzieren.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Diese nicht-invasive Methode verwendet niederfrequente elektrische Impulse, um die Schmerzen zu lindern.
Alternative Therapien
- Akupunktur: Akupunktur kann bei einigen Patienten Linderung der neuropathischen Schmerzen bewirken.
- Entspannungstechniken: Progressive Muskelentspannung und Yoga können helfen, die Schmerzen zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.
- Ernährung und Gewichtskontrolle: Eine ausgewogene Ernährung kann das allgemeine Wohlbefinden verbessern, insbesondere bei Erkrankungen wie Diabetes, die neuropathische Schmerzen verursachen.
- Regelmäßige Bewegung: Ein moderates Training und Bewegung können helfen, die Muskeln zu stärken und die Nervenfunktion zu unterstützen.
- Schlafhygiene: Guter und erholsamer Schlaf ist wichtig, um Schmerzen und Überempfindlichkeit zu reduzieren.
Innovative Forschungsergebnisse
Jüngste Forschungsergebnisse haben neue Einblicke in die Entstehung chronischer Nervenschmerzen gegeben. Wissenschaftler haben entdeckt, dass fehlerhafte "Verschaltungen" der Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) zu einer bisher noch nicht untersuchten Form neuropathischer Schmerzen führen können. Diese treten erst im Zuge der Regeneration von Nervenverbindungen beim Ausheilen der Verletzung auf.
Die Ergebnisse zeigen, dass die chronischen Schmerzen nicht etwa durch die eigentliche Verletzung entstehen, sondern auf einer fehlerhaften Nervenregeneration sowie auf einer fehlerhaften Wiederherstellung der nervalen Versorgung, der sogenannten Reinnervation, beruhen. Die schmerzleitenden Fasern nehmen statt der sensorischen Fasern den Platz der gekappten Berührungssensoren in der Haut ein. Die Folge: Jeder taktile Reiz wirkt nun wie ein Schmerzreiz - selbst ein sanftes Streicheln oder das Gefühl von Kleidung auf der Haut kann dann Schmerzen verursachen.
Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft zu neuen Therapieansätzen führen, die auf die Regeneration der taktilen Fasern abzielen, um das Gleichgewicht zwischen Berührungs- und schmerzhaften Empfindungen wiederherzustellen.
Umgang mit chronischen Schmerzen im Alltag
Chronische Schmerzen erfordern eine langfristige Therapie. Oft werden sie zeitweise besser und flammen hin und wieder auf. Es kann hilfreich sein, besser zu verstehen, was bei chronischen Schmerzen im Körper passiert. Auch das berufliche und private Umfeld kann leichter Verständnis aufbringen, wenn es über die Mechanismen chronischer Schmerzen gut informiert ist.
Für Menschen mit chronischen Schmerzen ist es wichtig, zu erfahren, wie sie ihre Schmerzen selbst beeinflussen können. Wege zu einer guten Lebensqualität trotz Schmerz können ebenfalls hilfreich sein.
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