Das Gehirn ist ein komplexes System, in dem Informationen in Form von bioelektrischen Impulsen und chemischen Signalmolekülen übermittelt werden. Die Kommunikation zwischen Nervenzellen (Neuronen) erfolgt über Synapsen, wobei Neurotransmitter eine zentrale Rolle spielen. Diese Botenstoffe docken an spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche oder im Inneren der Zellen an und lösen so eine Reaktion aus. Rezeptoren sind spezialisierte Proteine, die als Signalübermittler fungieren und es dem Körper ermöglichen, auf seine Umwelt zu reagieren und wichtige biologische Prozesse zu regulieren.
Was sind Rezeptoren?
Rezeptoren sind Bestandteile von Zellen, die spezifische Signale oder Reize empfangen können. Sie befinden sich in Sinneszellen der Sinnesorgane sowie im Inneren oder auf der Oberfläche von Zellen, wo sie als Andockstellen für Hormone, Botenstoffe, Nährstoffe und Toxine dienen. Der Begriff "Rezeptor" leitet sich vom lateinischen Wort "recipere" ab, was "annehmen" bedeutet.
Wie funktionieren Rezeptoren?
Rezeptoren erkennen hauptsächlich spezifische Reize. Ein Botenstoff (Ligand) passt wie ein Schlüssel in den Rezeptor. Wenn das der Fall ist, bindet sich das Molekül an den Rezeptor, wodurch ein Signal in die Zelle übertragen und eine Reaktion ausgelöst wird. Die Reizstärke spielt dabei eine zentrale Rolle. Einige Rezeptoren reagieren bereits auf sehr schwache Reize, während andere eine höhere Reizstärke benötigen. Die Anzahl der Rezeptoren in einer Zelle kann ebenfalls die Reizstärke beeinflussen.
Arten von Rezeptoren
Es gibt verschiedene Arten von Rezeptoren, die sich in ihrer Struktur und Funktion unterscheiden:
- Zelloberflächenrezeptoren: Diese Rezeptoren befinden sich an der Oberfläche der Zellen und sind hauptsächlich dafür zuständig, Signale von außerhalb der Zelle zu empfangen.
- Intrazelluläre Rezeptoren: Diese Rezeptoren befinden sich im Inneren der Zelle und binden Moleküle, die die Zellmembran durchdringen können.
- Sensorische Rezeptoren: Diese Rezeptoren sind dafür zuständig, äußere Reize wahrzunehmen, beispielsweise in der Haut oder der Nase.
Neurotransmitter und ihre Rezeptoren
Die Funktionsweise der meisten Synapsen beruht auf biochemischer Signalübertragung mittels Neurotransmittern. Die Neurotransmitter werden präsynaptisch ausgeschüttet und docken postsynaptisch an spezifische Rezeptoren anderer Neuronen an, wo sie erregend oder hemmend wirken. Jeder Neurotransmitter definiert ein System - eine spezifische Maschinerie, die für Synthese, Ausschüttung, Wirkung, Wiederaufnahme und Abbau des Transmitters zuständig ist.
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Schnelle Kommunikation beruht in der Regel auf den Aminosäure-Neurotransmittern Glutamat, GABA oder Glycin, die Ionenkanäle in der Zelle aktivieren. Durch ihre längerfristige, das Gesamtsystem modulierende Wirkung haben auch Amin-Transmitter wie die „Glückshormone“ Serotonin und Dopamin herausragende Bedeutung.
Jeder Neurotransmitter hat seine eigenen, spezifischen Rezeptoren - und in der Regel viele verschiedene davon, die sogenannten Subtypen. Unterscheiden lassen sie sich in Laboruntersuchungen beispielsweise dadurch, wie sie auf andere chemische Verbindungen reagieren. So gibt es bei den Glutamatrezeptoren drei Subtypen. Einer davon lässt sich außer durch Glutamat auch durch eine als „AMPA“ bezeichnete Substanz aktivieren, ein anderer durch die Aminosäure NMDA und der dritte durch die so genannte Kainsäure. Solche Verbindungen, auf welche die Rezeptorsubtypen ansprechen, heißen auch Agonisten. Im Gegensatz dazu stehen die Antagonisten, die einen Rezeptor blockieren statt aktivieren.
Unterscheiden lassen sich Rezeptoren auch noch durch ihren Wirkmechanismus. Alle Glutamatrezeptoren etwa, ob nun AMPA-, NMDA- und Kainat-Rezeptor, öffnen bei Aktivierung direkt einen Ionenkanal in der postsynaptischen Membran (ionotrope Rezeptoren).
Die heute bekannten Neurotransmitter lassen sich großteils in drei Substanzklassen einordnen. Die drei häufigsten Transmitter Glutamat, GABA und Glycin sind Aminosäuren - kleine Bausteine von Eiweißmolekülen, wie sie im Körper überall vorhanden sind. Serotonin, Dopamin und weitere Transmitter gehören zu den Aminen, die durch enzymatische Reaktionen aus Aminosäuren gebildet werden. Die dritte Gruppe bilden die Neuropeptide, von denen bis heute mehr als 50 entdeckt wurden. Peptide sind kurze Kettenmoleküle aus Aminosäuren und können von der Zelle genau wie Proteine (lange Aminosäureketten) entsprechend genetisch codierter Baupläne synthetisiert werden.
Beispiele für Neurotransmitter und ihre Funktionen
- Acetylcholin: Spielt eine entscheidende Rolle im vegetativen Nervensystem sowie an der Schnittstelle zwischen motorischen Nerven und Skelettmuskulatur. Im Gehirn ist es an der Steuerung von Aufmerksamkeit und der Erregbarkeit des Gehirns während Schlaf- und Wachrhythmus beteiligt.
- Serotonin: Beeinflusst das Schmerzempfinden, Schlaf- und Wachrhythmus und den Gemütszustand. Ein Serotoninmangel kann zu depressiven Verstimmungen, Angst und Aggressionen führen. Viele Antidepressiva erhöhen gezielt die Menge verfügbaren Serotonins im Gehirn.
- Dopamin: Ist wichtig für die Steuerung willkürlicher Bewegungen und spielt eine wichtige Rolle bei der Motivation und dem Belohnungssystem. Degenerieren die dopaminergen Zellen, löst das die Parkinson-Krankheit aus.
NMDA-Rezeptoren
NMDA-Rezeptoren sind Ionenkanäle, die im Gehirn an zentralen Prozessen des Lernens und Denkens beteiligt sind. Sie können aus verschiedenen Untereinheiten gebildet werden, nämlich GluN1, GluN2A-D oder GluN3A-B, und werden über den wichtigsten erregenden Neurotransmitter Glutamat aktiviert. Ein funktioneller Kanal besteht aus zwei GluN1-Untereinheiten und zwei weiteren GluN2- oder GluN3-Untereinheiten. Jede dieser Untereinheiten setzt sich zusammen aus circa 900 bis 1400 einzelnen Aminosäuren; ein vollständiger NMDA-Rezeptor umfasst somit über 4000.
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Besonders die GluN2B-Untereinheit ist mit der Entstehung verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen verbunden, dazu zählen Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer. Durch eine erhöhte Ausschüttung von Glutamat kommt es zur verstärkten Aktivierung des Rezeptors, die wiederum eine erhöhte Calciumkonzentration und Absterben in den neuronalen Zellen (Exzitotoxizität) hervorruft. Dies reduziert die Anzahl an Neuronen, die Leistungsfähigkeit des Gehirns sinkt. Die erhöhte Freisetzung von Glutamat im Verlauf der Erkrankung rückt den NMDA-Rezeptor in das Zentrum der medikamentösen Therapie. So ist mit dem Medikament Memantin® bereits ein NMDA-Blocker zur Therapie der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Allerdings sind die Nebenwirkungen vielseitig, da Memantin® ohne Unterschied alle NMDA-Rezeptoren blockiert und nicht nur die mit GluN2B-Untereinheit. Eine selektive Inhibition könnte die Nebenwirkungen reduzieren.
Der erste Prototyp für einen solchen Inhibitor ist Ifenprodil (enthalten in Vadilex®), der bereits seit 1971 bekannt ist, als Mittel gegen Bluthochdruck. Erst deutlich später wurde nachgewiesen, dass der Arzneistoff nur NMDA-Rezeptoren mit GluN2B-Untereinheit hemmt.
Peptidhormonrezeptoren im Hypothalamus
Es gibt immer mehr Belege dafür, dass Peptidhormone aus dem Darm weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. Indem sie an entsprechende Rezeptoren im Gehirn binden, können sie unter anderem die Nahrungsaufnahme modulieren und Stoffwechselparameter verändern. Welche Rolle diese Peptidrezeptoren in kritischen Entwicklungsphasen spielen, ist bislang jedoch kaum erforscht.
Wissenschaftlerinnen der Nachwuchsgruppe Neuronale Schaltkreise am DIfE sind dieser Frage nachgegangen und haben die Expressionsmuster von Schlüsselrezeptoren im Hypothalamus der Maus untersucht. Der Hypothalamus ist eine Schlüsselregion im Gehirn, die den Stoffwechsel steuert. Es ist bereits bekannt, dass diese Gehirnregion während der Entwicklung durch Veränderungen in der mütterlichen Ernährung beeinflusst wird, insbesondere durch fett- und zuckerreiche Kost.
Untersuchte Rezeptoren und ihre Funktionen
Das Team um Dr. Rachel Lippert hat im Mausmodell drei Hauptrezeptoren für Peptidhormone aus dem Darm und ihre Regulierung im Hypothalamus während der ersten drei Lebenswochen untersucht. Diese Entwicklungsphase bei Mäusen entspricht in etwa dem letzten Trimester der Schwangerschaft im Zusammenhang mit der Gehirnentwicklung beim Menschen. Bei den untersuchten Rezeptoren handelte es sich um den Gastric inhibitory polypeptide receptor (GIPR), den Glucagon-like peptide-1 receptor (GLP1R) und den Cholecystokinin receptor 2 (CCK2R). Alle drei Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle bei der Glukosehomöostase, der Nahrungsaufnahme und der Energiebilanz.
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- Gastric inhibitory polypeptide receptor (GIPR): Wird in Bauchspeicheldrüse, Magen, Herz, Niere, Leber, Fettgewebe und Gehirn exprimiert. Er fungiert als Signalvermittler in der Darm-Hirn-Achse.
- Glucagon-like peptide-1 receptor (GLP1R): Wird in Bauchspeicheldrüse, Lunge, Magen, Herz, Niere und Gehirn exprimiert. Er ist an der Kontrolle des Blutzuckerspiegels beteiligt, indem er in der Bauchspeicheldrüse die Insulinfreisetzung stimuliert.
- Cholecystokinin receptor 2 (CCK2R): Ist im Gehirn, insbesondere im Hypothalamus, stark ausgeprägt. Er fungiert als Signalvermittler in der Darm-Hirn-Achse und ist an Verdauung, Emotionen und Gedächtnisregulation beteiligt.
Ergebnisse der Studie
Die Forscherinnen haben die Expressionsmuster der drei Rezeptoren im Hypothalamus von Mäusen während der ersten drei Lebenswochen untersucht. Entgegen der Erwartungen zeigte die GIPR-Expression einen signifikanten Abfall während der Entwicklung. Im Gegensatz dazu nahm die GLP1R-Expression während der frühen postnatalen Entwicklung stetig zu. Bei der Expression von CCK2R während der postnatalen Periode erkannten die Wissenschaftlerinnen ein geschlechtsspezifisches Muster. Während die CCK2R-Expression bei männlichen Mäusen im Laufe der Entwicklung signifikant anstieg, blieb sie bei weiblichen Mäusen nahezu konstant. Das deutet auf eine unterschiedliche Rolle dieses Rezeptors bei den Geschlechtern hin.
Die Wissenschaftlerinnen untersuchten auch die potenziellen Zusammenhänge zwischen der Rezeptorexpression und physiologischen Parametern wie Körpergewicht und Blutzuckerspiegel. Während sich beim Blutzuckerspiegel keine signifikanten Korrelationen nachweisen ließen, zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Rezeptorexpression und Körpergewicht.
Bedeutung der Ergebnisse
Diese umfassende Analyse macht deutlich, wie komplex das Zusammenspiel von Peptidhormonen aus dem Darm und ihren Rezeptoren während der Hirnentwicklung ist. Die Entdeckung der entwicklungsbedingten Dynamik dieser Rezeptoren ebnet den Weg für ein tieferes Verständnis, wie zirkulierende Darmhormone, die von der Mutter stammen, die Gehirnentwicklung des Nachwuchses beeinflussen. Zukünftig können die Erkenntnisse dazu beitragen, den Einfluss ungesunder Ernährungsweisen der Mutter auf die Zirkulation der Peptidhormone aus dem Darm auf das Wachstum und die Gehirnentwicklung des Nachwuchses zu untersuchen.
Rezeptoren und psychische Erkrankungen
Psychische Erkrankungen beruhen häufig auf Funktionsstörungen von Transmittersystemen und damit auf Veränderungen in der Aktivierung verschiedener Rezeptoren im Rezeptom. Das geht mit spezifischen Modulationen von Gehirnzuständen einher, die sich in subtilen Änderungen der Dynamik weitverzweigter neuronaler Netzwerke im Gehirn äußern können. Forschungen zielen darauf ab, neue Konzepte anzustoßen, um psychische Erkrankungen durch Biomarker besser diagnostizieren und gezielter behandeln zu können.
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