Was passiert, wenn Gehirnzellen sterben? Ein umfassender Überblick

Das Absterben von Gehirnzellen, auch Neuronen genannt, ist ein komplexer Prozess mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Mechanismen und Auswirkungen des neuronalen Zelltods und gibt Einblicke in aktuelle Forschungsansätze und mögliche Therapieansätze.

Die Anfälligkeit des Gehirns für Sauerstoffmangel

Das menschliche Gehirn ist äußerst empfindlich gegenüber Sauerstoffmangel. Wenn die Blutzufuhr, beispielsweise bei einem Herzstillstand, unterbrochen wird, kommt es bereits nach wenigen Minuten zu irreversiblen Schäden. Wissenschaftler haben in Studien am Menschen die Prozesse untersucht, die bei Sauerstoffentzug zu Hirnschäden führen.

Innerhalb von 20 bis 40 Sekunden nach Sauerstoffmangel schaltet das Gehirn in eine Art Energiesparmodus und stellt seine elektrische Aktivität ein. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen stoppt vollständig. Wenn die Energiereserven aufgebraucht sind, bricht das energieintensive Ionen- und Spannungsgefälle zwischen dem Inneren der Nervenzellen und ihrer Umgebung zusammen. Dies geschieht in Form einer massiven elektrochemischen Entladungswelle, die als Spreading Depolarization oder auch als "Tsunami" bezeichnet wird. Diese Welle breitet sich durch die Hirnrinde und andere Hirnstrukturen aus und löst Schadenskaskaden aus, die die Nervenzellen allmählich schädigen.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Welle bis zu einem bestimmten Zeitpunkt reversibel ist. Das bedeutet, dass sich die Nervenzellen vollständig erholen können, wenn die Durchblutung rechtzeitig wiederhergestellt wird. Wenn die Durchblutungsstörung jedoch länger andauert, sterben die Zellen ab.

Terminale Spreading Depolarization beim Menschen

In einer Beobachtungsstudie unter Verwendung moderner Neuromonitoring-Verfahren wurde gezeigt, dass es innerhalb weniger Minuten nach Kreislaufstillstand auch beim Menschen zur sogenannten terminalen Spreading Depolarization kommt. Diese terminale Spreading Depolarization ist bei Mensch und Tier vergleichbar.

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Ursachen und Folgen des neuronalen Zelltods

Der Verlust von Gehirnzellen kann verschiedene Ursachen haben, darunter:

  • Hypoxischer Hirnschaden: Sauerstoffmangel im Gehirn, z. B. nach einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Reanimation, führt zum Absterben von Gehirnzellen.
  • Schlaganfall: Eine plötzliche Störung der Blutzufuhr zum Gehirn, entweder durch einen Gefäßverschluss (ischämischer Schlaganfall) oder eine Hirnblutung (hämorrhagischer Schlaganfall), führt zu einer Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen und somit zum Absterben von Neuronen.
  • Traumatisches Hirnverletzung (SHT): Eine Verletzung des Gehirns durch traumatische Krafteinwirkung, z. B. durch Unfälle, kann zu direkten neuronalen Schäden und nachfolgendem Zelltod führen.
  • Neurodegenerative Erkrankungen: Eine Vielzahl von Krankheiten, bei denen nach und nach Neurone des zentralen Nervensystems (ZNS) absterben, z. B. Alzheimer, Parkinson, Chorea Huntington und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
  • Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die Myelinschicht angreift, die die Nervenzellaxone umgibt, was zu einer gestörten Signalweiterleitung und letztendlich zum Absterben der Axone führt.
  • Grüner Star (Glaukom): Eine Augenerkrankung, die zum Verlust von Nervenfasern im Sehnerv führt und bis zur Erblindung führen kann.

Die Folgen des neuronalen Zelltods sind vielfältig und hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung ab. Zu den möglichen Auswirkungen gehören:

  • Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnisprobleme, Verwirrung, Orientierungslosigkeit, Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, Planung und Organisation.
  • Motorische Störungen: Lähmungen, Schwäche, Koordinationsprobleme, Zittern.
  • Sprachstörungen: Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen oder Finden von Wörtern.
  • Sehstörungen: Gesichtsfeldausfälle, Erblindung.
  • Persönlichkeitsveränderungen: Veränderungen im Verhalten, der Stimmung oder der Persönlichkeit.
  • Demenz: Ein fortschreitender Verlust der geistigen Fähigkeiten.

Neurodegenerative Erkrankungen im Detail

Neurodegenerative Erkrankungen sind durch einen fortschreitenden Verlust von Neuronen im Gehirn oder Rückenmark gekennzeichnet. Obwohl die genauen Ursachen vieler dieser Erkrankungen noch nicht vollständig geklärt sind, wurden einige zelluläre Mechanismen identifiziert, die zum Zelltod beitragen. Dazu gehören:

  • Störungen der Proteinhomöostase: Ablagerungen von Proteinen wie Amyloid-beta und Tau bei Alzheimer, Synuclein bei Parkinson und Huntingtin bei Chorea Huntington.
  • Erhöhter oxidativer Stress: Ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion von freien Radikalen und der Fähigkeit des Körpers, diese zu neutralisieren, was zu Zellschäden führt.
  • Störungen der Mitochondrien: Fehlfunktionen der Mitochondrien, den "Kraftwerken" der Zelle, die für die Energieproduktion verantwortlich sind.
  • Entzündungsreaktionen: Chronische Entzündungen im Gehirn, die zur Schädigung von Neuronen beitragen können.

Alzheimer-Krankheit

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz und ist durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet. Typische Symptome sind Gedächtnisprobleme, Orientierungsschwierigkeiten und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer kommt es zu Ablagerungen von Amyloid-beta-Plaques und Tau-Fibrillen, die die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen.

Parkinson-Krankheit

Die Parkinson-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die vor allem motorische Funktionen beeinträchtigt. Sie ist durch den Verlust von dopaminproduzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra gekennzeichnet, einem Bereich des Gehirns, der für die Bewegungssteuerung wichtig ist. Typische Symptome sind Muskelzittern (Tremor), Steifheit, verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) und Haltungsinstabilität.

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Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die die Motoneurone betrifft, die für die Steuerung der Muskeln verantwortlich sind. Der Verlust dieser Neuronen führt zu Muskelschwäche, Muskelatrophie und schließlich zu Lähmungen.

Aktuelle Forschungsansätze und Therapieansätze

Die Forschung im Bereich des neuronalen Zelltods konzentriert sich auf verschiedene Ansätze, darunter:

  • Neuroprotektion: Entwicklung von Medikamenten und Therapien, die Nervenzellen vor Schäden schützen und ihr Überleben verlängern.
  • Regeneration: Förderung der Regeneration von geschädigten Nervenfasern und der Neubildung von Nervenzellen.
  • Symptomatische Behandlung: Linderung der Symptome von neurodegenerativen Erkrankungen und Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.
  • Früherkennung: Entwicklung von Methoden zur Früherkennung von neurodegenerativen Erkrankungen, um frühzeitig mit der Behandlung beginnen zu können.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Erforschung der Spreading Depolarization. Das Wissen um die Spreading Depolarization ist eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung ergänzender Behandlungsstrategien, die auf eine Verlängerung der Überlebenszeit von Nervenzellen während Durchblutungsstörungen des Hirns abzielen.

Darüber hinaus werden neue bildgebende Verfahren entwickelt, um verschiedene Zelltypen und Mechanismen in Echtzeit während eines Schlaganfalls zu überwachen, sowohl in Zellkulturen und Organoiden als auch im lebenden Gehirn.

Die Bedeutung der Prävention

Da die Schädigung von Nervenzellen oft irreversibel ist, ist die Prävention von großer Bedeutung. Zu den Maßnahmen, die das Risiko des neuronalen Zelltods verringern können, gehören:

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  • Kontrolle von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes, hohen Cholesterinwerten und Übergewicht.
  • Rauchverzicht: Rauchen erhöht das Risiko für Schlaganfall und andere Hirnerkrankungen.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann das Gehirn schützen.
  • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität fördert die Durchblutung des Gehirns und kann das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen verringern.
  • Vermeidung von Kopfverletzungen: Tragen eines Helms bei Aktivitäten mit Verletzungsrisiko.

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