Inkontinenz nach Schlaganfall: Was Sie wissen und tun können

Ein Schlaganfall kann eine Vielzahl von gesundheitlichen Problemen verursachen, darunter auch Inkontinenz. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Inkontinenz nach einem Schlaganfall, um Betroffenen und ihren Angehörigen ein umfassendes Verständnis dieser oft übersehenen Folgeerkrankung zu vermitteln.

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall, auch Apoplex oder Apoplexie genannt, ist eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn. In etwa 80 Prozent der Fälle ist eine Mangeldurchblutung die Ursache, bei der ein Blutgerinnsel ein Gefäß verschließt. In den übrigen 20 Prozent der Fälle kommt es zu einer Hirnblutung durch ein geplatztes Gefäß. In beiden Fällen werden Nervenzellen geschädigt oder sterben ab, was zu einem Funktionsverlust des Gehirns führt.

Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind unter anderem Bluthochdruck, erhöhter Blutfettspiegel, Diabetes mellitus, Übergewicht und Bewegungsmangel. Mit zunehmendem Alter steigt das Schlaganfallrisiko.

Wie äußert sich Inkontinenz nach einem Schlaganfall?

Fast jeder zweite Schlaganfallpatient leidet unmittelbar nach dem Ereignis an Harninkontinenz. Symptome der Harninkontinenz sind der unwillkürliche Verlust von Harn (Urin), ein starker Drang zum Wasserlassen (Dranginkontinenz) oder der Abgang von Harn beim Lachen oder Niesen (Stressinkontinenz). Diese Symptome können bei Schlaganfallpatienten ausgeprägter sein als bei anderen Menschen mit Harninkontinenz und führen oft zu Schamgefühlen, psychischem Stress und einer Beeinträchtigung der Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen. Harninkontinenz kann das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und Depressionen begünstigen.

Ursachen von Inkontinenz nach Schlaganfall

Die Inkontinenz nach einem Schlaganfall kann verschiedene Ursachen haben:

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  • Nervale Fehlsteuerung: Schäden im zentralen Nervensystem, die durch den Schlaganfall verursacht werden, können die Funktion von Blase und Schließmuskel beeinträchtigen. Das Gehirn, als zentrale Steuer- und Kontrolleinheit für die Blasenentleerung, ist in seiner Funktion beeinträchtigt.
  • Überaktive Blase: Durch den Ausfall der hemmenden Wirkung des Gehirns kann es zu einer Überaktivität des Blasenentleerungsmuskels (Detrusor) kommen, was zu häufigem und zwanghaftem Wasserlassen führt.
  • Harnverhalt: In der Frühphase nach dem Schlaganfall kann es zu Harnverhalt und einer Überdehnung der Blase kommen, was sich zu einer Dranginkontinenz entwickeln kann.
  • Kognitive Einschränkungen: Sprachliche und kognitive Einschränkungen können eine funktionelle Inkontinenz bei eigentlich erhaltener Blasenfunktion auslösen.
  • Weitere Faktoren: Neuropathien, Harnwegsinfektionen und Nebenwirkungen von Medikamenten können ebenfalls zum Einnässen beitragen. Der mit dem Schlaganfall verbundene Stress kann bestehende Kontinenzprobleme verschlimmern.

Diagnose der neurogenen Blase

Die Diagnostik der neurogenen Blase untersucht die Art der Fehlfunktion von Blase und Schließmuskel, die Funktion von Nieren und Harnleiter sowie die zugrunde liegende neurologische Erkrankung. An der Urologischen Uniklinik Heidelberg wird die Diagnostik der neurogenen Blase gemeinsam mit den Kollegen der Unikliniken für Orthopädie, Neurologie, Nuklearmedizin und Radiologie durchgeführt. Für die genaue Evaluation der Fehlfunktionen von Blase und Schließmuskel selbst wird ein Computer-Video-urodynamischer Meßplatz in Verbindung mit einer digitalen Röntgenanlage verwendet. Mit dieser Einrichtung können zahlreiche Funktionsparameter von Blase und Schließmuskel computerisiert erfasst werden, während die Strahlenbelastung durch das digitale Röntgen auf ein absolutes Minimum reduziert wird.

Behandlungsmöglichkeiten bei Inkontinenz nach Schlaganfall

Es gibt verschiedene Behandlungsansätze, um die Inkontinenz nach einem Schlaganfall zu verbessern oder zu beheben:

  • Blasenkatheter: In der Akutphase wird oft ein Blasenkatheter eingesetzt, um die Blase zu entleeren und eine Überdehnung zu verhindern. Um zu verhindern, dass sich die Blase an die passive Ableitung des Urins über einen Katheter „gewöhnt“, sollte frühzeitig mit einem Blasentraining begonnen werden.
  • Blasentraining: Ziel des Blasentrainings ist es, die Kontrolle über die Blasenmuskulatur wiederzuerlangen und die Blasenkapazität zu erhöhen. Dies kann durch ein Toilettentraining und später durch ein aktives Miktionstraining erreicht werden.
  • Einmalkatheterismus: Dieses Verfahren ermöglicht es dem Patienten, die Blase regelmäßig selbstständig zu entleeren.
  • Medikamentöse Therapie: Medikamente wie Anticholinergika können eingesetzt werden, um die Überaktivität der Blase zu hemmen. Allerdings ist bei Schlaganfallpatienten Vorsicht geboten, da diese Medikamente Auswirkungen auf das Gehirn haben können.
  • Konservative Behandlungsformen: Einleitung von konservativen Behandlungsformen wie z.B. Einmalkatheterismus, Pharmakotherapie, Blaseninstillation mit Resiniferatoxin (RTX) und äußerer Elektrostimulation.
  • Gering invasive Therapien: Gering invasive Therapien umfassen z.B. die Einspritzung von Botulinum Toxin (Botox) in die Muskulatur der Blase und die Implantation von unterschiedlichen Blasenschrittmachern (Neurostimulatoren).
  • Operationen: Im Rahmen von größeren Operationen ist es schließlich auch möglich eine anders nicht mehr zu behandelnde neurogene Blase durch eine neu angelegte Blase aus Darm zu ersetzen (Darmersatzblase).
  • Beckenbodentraining: Physiotherapeutische Maßnahmen und gezieltes Beckenbodentraining können helfen, die Muskulatur zu stärken und die Kontinenz zu verbessern.
  • Verhaltenstherapie: Funktion und der Kommunikation können die Verhaltenstherapie erschweren.
  • Hilfsmittel: Inkontinenzvorlagen und andere Hilfsmittel können den Alltag erleichtern und die Lebensqualität verbessern.

Die Rolle der Rehabilitation

Die Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle bei der Behandlung von Inkontinenz nach einem Schlaganfall. Ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten arbeitet gemeinsam daran, die Blasenfunktion wiederherzustellen und den Patienten zu helfen, mit der Inkontinenz umzugehen.

Alltagsprobleme und Lösungsansätze

Die Inkontinenz nach einem Schlaganfall kann den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig, offen über das Problem zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Angehörige können eine wichtige Stütze sein, indem sie Verständnis zeigen und bei der Bewältigung des Alltags helfen.

Eine Betroffene schildert ihre Erfahrungen mit der Inkontinenz ihres Mannes nach einem Schlaganfall. Sie berichtet von Schwierigkeiten bei der Versorgung mit einem Blasenkatheter, wiederholten Harnwegsinfekten und der mangelnden Unterstützung durch das Reha-Personal. Durch ihr Engagement und ihre Hartnäckigkeit konnte sie erreichen, dass ihr Mann wieder auf natürlichem Wege Wasser lassen konnte. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig die Eigeninitiative der Betroffenen und ihrer Angehörigen ist, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.

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Stuhlinkontinenz nach Schlaganfall

Neben der Harninkontinenz kann es nach einem Schlaganfall auch zu Stuhlinkontinenz kommen. Ursachen hierfür können eine Schädigung der Nerven, die den Darm steuern, sowie eine Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten sein. Die Behandlung der Stuhlinkontinenz umfasst in der Regel eine Anpassung der Ernährung, ein Toilettentraining und gegebenenfalls Medikamente oder operative Maßnahmen.

Wer ist der richtige Ansprechpartner?

Nach der Reha ist es wichtig, einen kompetenten Ansprechpartner für die weitere Behandlung der Inkontinenz zu haben. Dies kann ein Urologe, ein Neurologe oder ein Geriater sein. Auch eine Kontinenzberatungsstelle kann eine wertvolle Anlaufstelle sein.

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