Weizenkeime und ihre Rolle bei Demenz: Aktuelle Studien und Erkenntnisse

Einführung

Die Suche nach Wegen zur Prävention und Behandlung von Demenzerkrankungen ist ein wichtiges Anliegen unserer alternden Gesellschaft. Dabei rücken zunehmend natürliche Substanzen in den Fokus, die potenziell positive Auswirkungen auf die Gehirnfunktion haben könnten. Eine dieser Substanzen ist Spermidin, ein sogenanntes Polyamin, das in verschiedenen Lebensmitteln vorkommt, insbesondere in Weizenkeimen. Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Studien und Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Weizenkeimen, Spermidin und Demenz.

Was ist Spermidin und warum ist es interessant für die Demenzforschung?

Spermidin ist ein Botenstoff, der in allen Zellen unseres Körpers vorkommt und auch von ihnen gebildet wird. Außerdem wird es vom Mikrobiom des Darms, also den Darmbakterien, gebildet. Spermidin wird auch mit der Nahrung aufgenommen. Es erfüllt wichtige Aufgaben in der menschlichen Zelle. Für die Wissenschaft besonders interessant ist, dass Spermidin die zelluläre Autophagie auslösen kann - ein Prozess, bei dem Zellen aufgeräumt werden und so genannter Zellschrott abgebaut und verwertet wird. Neben Krankheitserregern und nicht mehr funktionalen Zellbestandteilen gehören dazu auch fehlgefaltete Proteine, die für die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer verantwortlich sind. Spermidin kann diese Aufräumprozesse in Gang setzen und schützt damit die Zellen vor schädlichen Ansammlungen.

Mit zunehmendem Alter produzieren die Zellen weniger Spermidin und auch das Mikrobiom im Darm liefert weniger Spermidin. Daher rückt die Idee in den Vordergrund, Spermidin über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel zuzuführen, um potenziell altersbedingten Abbauprozessen im Gehirn entgegenzuwirken.

Studienlage: Spermidin und kognitive Funktion

Mehrere Studien haben die Auswirkungen von spermidinreicher Nahrung auf die kognitive Funktion bei älteren Erwachsenen untersucht.

  • Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-IIb-Studie untersuchte ältere Menschen mit subjektivem kognitiven Abbau. Über 12 Monate erhielten die Teilnehmer entweder eine spermidinreiche Diät oder ein Placebo. Ziel war es, die Auswirkungen von Spermidin auf das Gedächtnis und andere kognitive Funktionen zu untersuchen.
  • Eine andere Studie untersuchte ältere Erwachsene mit verschiedenen Graden von Demenz. Die Teilnehmer wurden in Gruppen mit hoher und niedriger Spermidinaufnahme eingeteilt.
  • Eine weitere Forschung zeigte, dass die Supplementierung mit spermidinreichem Pflanzenextrakt bei älteren Erwachsenen mit subjektivem kognitiven Abbau sicher und gut verträglich ist.
  • Eine Studie untersuchte die Verbindung zwischen der diätetischen Spermidinaufnahme und strukturellen Gehirnmaßen bei älteren Erwachsenen.

Diese Studien deuten darauf hin, dass Spermidin potenziell positive Auswirkungen auf die kognitive Funktion haben könnte, insbesondere bei älteren Menschen mit Gedächtnisproblemen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Forschungslage noch nicht abschließend ist und weitere Studien erforderlich sind, um diese Ergebnisse zu bestätigen und die optimale Dosierung und Anwendungsdauer zu bestimmen.

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Die "SmartAge"-Studie: Spermidin aus Weizenkeimen im Fokus

An der Charité in Berlin wird derzeit die "SmartAge"-Studie unter der Leitung von Professor Agnes Flöel durchgeführt. In dieser Studie wird die Wirkung einer zwölfmonatigen Gabe von natürlichem Spermidin aus Weizenkeimen auf Lernen und Gedächtnis sowie auf die Struktur des Gehirns untersucht. An der Studie nehmen ältere, noch gesunde Menschen teil, deren Gedächtnis sich nach eigener Einschätzung verschlechtert hat. Die Ergebnisse dieser Studie werden wichtige Erkenntnisse darüber liefern, ob Spermidin aus Weizenkeimen tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Gehirnfunktion hat.

Weizenkeime als Spermidin-Quelle: Was steckt drin?

Weizenkeime sind kleine Bestandteile des reifen Weizenkorns, die nur einen minimalen Teil des Korns ausmachen. Sie entstehen im Zuge der Weizenmehlherstellung. Bei der Produktion des feinen Mehls werden diese in der Mühle vom restlichen Korn abgetrennt.

Weizenkeime gelten im Vergleich zu Avocado & Co. als heimische Superfood-Alternative. Sie stehen am Speiseplan von gesundheitsbewussten Personen ganz oben. Auch wenn die Keime nur einen minimalen Teil des Korns ausmachen: Sie enthalten mehr Nährstoffe als das restliche Weizenkorn selbst.

Weizenkeime sind ein wahres Superfood: In den Keimen findet sich die geballte Kraft an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Sie können ideal in die tägliche Ernährung integriert werden und sorgen für die Extraportion Protein am Teller - dabei ist wichtig, die Keime nicht zu erhitzen oder zu kochen, da sonst wertvolle Nährstoffe verloren gehen.

Besonders an Weizenkeimen ist das enthaltenen Octacosanol. Es fungiert als natürliches Antioxidans und leistet einen Beitrag als pflanzliches Hilfsmittel zur Senkung des Cholesterinspiegels. Zudem sind Weizenkeime reich an Vitamin E - gemessen am Gewicht besitzen sie sogar die höchste prozentuale Menge des Vitamins. Dieses liegt in den Keimen in seiner biologisch wertvollsten Form vor.

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Weizenkeime gelten als Lebensmittel mit dem höchsten Spermidingehalt.

Spermidin in der Ernährung: Weitere Quellen und Empfehlungen

Spermidin ist in verschiedenen Lebensmitteln enthalten. Besonders gute Spermidin-Lieferanten sind:

  • Weizenkeimlinge mit 300 mg/kg
  • Pilze (Kräuterseitlinge, Champignons) mit 80 mg/kg
  • Gereifter Käse mit 10-80 mg/kg
  • Erbsen mit 56 mg/kg
  • Broccoli und Blumenkohl (gekocht) mit 27 mg/kg
  • Äpfel und Birnen mit 2,4 mg/kg

Unser Körper ist mit einer Tagesdosis von 5 mg Spermidin gut versorgt, diese kann bereits mit relativ kleinen Portionen der oben genannten Lebensmittel gut erreicht werden.

Spermidin als Kalorienreduktions-Mimetikum

Spermidin zählt zu den sogenannten Kalorienreduktions-Mimetika. „Das sind Substanzen, die Effekte des Fastens nachahmen. Der Körper produziert sie beim Abnehmen, man kann sie aber auch mit der Nahrung aufnehmen“, erklärt Flöel. Bisher wurden einige Mimetika wie Resveratrol und Epigallocatechingallat wissenschaftlich untersucht. „Für Resveratrol konnten wir positive Effekte auf die Gedächtnisleistung nachweisen, andere Gruppen fanden Auswirkungen auf die Durchblutung des Gehirns“, sagt Flöel.

Wichtige Hinweise zur Einnahme von Spermidin

Da es bislang nur erste Studien an Tieren gibt und es noch unklar ist, welche Dosis für eine positive Wirkung bei Menschen notwendig ist und ob die Einnahme von zu viel Spermidin gefährlich sein kann, sollte man beim Thema Spermidin-Supplementierung vorsichtig sein.

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Gesundheitsbezogene Werbeaussagen für Spermidin sind derzeit nicht zugelassen, was insbesondere Anbieter in Online-Shops oder auf Online-Marktplätzen wie Amazon, Hood oder Ebay häufig ignorieren. Ein Nutzen durch die Einnahme spermidinhaltiger Nahrungsergänzungsmittel für gesunde Personen konnte bisher in keiner Studie am Menschen belegt werden. Ob und was die regelmäßige Einnahme von Spermidin-Kapseln für die Gesundheit und die Lebenserwartung bringt, ist nicht erforscht. Bisher durchgeführte Studien sprechen eher gegen eine Anti-Demenz-Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Spermidin.

Ein bestimmter Weizenkeimextrakt mit Spermidin ist als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) zugelassen und darf unter der Bezeichnung "Weizenkeimextrakt mit hohem Spermidingehalt" in Nahrungsergänzungsmitteln für Erwachsene (Schwangere und Stillende ausgenommen) verkauft werden. Die erlaubte Höchstmenge an Spermidin liegt bei 6 Milligramm pro Tag.

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