Arten von Sklerose: Ein umfassender Überblick über Verlaufsformen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata (ED) genannt, ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die Gehirn und Rückenmark betrifft. Sie wird oft als die "Krankheit der 1000 Gesichter" bezeichnet, da sie je nach betroffenem Hirnareal unterschiedliche Verlaufsformen und Symptome aufweisen kann. Die Ursachen für MS sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird von einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren ausgegangen, darunter genetische Veranlagung, Virusinfektionen, Vitamin-D-Mangel und Rauchen. Frauen sind etwa 2-3 Mal häufiger betroffen als Männer. Bei MS werden die Nervenscheiden beschädigt, was zu einer gestörten Weiterleitung elektrischer Signale führt.

Die Erkrankung tritt häufig unvermittelt und unerwartet auf, vorwiegend im jungen Erwachsenenalter. Oftmals ist zunächst nur ein einzelnes Symptom vorhanden, bei manchen Patienten sind es jedoch sofort mehrere. Beschwerdebild und Verlauf der Krankheit können dabei ganz unterschiedlich ausfallen.

Verlaufsformen der Multiplen Sklerose

Es gibt verschiedene Verlaufsformen der MS, die sich in ihrem Fortschreiten und ihren Symptomen unterscheiden. Die wichtigsten Formen sind:

Schubförmig-remittierende MS (RRMS)

Die schubförmig-remittierende Multiple Sklerose (RRMS) ist die häufigste Verlaufsform der MS. Sie ist durch Schübe gekennzeichnet, in denen plötzlich neue Symptome auftreten oder bestehende sich verschlimmern. Diese Schubphasen können Tage bis Wochen andauern. Anschließend folgt meist eine Remission, in der die Symptome wieder nachlassen oder ganz verschwinden. Die Dauer der Remission kann von Wochen bis zu Jahren reichen.

Der Verlauf der schubförmig-remittierenden MS ist unvorhersehbar und es gibt keine klaren Muster oder Zeitintervalle zwischen den Schüben. Manche Betroffene erleben nur wenige Schübe im Leben, andere deutlich mehr. Die genauen Auslöser sind unklar, doch Stress, Infektionen und Umweltfaktoren könnten eine Rolle spielen.

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Meist treten die ersten Schübe im frühen Erwachsenenalter (20-30 Jahre) auf, in seltenen Fällen können aber auch Kinder oder Patienten über 60 Jahre einen ersten Schub erleiden. Als Schub wird hierbei das Auftreten eines klinischen Symptoms gewertet, das länger als 24 Stunden anhält. Zwischen den Schüben kann der Patient oft völlig beschwerdefrei leben.

Sekundär progrediente MS (SPMS)

Die sekundär progrediente Multiple Sklerose (SPMS) stellt oft eine Übergangsphase dar, die Jahre nach der Diagnose der schubförmig-remittierenden MS beginnt. Es treten keine typischen Schübe mehr auf, stattdessen verschlechtern sich die Symptome langsam und kontinuierlich. Dies kann zu einer allmählichen Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Funktionen führen.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Übergang von der schubförmig-remittierenden MS zur sekundär progredienten MS nicht bei allen Betroffenen eintritt. Manche bleiben viele Jahre in der RRMS-Phase, während andere früher oder später in die SPMS übergehen. Da der Verlauf meist schleichend ist, wird die Diagnose oft erst rückblickend gestellt.

Primär progrediente MS (PPMS)

Die primär progrediente Multiple Sklerose (PPMS) ist eine seltenere Verlaufsform, die sich durch einen schleichenden und progressiven Verlauf auszeichnet. Bei der PPMS nehmen die Symptome von Beginn an stetig zu, ohne dass Schübe oder ausgeprägte Remissionen auftreten. Betroffen sind häufig Menschen, die erst später im Leben, meist nach dem 40. Lebensjahr, diagnostiziert werden. Die Beschwerden können vielfältig sein und hängen von den jeweils betroffenen Bereichen des zentralen Nervensystems ab. Durch das fortschreitende Krankheitsbild fällt es vielen Betroffenen schwer, ihren Alltag uneingeschränkt zu bewältigen. Die primär chronische progrediente Form zeigt keine schubförmige Verschlechterung, sondern von Anfang an eine langsame Ausbreitung von verschiedenen Symptomen. Sie tritt in den meisten Fällen erst jenseits des 40. Lebensjahrs und wesentlich seltener (10-15% der Fälle) auf.

Progressive-rezidivierende MS (PRMS)

Eine seltene und besonders herausfordernde Form ist die progressive-rezidivierende Multiple Sklerose (PRMS). Dieser Verlaufstyp zeichnet sich durch eine kontinuierliche Verschlechterung der Symptome von Beginn an aus, wobei jedoch gelegentliche Schubphasen auftreten können. Diese Schübe unterscheiden sich von denen der schubförmig-remittierenden MS, da sie meist weniger ausgeprägt und schwerer vorhersehbar sind. Das erschwert sowohl die Diagnose als auch die Behandlung.

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Symptome der Multiplen Sklerose

Die Symptome der MS sind vielfältig und können je nach betroffenem Bereich des zentralen Nervensystems variieren. Häufige Symptome sind:

  • Sehstörungen: Verschwommen- oder Nebelsehen, Sehausfall
  • Motorische Störungen: Krämpfe, Muskelzuckungen, Schwerfälligkeit, spastische Lähmungserscheinungen (vor allem in den Beinen, teils auch in den Händen), Unsicherheiten beim Gehen, Störungen der Bewegungskoordination
  • Sensibilitätsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühl
  • Fatigue: Müdigkeit, allgemeine Mattigkeit, Konzentrationsstörungen
  • Blasen- und Darmstörungen: Lähmungen oder Störungen beim Entleeren von Darm oder Blase

Diagnose der Multiplen Sklerose

Die Diagnose der MS kann eine Herausforderung darstellen, da die Symptome unspezifisch sein und anderen Erkrankungen ähneln können. Die Diagnose basiert in der Regel auf einer Kombination aus:

  • Klinischer Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und neurologische Untersuchung
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Darstellung von Läsionen (Entzündungsherden) im Gehirn und Rückenmark
  • Lumbalpunktion: Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) auf Entzündungszeichen
  • Evozierte Potentiale: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit

Behandlung der Multiplen Sklerose

Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Durch moderne Behandlungsmöglichkeiten kann der Verlauf der Erkrankung jedoch meist lange herausgezögert und verbessert werden. Die Therapie der Multiplen Sklerose stützt sich dabei auf mehrere Säulen:

  • Schubtherapie: Behandlung akuter Schübe, damit Beschwerden sich schnell zurückbilden. Bei akuten Schüben können u.a. Cortison-Präparate die Symptome dämpfen.
  • Verlaufsmodifizierende Therapie (Basistherapie): Reduktion der Schwere und Häufigkeit der Schübe, um die beschwerdefreie oder -arme Zeit zu verlängern.
  • Symptomatische Therapie: Linderung von MS-Beschwerden und Vorbeugung möglicher Komplikationen. Die eigene Mobilität des Patienten ist das wichtigste Ziel der konservativen Therapie. Mit dynamischen Orthesen für die obere und untere Extremität kann so eine Kontraktur behandelt werden. Spastiken oder ataktische Bewegungen lässt die Orthese zu.

Medikamente zur Basistherapie

Für Patientinnen und Patienten mit schubförmig verlaufender Erkrankung stehen mehrere Medikamente zur Verfügung, die den Angriff des Immunsystems auf die Nervenzellen abschwächen. Zu den schon am längsten verfügbaren Basistherapeutika zählen die Betainterferon-Präparate und das synthetische Peptidgemisch Glatirameracetat; sie alle müssen regelmäßig gespritzt werden. Schlägt eins dieser Basistherapeutika an, kann das etwa ein Drittel bis die Hälfte aller neuen Schübe verhindern und die Schwere vermindern. Das Spritzen allerdings fällt manchen Patienten schwer; und die Mittel wirken nur bei rund 70% der Patienten. Etliche Patienten erleben auch belastende Nebenwirkungen wie grippeähnlichen Symptome durch die Basistherapie mit diesen Mitteln.

Schon seit 2011 kamen aber auch Basistherapeutika in Tablettenform heraus, mit den Wirkstoffen Fingolimod, Siponimod, Ponesimod, Ozanimod, Teriflunomid, Dimethylfumarat und Cladribin. Diese neueren Medikamente - und darin unterscheiden sie sich nicht grundsätzlich von den älteren - eliminieren bestimmte Zellen des Immunsystems oder dämpfen ihre Aktivität, damit deren Angriffe im ZNS unterbleiben. Die genauen Wirkprinzipien, mit denen das erzielt wird, sind jedoch andere; und einige Patienten begrüßen es sehr, dass sie ihre Medikamente nicht spritzen müssen.

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Leiden Patienten trotzdem an einer hohen Schubrate, kann auch ein Antikörperpräparat oder ein Chemotherapeutikum (zur Schub- oder Dauerbehandlung) eingesetzt werden, was jedoch mit höheren Risiken für die Patienten durch belastende, in Einzelfällen auch schweren Nebenwirkungen verbunden sein kann. Drei Antikörperpräparate (Natalizumab, Ocrelizumab und Ofatumumab) werden in Dauertherapie eingesetzt, für ein weiteres (Alemtuzumab) genügen zwei kurze Behandlungsphasen für eine langanhaltende Wirkung.

Für Patienten mit primär-progredienter MS (PPMS) gab es lange Zeit trotz intensiver Forschung kein zugelassenes Basis-Medikament. Im Jahr 2018 kam erstmals ein solches Medikament heraus; das Präparat enthält den Antikörper Ocrelizumab und kann die Krankheitsaktivität dämpfen. Besonders bei jüngeren Betroffenen mit kürzerer Erkrankungsdauer und nachweisbarer Krankheitsaktivität kann das Fortschreiten der Erkrankung durch die Behandlung mit Ocrelizumab gebremst werden.

Wirkungsweise der Medikamente

Zu den Aufgaben des Immunsystems zählt, eindringende Krankheitskeime wie Viren oder Bakterien abzuwehren. Dazu muss es fähig sein, zwischen „fremd“ und „körpereigen“ zu unterscheiden. Bei der MS gelingt ihm dies jedoch im Falle der Nervenscheiden nicht: Das Immunsystem hält sie für fremd und startet einen Großeinsatz der Immunzellen, der allerdings nicht im gesamten ZNS gleichzeitig erfolgt, sondern sich auf einzelne Regionen konzentriert und dort zu einer Entzündung führt. Beteiligt am Immunangriff sind unterschiedliche weiße Blutkörperchen: sogenannte Fresszellen (Makrophagen, sie können andere Zellen in direktem Kontakt vernichten), T-Lymphozyten und B-Lymphozyten. Letztere schädigen das ZNS nicht direkt, sondern produzieren Antikörper, die sich auf die Nervenzell-Hüllen setzen und diese damit für weitere Immunzellen „zum Abschuss freigeben“.

Die Medikamente in der MS-Therapie greifen an verschiedenen Stellen in den Entzündungsprozess ein. Einige Präparate verhindern die Vermehrung bestimmter Immunzellen. Ein anderes hindert T- und B-Lymphozyten daran, die Lymphknoten zu verlassen und ins ZNS einzudringen. Ein weiteres stört die Kommunikation zwischen Immunzellen, so dass diese ihren Angriff nicht koordinieren können.

MS-Forschung und neue Medikamente

Dennoch ist vieles bis heute nicht zufriedenstellend: Im Jahr 2024 kann keines der Basistherapeutika alle Schübe verhindern. Und für die Behandlung bestimmter Formen der Krankheit sind erst wenige Medikamente wie Mayzent oder Ocrevus zugelassen. Deshalb versuchen Pharmaforscher weiterhin, für die Patienten Medikamente zu entwickeln, die noch wirksamer und noch besser verträglich sind. Und sie arbeiten an weiteren Medikamenten gegen die stetig fortschreitende (die sogenannte "primär-progrediente" oder "sekundär-progrediente“) MS.

Ein wichtiger Schwerpunkt der klinischen Forschung liegt 2024 wie auch in den vergangenen Jahren auf der Weiterentwicklung von immunmodulatorischen Substanzen, die das Voranschreiten der Behinderung effektiver unterbinden sollen. Durch Immunmodulatoren kann die Immunantwort im Körper beeinflusst und neu ausgerichtet werden. Sie können beispielsweise Botenstoffe sein, die therapeutisch eingesetzt werden, um die Kommunikation zwischen den Immunzellen zu beeinflussen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Erforschung der Zelle, insbesondere der Rolle von T-Zellen und B-Zellen, um die Mechanismen der Autoimmunreaktion besser zu verstehen. Andere Studien zielen darauf ab, den Anwendungskomfort durch längere Anwendungsintervalle oder eine orale Verabreichung zu erhöhen.

Beispiele für Medikamente in Erprobung oder Zulassungsverfahren:

  • Siponimod (BAF-312): Wird oral eingenommen und verhindert die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten. Mayzent ist in der EU seit 01/2020 gegen sekundär progrediente MS zugelassen.
  • Ozanimod: Wird oral eingenommen und verhindert als S1P1- und S1P5-Rezeptorantagonist die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten. OCREVUS ist in der EU seit 05/2020 gegen schubförmige MS zugelassen.
  • Ponesimod: Wird oral eingenommen und verhindert die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten. Befindet sich in klinischer Erprobung, Phase III.
  • Immunoglobulin Octagam: Wirkungsweise unbekannt, Stand des Projekts unbekannt.

Leben mit Multipler Sklerose

Viele MS-Patienten leben lange Zeit nach ihrer Diagnose ohne größere Beeinträchtigungen, während nur wenige einen schnellen und schweren Verlauf erleben. Das Spektrum der Symptome und Einschränkungen von leicht bis schwer ist sehr groß und kaum vorhersehbar. Durch die heutigen Behandlungsmethoden sind schwere Beeinträchtigungen deutlich seltener geworden und Menschen mit MS sind z.B. viel häufiger auch nach Jahrzehnten nicht auf einen Rollstuhl angewiesen.

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