Das Gehirn, die zentrale Steuereinheit unseres Körpers, ist ein komplexes und empfindliches Organ. Verschiedene Krankheiten können seine Struktur und Funktion beeinträchtigen und zu schwerwiegenden neurologischen und psychiatrischen Störungen führen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über einige der häufigsten und verheerendsten Krankheiten, die das Gehirn zerstören können.
Einführung in neurologische Erkrankungen
Das Nervensystem, bestehend aus Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven, ist für die Steuerung, Koordination und Regulierung lebenswichtiger Körperfunktionen verantwortlich. Neurologische Erkrankungen, auch Nervenkrankheiten genannt, entstehen, wenn die normale Funktion dieses Systems beeinträchtigt ist. Solche Störungen können das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) oder das periphere Nervensystem (Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark) betreffen.
Die Ursachen für neurologische Erkrankungen sind vielfältig und reichen von genetischen Veranlagungen über degenerative Prozesse bis hin zu Autoimmunreaktionen und Infektionen. Die Symptome variieren je nach Art und Ort der Schädigung und können motorische, sensorische oder kognitive Funktionen beeinträchtigen.
Häufige neurologische Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf das Gehirn
Kopfschmerzen und Migräne
Kopfschmerzen, insbesondere Spannungskopfschmerzen, sind weit verbreitet. Bis zu 70 % der Bevölkerung leiden darunter. Migräne, oft begleitet von Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit, betrifft 12 bis 17 % der Menschen. Während Kopfschmerzen und Migräne die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können, sind sie in der Regel nicht mit strukturellen Schäden am Gehirn verbunden. Chronische Kopfschmerzen, die 4 % der Bevölkerung betreffen, bedürfen jedoch einer sorgfältigen neurologischen Abklärung.
Chronische Rückenschmerzen
Obwohl nicht immer neurologisch bedingt, erfordern chronische Rückenschmerzen (Dauer von zwölf Wochen oder länger) eine neurologische Untersuchung, um zugrunde liegende Ursachen zu identifizieren und auszuschließen. 22 % der Frauen und 15 % der Männer sind davon betroffen.
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Ischämischer Schlaganfall
Ein ischämischer Schlaganfall tritt auf, wenn verschlossene Blutgefäße zu einer plötzlichen Durchblutungsstörung im Gehirn führen. Dies kann Lähmungen, Sprach- und Bewegungsstörungen verursachen. In Deutschland erleiden jährlich 1,6 bis 2,4 % der Bevölkerung einen Schlaganfall, der mit 9,5 % eine der häufigsten Todesursachen darstellt. Da Nervenzellen im Gehirn kaum regenerationsfähig sind, können bei einem Schlaganfall bleibende Schäden entstehen. Schäden sind zum Beispiel Persönlichkeitsveränderungen, Schwindel, Schluck-, Sprach- oder Sehstörungen.
Hirnblutung
Durch teils massive Blutungen in das Gehirn hinein kommt es zu Schädigung und Absterben von Gehirnteilen. Hirnblutungen sind zweithäufigste Ursache für einen Schlaganfall. Die Ursachen sind meist Bluthochdruck oder Rauchen, Alkohol und Drogen. Betroffen sind 0,07 bis 0,15 Prozent der Bevölkerung.
Epilepsie und Krampfanfälle
Krampfanfälle entstehen durch starke Entladungen von Nervenzellen im Gehirn und können auf einzelne Hirnregionen oder das gesamte Gehirn übergreifen. 0,5 bis 1 % der Bevölkerung leidet an Epilepsie, während bis zu 5 % einmalig auftretende epileptische Anfälle erleiden.
Demenz
Infolge degenerativer Hirnerkrankungen kommt es zu Gedächtnisstörungen und Einschränkung des Denkvermögens. Häufigste Formen der Demenzen sind Alzheimer- und Gefäßerkrankungen. Demenzen treten bei 2 bis 3 Prozent der über 65-jährigen und 24 bis 50 Prozent der über 85-jährigen auf. Schon heute schätzen Expertinnen und Experten, dass rund 1,5 Millionen Deutsche an einer Demenz erkrankt sind.
Morbus Parkinson
Durch fortschreitenden Ausfall des Gehirnbotenstoffs Dopamin kommt es zu Bewegungsstörungen in Form von Zittern, Muskelstarre oder Bewegungsarmut. Hierzulande gibt es 0,1 bis 0,2 Prozent Erkrankte, bei den über 65-jährigen steigt die Häufigkeit auf bis zu 1,8 Prozent an.
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Schädel-Hirntrauma (SHT) und Querschnittslähmungen
Zu 80 Prozent sind diese Verletzungen des Gehirns oder Rückenmarks Unfallfolgen. Bei schwerem Schädel-Hirntrauma folgt oft ein längeres Koma, 30 bis 40 Prozent der Betroffenen versterben. Jährlich erleiden knapp 0,2 Prozent der Bevölkerung ein Schädel-Hirntrauma.
Multiple Sklerose (MS)
Durch Angriff des eigenen Immunsystems werden Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark zerstört. MS schreitet meist schubförmig mit zunehmenden Lähmungen fort und ist die häufigste neurologische Erkrankung mit bleibender Behinderung im jungen Erwachsenenalter. In Deutschland gibt es etwa 120 000 Erkrankte.
Hirntumore
Diese Tumore sind häufig bösartig und gehen meistens vom Stützgewebe des Hirns aus. Auch Metastasen bilden sich oft im Gehirn. Selbst gutartige Gehirntumore sind gefährlich, weil sie überlebenswichtige Strukturen im Hirn zerstören können.
Autoimmunenzephalitis
Gedächtnisprobleme, Stimmungsschwankungen oder Krampfanfälle sind typische Anzeichen einer Autoimmunenzephalitis. Die Erkrankung ist gut behandelbar, vor allem, wenn sie früh erkannt wird. Durch gezielte Therapien lassen sich viele Symptome Schritt für Schritt zurückdrängen. Die Erkrankung beginnt meist plötzlich, innerhalb weniger Tage bis Wochen. Bei schwerem Verlauf kann auch das vegetative Nervensystem betroffen sein - etwa mit Kreislaufversagen oder Atemstörungen, die eine Intensivbehandlung notwendig machen. Die Ursache ist eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems. Es bilden sich Autoantikörper, die bestimmte Rezeptoren oder Ionenkanäle auf der Oberfläche von Nervenzellen angreifen. In einigen Fällen entsteht die Autoimmunreaktion im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen. Auch Infektionen wie eine Herpesenzephalitis können die Autoantikörperbildung triggern.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Die Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die eine ganz bestimmte Gruppe von Nervenzellen betrifft: die motorischen Nervenzellen, auch Motoneuronen genannt. Sie befinden sich in Gehirn und Rückenmark und sind für die Steuerung der Muskeln zuständig. Die Motoneuronen werden durch die Krankheit zerstört. Die Folge sind fortschreitende Muskellähmungen. Patientinnen und Patienten können auf einen Rollstuhl angewiesen sein, im späteren Verlauf der Erkrankung haben sie aber auch Schwierigkeiten zu sprechen und zu schlucken.
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Zerebelläre Ataxie
Die zerebelläre Ataxie ist eine neurologische Störung des Kleinhirns. Dieses wichtige Areal im hinteren Teil des Gehirns koordiniert sozusagen als Dirigent unsere Bewegungen und hält uns im Gleichgewicht. Bei der zerebellären Ataxie ist diese Fähigkeit beeinträchtigt. Betroffene Menschen können Schwierigkeiten beim Gehen, Sprechen und Greifen oder auch bei kontrollierten Augenbewegungen haben.
Ursachen und Risikofaktoren
Fehlfunktionen von Gehirn und Nervensystem können durch eine ganze Reihe von Faktoren verursacht werden. Durch äußere Einwirkung, Vererbung oder einer Kombination von beidem kann das komplexe Geflecht geschädigt werden und zu neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen führen. Allerdings sind die genauen Ursachen und Zusammenhänge bei vielen Krankheiten bislang noch unbekannt.
Die häufigste Ursache für eine Schädigung von Gehirn und Nervensystem ist eine mangelnde Durchblutung. Auch Gehirntumoren, krankhafte Veränderungen von Blutgefäßen, mechanische Verletzungen durch Unfälle, Blutungen ins Gehirn und Entzündungen können die Ursache für Funktionsstörungen sein. Weitere Gründe für Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems sind Störungen bei der Signalübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten und Unregelmäßigkeiten im Stoffwechsel der Nervenzellen.
Bei zahlreichen Störungen des Gehirns und Nervensystems spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Störungen der Hirnfunktion können auch durch äußere Einflüsse verursacht werden. Ein Beispiel dafür sind Infektionen durch Bakterien und Viren. Auch Giftstoffe können zu schweren Beeinträchtigungen von Gehirn und Nervensystem führen. Neuronale Funktionsstörungen können auch durch das körpereigene Immunsystem ausgelöst werden.
Bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit einen Schlaganfall zu erleiden, dazu gehören zu hoher Blutdruck, Diabetes,Rauchen, Übergewicht und zu hohe Cholesterinwerte.
Diagnose und Behandlung
Bei Verdacht auf eine Nervenkrankheit ist eine frühzeitige Diagnose entscheidend. Die Diagnose basiert auf einer umfassenden neurologischen Untersuchung, Anamnese und verschiedenen diagnostischen Tests, einschließlich bildgebender Verfahren (MRT, CT), EEG und Liquoruntersuchungen. Der Nachweis einer Autoimmunenzephalitis erfolgt über die Bestimmung spezifischer Autoantikörper im Blut oder Nervenwasser (Liquor) der Betroffenen.
Viele neurologische Krankheiten sind heutzutage wesentlich besser behandelbar als früher. Gegen die Parkinson-Krankheit und gegen Multiple Sklerose gibt es mehr Therapieformen. Und auch die Epilepsie stellt nicht mehr denselben Kontrollverlust dar wie einst.
Die Therapie von Nervenkrankheiten ist individuell und richtet sich nach der jeweiligen Diagnose, der Ursache und dem Krankheitsverlauf. Je nach Art der Erkrankung kann eine Kombination verschiedener Behandlungsansätze erforderlich sein, um die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Ein früher Beginn der Immuntherapie ist entscheidend für eine gute Prognose. Innerhalb von 10 bis 14 Tagen sollte bei ausbleibender Besserung die Therapie angepasst werden.
Die Behandlung des SHT ist abhängig vom Schweregrad der Verletzung. Primäres Ziel ist es die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns aufrechtzuerhalten, um möglichst viele Neurone vor sekundären Schäden zu retten.
Umgang mit neurologischen Erkrankungen
Vermuten Sie bei sich eine Nervenkrankheit, zum Beispiel, weil oben genannte Symptome vorliegen, so ist als erstes Ihr:e Hausärzt:in der bzw. die geeignete Ansprechpartner:in. Er oder sie wird Sie gründlich untersuchen und entscheiden, ob der Verdacht begründet ist. Falls ja, kann sie Sie an eine:n Neurolog:in überweisen, der bzw. die die weitere Diagnostik durchführen kann. Zögern Sie nicht, sich frühzeitig an Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt zu wenden, anstatt Beschwerden monate- oder gar jahrelang auszuhalten. Die Behandlungsaussichten sind meist besser, je früher mit der Therapie begonnen wird.
Außerdem kann es helfen, Angehörigen, Partner:innen oder Mitbewohner:innen von der Erkrankung zu erzählen. Bei vielen neurologischen Krankheiten werden Sie zumindest zeitweise Hilfe benötigen. Die psychische Belastung ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Lassen Sie sich jedoch nicht alles abnehmen, auch wenn Ihr Umfeld Sie schonen und unterstützen möchte. Für alle Betroffene egal welcher neurologischen Krankheit ist es sowohl für Psyche als auch für die körperliche Situation wichtig, all das selbstständig zu tun, was selbstständig geht.
Angehörigen mag es häufig schwerfallen, zuzusehen und Tätigkeiten nicht abzunehmen, die anstrengend oder mühselig erscheinen. Damit tun Sie jedoch niemandem einen Gefallen, sich selbst nicht, und dem bzw. der Betroffenen nicht. Dies bedeutet nicht, dass Sie jemandem, der Hilfe braucht, nicht die Treppe hinaufhelfen. Aber wenn beispielsweise normales Besteck aufgrund einer Polyneuropathie nicht mehr benutzt werden kann, suchen Sie lieber gemeinsam Lösungsstrategien. Besorgen Sie zum Beispiel dickeres Besteck, das der oder die Betroffene benutzen kann, anstatt das Fleisch vorzuschneiden.
Forschung und zukünftige Perspektiven
Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) erforscht die Ursachen von Störungen des Nervensystems und entwickelt Strategien zur Prävention, Therapie und Pflege bei Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Dabei kooperiert es eng mit Universitäten, deren Kliniken und außeruniversitären Einrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene. Das DZNE ist eines von sechs Zentren der Gesundheitsforschung (DZG), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Bekämpfung der wichtigsten Volkskrankheiten eingerichtet wurden.
Ein Forschungsschwerpunkt liegt auf den Mechanismen, die der eingeschränkten Regenerationsfähigkeit des ZNS zugrunde liegen. Ziel ist die Entwicklung von neuen gentherapeutischen sowie pharmakologischen Ansätzen zur Förderung der axonalen Regeneration und somit der Wiederherstellung von verlorengegangenen Funktionen nach Schädigungen des Gehirns und Rückenmarks.
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