Medikamente bei Demenz und Aggressivität: Ein umfassender Überblick

Demenz ist eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen des 21. Jahrhunderts. In Deutschland leben derzeit etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Ein besonders belastendes Symptom ist die Agitiertheit, die oft mit aggressivem Verhalten einhergeht. Dieser Artikel beleuchtet die medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungsansätze bei Demenz und Aggressivität, wobei besonderes Augenmerk auf neue Forschungsergebnisse und alternative Therapiekonzepte gelegt wird.

Die Herausforderung: Demenz und Aggressivität

Demenz ist keine einheitliche Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Formen krankhafter Vergesslichkeit. Die Symptome sind vielfältig und reichen von Gedächtnisverlust über Orientierungsstörungen bis hin zu Verhaltensänderungen. Etwa 80 % der Betroffenen zeigen im Verlauf der Erkrankung gravierende Verhaltensstörungen, darunter Aggressionen, Misstrauen und Unruhe. Diese Verhaltensweisen stellen eine große Belastung für die Betroffenen selbst, ihre Angehörigen und das Pflegepersonal dar.

Agitiertheit und Aggression bei Demenz

Agitiertheit, oft in Kombination mit aggressivem Verhalten, ist ein häufiges und herausforderndes Symptom bei Menschen mit Demenz. Es äußert sich in verschiedenen Formen, wie z. B. Stoßen, Kratzen, Anfassen oder Bespucken anderer Personen sowie verbale Aggression. Diese Verhaltensweisen können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter Verwirrung, Frustration, Schmerzen oder Überforderung.

Medikamentöse Behandlungsansätze

Die medikamentöse Behandlung von Demenz und Aggressivität zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dabei kommen verschiedene Medikamentengruppen zum Einsatz, die je nach Symptomatik und Krankheitsstadium ausgewählt werden.

Cholinesterasehemmer und Glutamat-Antagonisten

Zur Behandlung des kognitiven Abbaus werden häufig Cholinesterasehemmer (z. B. Galantamin, Rivastigmin und Donepezil) eingesetzt. Diese Medikamente erhöhen die Konzentration des Botenstoffs Acetylcholin im Gehirn, was die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen verbessert. Glutamat-Antagonisten (z. B. Memantin) schützen die Nervenzellen vor einer Überstimulation durch Glutamat.

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Studien haben gezeigt, dass Cholinesterasehemmer die Gesamtsymptome der Demenz, wie Gedächtnisstörungen, Störungen der Informationsverarbeitung und Verhaltensstörungen, vorübergehend stabilisieren oder sogar verbessern können. Der Gedächtnisabbau kann dadurch um etwa 1 bis 2 Jahre verzögert werden.

Atypische Neuroleptika

Bei Verhaltensstörungen wie Aggressionen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen werden häufig atypische Neuroleptika eingesetzt. Risperidon ist das einzige moderne Neuroleptikum, das von der Arzneimittelbehörde für die Behandlung von Demenz-begleitenden Verhaltensstörungen zugelassen ist.

Eine neue randomisierte, placebokontrollierte und doppelblinde Studie hat die Wirksamkeit und Sicherheit von Brexpiprazol, einem atypischen Neuroleptikum der zweiten Generation, bei agitierten Patienten mit Alzheimer-Demenz untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass Brexpiprazol die Agitiertheit signifikant reduzieren konnte, ohne schwerwiegende Nebenwirkungen zu verursachen.

Antidepressiva

Depressionen treten bei Menschen mit Demenz häufig auf und können die Lebensqualität und die geistige Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen. Zur Behandlung von Depressionen bei Alzheimer-Demenz werden häufig Antidepressiva wie Mirtazapin oder Sertralin eingesetzt. Die Auswahl des Medikaments sollte individuell erfolgen, da einige Antidepressiva unerwünschte Nebenwirkungen haben können.

Neue Medikamente und Forschungsansätze

Die Forschung im Bereich der Demenzbehandlung schreitet stetig voran. Neue Antikörper-Medikamente wie Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab) zielen darauf ab, die für Alzheimer typischen Proteinablagerungen im Gehirn zu reduzieren und den Krankheitsverlauf zu verzögern. Diese Medikamente sind jedoch nur für Menschen im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit zugelassen und erfordern spezielle Untersuchungen vor der Behandlung.

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Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist Blarcamesin, ein Wirkstoff, der die natürlichen Reinigungsmechanismen der Nervenzellen aktivieren soll. Dieser Wirkstoff befindet sich derzeit in der Prüfung zur Zulassung in der EU.

Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze

Neben der medikamentösen Therapie spielen nicht-medikamentöse Behandlungsansätze eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Demenz und Aggressivität. Diese Ansätze zielen darauf ab, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, ihre Selbstständigkeit zu fördern und ihre Verhaltenssymptome zu lindern.

Psychosoziale Maßnahmen

Psychosoziale Maßnahmen umfassen verschiedene Therapieformen wie Beschäftigungstherapie, Bewegungstherapie, Musiktherapie und Entspannungsverfahren. Diese Maßnahmen können helfen, Unruhe, Angst und Aggressionen zu reduzieren und das Wohlbefinden der Betroffenen zu steigern.

Ein wichtiger Aspekt ist die individuelle Anpassung der Maßnahmen an die Vorlieben und das Krankheitsstadium des Patienten. Wichtig ist, dass jemand da ist, der sich auf den Menschen mit Demenz einlässt und sich Zeit nimmt. Ob man dann gemeinsam ein Puzzle legt, aus der Zeitung vorliest, Fotoalben ansieht oder eine Runde spazierengeht, ist am Ende nicht so relevant.

Aktivierende Pflegekonzepte

Aktivierende Pflegekonzepte, wie die Silviahemmet®-Pflegephilosophie, zielen darauf ab, eine möglichst hohe Lebensqualität für Menschen mit Demenz zu erreichen. Diese Konzepte basieren auf vier Säulen: Symptomkontrolle, Teamarbeit, Angehörigenunterstützung und die Schaffung einer angenehmen Umgebung.

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Ein wichtiger Aspekt ist die Ursachenforschung bei Verhaltensauffälligkeiten. Oftmals können Medikamente reduziert werden, wenn die zugrunde liegenden Ursachen für Unruhe, Angst oder Aggression erkannt und behandelt werden.

Angehörigenunterstützung

Die Betreuung von Menschen mit Demenz stellt eine große Belastung für die Angehörigen dar. Es ist wichtig, dass Angehörige Unterstützung und Entlastung erhalten, um ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu erhalten.

Es gibt verschiedene Angebote zur Unterstützung von Angehörigen, wie z. B. ehrenamtliche Helfer, Selbsthilfegruppen, Tagespflegeeinrichtungen und Beratungsstellen. Ein strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Aktivitäten kann das Risiko von Verhaltenssymptomen senken.

Umgang mit Aggressionen im Alltag

Aggressives Verhalten bei Menschen mit Demenz kann für Angehörige und Pflegepersonal sehr belastend sein. Es ist wichtig, die Ursachen für die Aggressionen zu verstehen und geeignete Strategien zur Deeskalation zu entwickeln.

Ursachenforschung

Hinter aggressivem Verhalten können verschiedene Ursachen stecken, wie z. B. Schmerzen, Überforderung, Verwirrung oder Frustration. Es ist wichtig, diese Ursachen zu erkennen und zu beseitigen.

Deeskalationsstrategien

In akuten Situationen ist es wichtig, ruhig zu bleiben und die Situation nicht zu eskalieren. Sprechen Sie langsam, deutlich und ruhig. Vermeiden Sie es, den Betroffenen zu kritisieren oder zu korrigieren. Versuchen Sie, die Situation zu verlassen, wenn sie sich nicht beruhigt.

Präventive Maßnahmen

Um aggressivem Verhalten vorzubeugen, ist es wichtig, eine strukturierte Tagesgestaltung mit ausreichend Aktivitäten zu schaffen. Feste Tagesstrukturen und ausreichend Auslastung verhindern Langeweile und Aggressivität. Achten Sie auf eine angenehme Umgebung mit wenig Lärm und Reizen.

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