Sportarten bei Polyneuropathie: Ein umfassender Leitfaden zur Verbesserung der Lebensqualität

Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die mit einer Vielzahl von Symptomen einhergehen kann, darunter Schmerzen, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche und Koordinationsstörungen. Regelmäßige Bewegung und die richtige Sportart können dazu beitragen, die Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu steigern und die Kontrolle über den eigenen Körper zurückzugewinnen.

Bedeutung von Sport und Bewegung bei Polyneuropathie

Bewegung ist bei Polyneuropathie wichtig, da sie die Durchblutung fördert, die Muskeln stärkt und die Funktion des Nervensystems unterstützt. Studien zeigen, dass körperliche Aktivität die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Nerven verbessern kann, was zu einer signifikanten Verbesserung der Nervenfunktion führt. Moderate Bewegung kann zudem die Schmerzempfindlichkeit senken und die Schmerzverarbeitung im Gehirn verbessern. Darüber hinaus stärkt Sport die Muskeln und Gelenke, was Stürzen und Instabilität vorbeugen kann, insbesondere bei älteren Menschen, die häufig von Polyneuropathie betroffen sind. Sport wirkt auch stimmungsaufhellend, da durch Bewegung Endorphine ausgeschüttet werden, die das Wohlbefinden fördern.

Bewegungsmangel kann zu einer Minderdurchblutung des Körpers führen, insbesondere der Beine. Sportliche Bewegung verhilft Muskeln, Sehnen und Gelenken zu mehr Kraft und Geschmeidigkeit und trainiert Herz und Kreislauf. Sport kann zudem die Zirkulation von Blut und Lymphe in allen Körperregionen in Gang halten.

Geeignete Sportarten bei Polyneuropathie

Bei der Wahl der geeigneten Sportart ist es wichtig, die individuellen Fähigkeiten und die Schwere der Polyneuropathie zu berücksichtigen. Grundsätzlich eignen sich alle Sportarten, mit denen Sie Ausdauer und Kraft trainieren und Ihre Beweglichkeit steigern. Es gibt keine Sportarten, die bei Polyneuropathie grundsätzlich schädlich sind.

Gelenkschonende Sportarten

Gelenkschonende Aktivitäten wie Schwimmen oder Radfahren sind ideal, da sie die Gelenke schonen und gleichzeitig die Muskulatur stärken.

Lesen Sie auch: Leitfaden: Welcher Arzt hilft bei Nervenschmerzen im Fuß?

  • Schwimmen: Schwimmen ist ideal, da es die Durchblutung fördert und gleichzeitig die Gelenke vollständig entlastet. Das Wasser trägt das Körpergewicht, sodass die Belastung auf Muskeln und Gelenke minimiert wird. Achten Sie beim Schwimmen darauf, sanftes Brust- oder Rückenschwimmen zu bevorzugen, um die Belastung auf den Nacken zu minimieren. Schwimmen kann außerdem die Beweglichkeit der Gelenke verbessern und hilft, Verspannungen im gesamten Körper zu lösen.
  • Radfahren: Radfahren eignet sich besonders gut auf ebenem Untergrund, um die Gelenke nicht zusätzlich zu belasten. Radfahren hilft dabei, die Ausdauer zu verbessern und gleichzeitig die Beinmuskulatur zu kräftigen, was wiederum die Nervenunterstützung fördert.

Sportarten zur Verbesserung von Balance und Flexibilität

Yoga und Tai Chi sind empfehlenswert, da sie die Balance, Flexibilität und Entspannung verbessern.

  • Yoga: Bei Yoga sollten Sie sanfte Dehnübungen wählen, um die Beweglichkeit zu steigern, und auf fortgeschrittene, belastende Posen verzichten. Yoga kann die Beweglichkeit verbessern und gleichzeitig die Schmerzen lindern.
  • Tai Chi: Tai Chi mit seinen langsamen, fließenden Bewegungen hilft Ihnen dabei, die Balance zu verbessern, ohne die Gelenke zu strapazieren. Tai-Chi-Übungen verbessern das Gleichgewicht und die Koordination bei Menschen mit Nervenschädigungen.

Weitere empfehlenswerte Sportarten

  • Walken und Spazierengehen: Spaziergänge oder Walken sind bei Polyneuropathie geeignet, wobei es eher auf die Regelmäßigkeit ankommt. Beim Walking sollten Sie beachten, dass eine relativ große Gefahr zu stürzen besteht. Um weiterhin fit für den Alltag zu bleiben ist Walking zwar sehr sinnvoll, allerdings sollten Sie etwas vorsichtiger sein und nur Strecken auswählen, auf denen keine große Stolpergefahr besteht. Außerdem können Sie sich mit Stöcken behelfen, um stabiler zu gehen.
  • Nordic Walking: Nordic Walking ist effektiv für den gesamten Körper und unterstützt besonders die Durchblutung und Stabilität. Nordic Walking durch den Einsatz von Stöcken stärkt nicht nur die Muskelkraft in den Beinen, sondern auch die in den Armen, was zu einer verbesserten Haltung und Balance führt.
  • Krafttraining: Krafttraining eignet sich als Sport bei Polyneuropathie. Wenn Sie in ein Fitnessstudio gehen, sollten Sie den Trainer auf die Polyneuropathie aufmerksam machen, damit er Ihnen schonende Übungen zeigen und spezielle Übungen empfehlen kann. Beim Krafttraining können Sie mit leichten Gewichten arbeiten, um gezielt die Muskulatur zu stärken, Muskelschwund vorzubeugen und Ihre Haltung zu verbessern.

Sportarten mit erhöhter Sturzgefahr

Wer trotz Polyneuropathie Joggen will sollte beachten, dass eine erhöhte Gefahr von Stürzen oder Umknicken des Sprunggelenks besteht. Wählen Sie dementsprechend Strecken aus, auf denen die Stolpergefahr gering ist. Außerdem kann es recht schnell zu Überlastungen kommen, wenn man die Füße nicht mehr richtig wahrnimmt und deshalb die Warnsignale des Körpers nicht erkennt. Wer trotz Polyneuropathie Joggen gehen möchte, wählt Strecken aus, auf denen die Stolpergefahr gering ist. Außerdem kann es recht schnell zu Überlastungen kommen, wenn man die Füße nicht mehr richtig wahrnimmt und deshalb die Warnsignale des Körpers nicht erkennt.

Spezielle Trainingsmethoden bei Polyneuropathie

Sensomotorisches Training

Sensomotorisches Training verbindet Aspekte des Perzeptionstrainings (Wahrnehmungstrainings) und des motorischen und koordinativen Lernens. Studien zeigen, dass sensomotorisches Training zu neuromuskulären Anpassungen führt, die sich in einer verbesserten Koordinationsfähigkeit und Gleichgewichtskontrolle zeigen und damit das Sturz- und Verletzungsrisiko verringern.

Beim sensomotorischen Training ist es wichtig, mit einfachen Übungen zu starten und diese langsam zu steigern. Übungen sollten dabei stets herausfordern, aber nicht überfordern. Der Schwierigkeitsgrad kann u.a. über eine Variation des Untergrunds und/oder der Standposition gesteuert werden. Beginnen Sie Übungen auf einem ebenen, festen Untergrund. Schwieriger werden die Übungen durch den Einsatz von labilen Unterlagen, wie z.B. Gymnastik-/Turnmatten, Kreiseln oder Balancepads. Weitere Schwierigkeitssteigerungen können über ein Ausschalten oder Fordern anderer Sinnesorgane erreicht werden. So werden Übungen schwieriger, wenn die Übenden die Augen schließen oder z.B. den Kopf abwechselnd langsam nach rechts und links bewegen. Auch zusätzliche kleine Bewegungs- oder Denksportaufgaben können zur Variation der Anforderung eingesetzt werden.

Für ein sensomotorisches Training wird ein Training mit einer Belastungs- und Pausendauer pro Übung von etwa 20 Sekunden, mit einer dreimaligen Wiederholung, empfohlen. Eine Anzahl von 3 - 5 sensomotorischen Übungen pro Trainingseinheit sollten nicht überschritten werden. Empfohlen werden zudem 2-4 Trainingseinheiten pro Woche.

Lesen Sie auch: So finden Sie den Spezialisten für Fußpolyneuropathie

Blutflussrestriktionstraining (BFR)

Klassisches Krafttraining kann bei Polyneuropathie vergleichsweise wenig ausrichten, da die Nervenschäden das Training erschweren. Um einen Muskel zu stärken, muss man ihn zunächst anstrengen. Bei der Anstrengung verbraucht der Muskel mehr Energie als das Blut ihm liefert. Dadurch wird der Muskel belastet und zu einer Reaktion angeregt - das ist der Trainingsreiz. Kraftsteigerungen und Muskelwachstum kommen nur als Reaktion auf Anstrengung und Belastung zustande. Bei Polyneuropathie schafft man das allerdings mit den üblichen Trainingsmethoden nicht mehr, weil das Training aufgrund der Nervenschäden erschwert ist. Man schafft es einfach nicht mehr, die entsprechenden Übungen mit genügend Widerstand zu absolvieren um einen Trainingseffekt zu erzeugen.

Das Blutflussrestriktionstraining (BFR) ist eine vielversprechende Methode zur Kraftsteigerung bei Polyneuropathie. Bei dieser Methode werden aufblasbare Manschetten an Arme oder Beine angelegt, um die Durchblutung kurzzeitig und kontrolliert zu vermindern. Dadurch kommt in der Muskulatur weniger Blut an, und selbst leichte Übungen können einen ähnlichen Effekt wie hochintensives Training erzeugen.

Eine japanische Arbeitsgruppe ließ ihre Probanden mit den Manschetten an den Beinen auf einem Laufband gehen. Mit gerade einmal 3km/h, also sehr langsam, 10 Minuten zweimal täglich. Nach 3 Wochen hatten die Probanden bereits 10% mehr Kraft aufgebaut (Takashi et al. Mit dieser Trainingsmethode wird seit etwa 15 Jahren auch außerhalb Japans experimentiert. In zahlreichen Versuchen zeigte sich, dass bereits einfaches Gehen mit solchen Manschetten bedeutende Kraftsteigerungen bewirken. Wer die Manschetten trägt kann also mit ganz leichten Übungen, die normalerweise wenig bringen würden bereits die Kraft steigern.

Das Training der Blutgefäße bewirkt zusätzlich das Wachstum von Nerven. Es gibt eine ganze Kaskade von Wachstumsfaktoren, die eine positive Wirkung auf die Nerven haben - das berühmte EPO, das Wachstumshormon GH, das VEGF (Vascular endothelial growth factor) und HIF (Hypoxieinduzierbarer Faktor). Alle diese Stoffe lassen Nerven wachsen! Ihre Produktion wird durch ein Training mit Blutfluss-Manschetten angeregt (Larkin et al.

Wichtige Hinweise zum BFR-Training:

  • Verwenden Sie nur Manschetten, mit denen man den Druck messen kann. Der Druck darf weder zu niedrig noch zu hoch sein.
  • Führen Sie die Übungen korrekt aus und achten Sie auf eine ausreichende Erholung.
  • Lassen Sie sich vor Beginn des BFR-Trainings von einem Arzt oder Therapeuten beraten.

Fußgymnastik

Falls Ihnen zunächst Spazierengehen oder Walken zu anstrengend ist oder Ihnen durch die Polyneuropathie das Gehen grundsätzlich schwerfällt, sollten Sie trotzdem Ihre Füße beweglich halten. Das verbessert die Durchblutung der Zehen und Fußsohlen und beugt weiteren Verletzungen vor. Fußgymnastik lässt sich einfach im Sitzen durchführen und ist selbst beim Essen oder Fernsehen möglich. Wippen Sie beispielsweise im Stehen von den Zehen auf die Fersen. Das stärkt nicht nur die Muskulatur der Füße, sondern auch die Waden und verbessert dort die Durchblutung. Heben Sie ein Bein hoch und strecken dabei den Fuß waagerecht von sich weg. Bewegen Sie Ihre Zehen ähnlich wie eine Ballerina, rollen Sie einen Massageball unter den Fußsohlen oder malen Sie Kreise und Figuren mit den Füßen in der Luft.

Lesen Sie auch: Schlagerstar nach Schlaganfall: Einblick in die Genesung

Regelmäßige Fußgymnastik kann helfen, die Durchblutung der Füße zu verbessern und die Beweglichkeit zu erhalten.

Tipps für ein sicheres und effektives Training

  • Regelmäßigkeit: Besser als eine intensive Einheit am Wochenende sind mehrere kurze Sporteinheiten in kürzeren Abständen. Damit kann sich der Stoffwechsel und der Körper langsam an die regelmäßige Anstrengung gewöhnen.
  • Aufwärmen und Dehnen: Ein angemessenes Aufwärmen verringert das Verletzungsrisiko. Beginne mit leichten Übungen und steigere die Intensität schrittweise. Dein Körper braucht Zeit, sich an die neue Belastung zu gewöhnen. Ein gutes Aufwärmen sorgt dafür, dass deine Muskulatur besser durchblutet wird und deine Gelenke geschmeidiger sind.
  • Geeignete Ausrüstung: Achte darauf, geeignete Ausrüstung zu verwenden, wie stützende Schuhe oder Hilfsmittel wie Nordic-Walking-Stöcke, um deine Gelenke zu entlasten und deine Stabilität zu verbessern.
  • Auf den Körper hören: Überanstrengung zu vermeiden und bei Schmerzen zu pausieren ist entscheidend, um Verletzungen vorzubeugen. Leichte Erschöpfung nach dem Training ist normal, aber höre auf deinen Körper, wenn du starke Schmerzen spürst.
  • Fußpflege und -kontrolle: Gerade wenn Sie sich sportlich betätigen, sollten Sie außerdem täglich Fußpflege und eine Fußkontrolle durchführen. Um das Risiko einer Verletzung bei Polyneuropathie zu minimieren, sollten Strümpfe ohne Nähte und gut passende Schuhe getragen werden. Kontrollieren Sie Ihre Füße täglich, wenn Sie diese waschen und pflegen. So entdecken Sie mögliche Blasen oder andere Verletzungen schnell und können diese behandeln. Schließlich geht die Polyneuropathie mit ihrem oft gestörten Schmerzempfinden mit einem erhöhten Risiko für Verletzungen und Infektionen einher.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung ist ein wesentlicher Bestandteil der Regeneration und unterstützt den Körper dabei, sich nach dem Sport zu erholen. Omega-3-Fettsäuren, die in fettem Fisch wie Lachs oder Makrele enthalten sind, helfen dabei, Entzündungen im Körper zu reduzieren und die Nervenfunktionen zu unterstützen. Eiweiß ist besonders wichtig, da es die Muskelerholung unterstützt und hilft, beschädigtes Gewebe zu reparieren. Gesunde Fette, wie sie in Nüssen oder Avocados enthalten sind, tragen ebenfalls zur Regeneration bei und unterstützen die allgemeine Gesundheit des Nervensystems.

tags: #sportarten #bei #polyneuropathie