Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das für eine Vielzahl von Funktionen verantwortlich ist, darunter auch das Gedächtnis. Das Gedächtnis ist die Fähigkeit, sich an Dinge, Menschen und Ereignisse zu erinnern und ist die Voraussetzung für jedes Verhalten, das aufgrund von Erfahrung über vorausgegangene Eindrücke und Erlebnisse das gegenwärtige und zukünftige Verhalten steuert. Es ist ein weit verzweigtes Netzwerk von Nervenzellen, das sich über verschiedene Hirnbereiche erstreckt.
Die Struktur des Gehirns
Das Gehirn ähnelt in seiner Struktur einer Walnuss und weist zahlreiche Falten und Vertiefungen auf, die tief unter der Oberfläche liegen. Das Großhirn, der größte Teil des Gehirns, beinhaltet die Motorik. Die rechte Gehirnhälfte steuert die linke Körperhälfte und umgekehrt. Ein wichtiger Bestandteil des Großhirns ist die Großhirnrinde, eine etwa drei Millimeter dünne Schicht, in der etwa 20 Milliarden Nervenzellen arbeiten. Hier werden alle Sinneseindrücke verarbeitet: Hören, Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken. Auch das Gedächtnis und die räumliche Orientierung sind hier angesiedelt. Die Großhirnrinde ist der am stärksten entwickelte Teil des Gehirns und verantwortlich für das Bewusstsein.
In der linken Gehirnhälfte, insbesondere im Schläfenbereich, sind Verstehen und Sprechen lokalisiert. Es gibt nicht nur ein einzelnes Zentrum dafür, sondern verschiedene Bereiche, die unabhängig voneinander funktionieren. Dies wird durch Menschen bewiesen, bei denen nach einem Unfall einzelne Hirnbereiche geschädigt sind oder ausfallen. Manche können danach noch alles verstehen, aber nicht mehr sprechen, während andere nach einem Schlaganfall nur noch sprechen können, aber den Sinnzusammenhang nicht mehr erfassen. In der rechten Hälfte befinden sich vor allem das Sehzentrum und der Orientierungssinn.
Würde man die Großhirnwindungen im menschlichen Kopf glätten, würden sie eine Fläche von vier DIN-A4-Blättern bedecken - viermal so groß wie beim Schimpansen. Die beiden Gehirnhälften sind über den Balken, eine Art Brücke im Schädelinneren, miteinander verbunden. Wenn uns etwas nicht direkt einfällt, tippen wir oft automatisch an die Stirn - eine durchaus sinnvolle Geste. Damit versuchen wir, unserem Gehirn "auf die Sprünge zu helfen", denn direkt hinter der Stirnseite befindet sich das Kurzzeitgedächtnis als Teil des Frontallappens der Großhirnrinde.
Gedächtnisarten
Das Gedächtnis wird in verschiedene Kategorien unterteilt, die sich auf die Zeitspanne beziehen, in der die Gedächtnisinhalte abgerufen werden können:
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- Ultrakurzzeitgedächtnis (sensorisches Gedächtnis): Behält Inhalte nur Millisekunden bis maximal zwei Sekunden. Hier landet beispielsweise eine neue Telefonnummer, die man hört und ins Telefon eingibt.
- Kurzzeitgedächtnis: Ermöglicht das Abspeichern von Daten über einen Zeitraum von einigen Sekunden bis wenigen Minuten. So kann man sich zum Beispiel eine nachgeschlagene Nummer kurz merken, bis man sie aufgeschrieben hat.
- Langzeitgedächtnis: Speichert wichtige Informationen, die es wert sind, aufgehoben zu werden. Es umfasst den aktiven und passiven Wortschatz, Erinnerungen, Daten, Fakten, gelerntes Wissen und den erworbenen Wortschatz fremder Sprachen.
Das Langzeitgedächtnis wird weiter unterteilt in:
- Deklaratives Gedächtnis (explizites Gedächtnis): Speichert bewusste, sprachlich abrufbare Inhalte. Es wird unterteilt in episodisches Gedächtnis (autobiographisches Wissen) und semantisches Gedächtnis (Schul- oder Faktenwissen).
- Nicht-deklaratives Gedächtnis (implizites Gedächtnis): Speichert unbewusste Inhalte, die nicht sprachlich abrufbar sind, wie automatisierte Fertigkeiten (z.B. Autofahren, Radfahren).
Beteiligte Gehirnbereiche
Es gibt keine klar abgrenzbare Struktur im Gehirn, die ausschließlich für das Gedächtnis zuständig ist. Vielmehr ist ein Netzwerk von Nervenzellen verantwortlich, das sich über verschiedene Hirnbereiche erstreckt. Für das prozedurale Gedächtnis sind beispielsweise die Basalganglien, (prä-)motorische und cerebelläre (Kleinhirn-) Strukturen zuständig. Für das semantische Gedächtnis und episodische Inhalte sind die Amygdala und der Hippocampus wichtig. Die Amygdala speichert Erinnerungen mit emotionalem Gehalt.
Der Hippocampus im vorderen medialen Temporallappen ist als Zwischenspeicher für Daten, die in das Langzeitgedächtnis übernommen werden sollen, unerlässlich, um neue Informationen abspeichern zu können. Um Gedächtnisinhalte abrufen zu können, ist die Funktionsfähigkeit der Corpora mamillaria (gehören zum Zwischenhirn) von Bedeutung.
Der Hippocampus: Schaltzentrale des Gedächtnisses
Der Hippocampus, ein Teil des limbischen Systems, spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung und dem Abruf von Erinnerungen. Er befindet sich im Schläfenlappen des Großhirns und wird als "Schaltzentrale" des Gedächtnisses betrachtet. Hier fließen verschiedenste Informationen zusammen, werden verarbeitet und dann zur Großhirnrinde zur dauerhaften Speicherung zurückgesandt.
Der Hippocampus ist nicht der Ort, an dem Erinnerungen dauerhaft abgelegt werden. Stattdessen werden Erinnerungen an miteinander verknüpfte Sinneswahrnehmungen in der Großhirnrinde gespeichert. Der Hippocampus dient als Entscheidungsinstanz und leitet Informationen über die Umwelt an die Großhirnrinde weiter, wo Sinneswahrnehmungen miteinander verknüpft werden.
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Die Amygdala: Emotionale Gedächtnisinhalte
Die Amygdala, ebenfalls Teil des limbischen Systems, ist für die Speicherung von Erinnerungen mit emotionalem Gehalt zuständig. Sie reagiert auf Angst und Furcht und speichert emotionale Momente besonders lange im Gedächtnis.
Die Großhirnrinde: Langzeitspeicher
Die Großhirnrinde ist der Ort, an dem Erinnerungen dauerhaft gespeichert werden. Hier werden Sinneswahrnehmungen miteinander verknüpft und Assoziationen gebildet. Die Speicherung von Informationen erfolgt dort, wo sie primär verarbeitet werden. In der rechten Hirnhälfte werden eher episodisch-autobiographische Erinnerungen gespeichert, in der linken Hirnhälfte eher semantisches Wissen.
Gedächtnisstörungen
Bei Gedächtnisstörungen sind die Merk- oder Erinnerungsfähigkeit beeinträchtigt. Der Auslöser kann ein Trauma, beispielsweise ein Unfall, sein. Eine retrograde Amnesie bezeichnet den Gedächtnisverlust für die Zeit vor einem bestimmten Ereignis, eine anterograde Amnesie den Gedächtnisverlust für die Zeit nach diesem Ereignis.
Wenn das Kurzzeitgedächtnis ausfällt, können sich Betroffene nicht an direkt vorausgegangene Gespräche oder Ereignisse erinnern, während ältere Ereignisse, die zum Teil Jahre zurückliegen, genau erinnert werden. Das Kurzzeitgedächtnis nimmt im Alter zunehmend ab.
Gedächtnisstörungen können aber nicht nur durch Verletzungen von außen (Schädel-Hirn-Trauma) verursacht werden, sondern auch durch innere Verletzungen wie Gefäßblutungen bei einem Schlaganfall. Degenerative Veränderungen wie die Alzheimer-Krankheit oder Demenz sind ebenfalls häufige Ursachen für ein gestörtes Gedächtnis. Auch Medikamente (Neuroleptika) und Alkohol können zu Gedächtnisstörungen führen.
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Bei Schädigungen im Bereich der Amygdala sind mit Emotionen verbundene Gedächtnisinhalte gestört. Die Betroffenen können sich nur noch an reine Fakten ohne jeglichen emotionalen Inhalt erinnern.
Forschung und zukünftige Behandlungen
Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erforschen, wie verschiedene Teile des Gehirns zusammenarbeiten, um Erinnerungen aufzubauen und wieder abzurufen. Ihre Ergebnisse können dabei helfen, Gedächtnisstörungen zukünftig besser zu behandeln.
Während der Bildung einer Erinnerung werden Informationen von der Großhirnrinde zum Hippocampus geleitet. Beim Abrufen einer Erinnerung läuft dieser Informationsfluss umgekehrt ab. Die Interaktionen zwischen den verschiedenen Zentren beim Aufbau von Erinnerungen zu verstehen, ist die Basis dafür, in Zukunft Gedächtnisstörungen besser behandeln zu können.
Gedächtnis stärken
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Gedächtnis zu trainieren und fit zu halten. Dazu gehören:
- Gehirnjogging: Das Gedächtnis mit Gehirnjogging auf Trab halten.
- Bewegung: Viel Bewegung sorgt für eine bessere Durchblutung des Gehirns.
- Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Gedächtnisleistung.
- Gesunde Ernährung: Eine gesunde Ernährung versorgt das Gehirn mit wichtigen Nährstoffen.
- Neues lernen: Immer wieder Neues lernen hält das Gedächtnis fit.