Träume sind ein faszinierendes Phänomen, das uns jede Nacht in bizarre Welten der Imagination entführt. Wir reisen in die Vergangenheit, blicken in die Zukunft, erleben lustvollen Sex und peinigende Angst. Doch welcher Teil unseres Gehirns ist eigentlich für diese lebhaften, oft surrealen Erfahrungen verantwortlich? Die Antwort ist komplex, denn Träume sind kein isoliertes Produkt eines einzelnen Hirnareals, sondern das Ergebnis der Aktivität verschiedener Hirnregionen, die auf komplexe Weise miteinander interagieren.
Die Rolle des REM-Schlafs
Lange Zeit gingen Wissenschaftler davon aus, dass wir nur während des REM-Schlafs (Rapid Eye Movement) träumen, der durch schnelle Augenbewegungen und eine hohe Gehirnaktivität gekennzeichnet ist. In der REM-Phase ist das Gehirn beispielsweise aktiver als während des Tiefschlafs. Wacht man während einer aktiven Phase auf, kann man sich oft an einen Traum erinnern. Wacht man hingegen während der Tiefschlafphase auf, erinnert man sich seltener.
Die Phasen des Schlafes haben auch Einfluss darauf, ob wir uns an einen Traum erinnern können oder nicht. Insgesamt gibt es vier Phasen, die zusammen einen Schlafzyklus ergeben, der mehrmals pro Nacht durchlaufen wird:
- Einschlafphase (zu Beginn des ersten Zyklus)
- Leichter Schlaf
- Tiefschlafphase
- REM-Schlafphase
Allerdings träumen wir auch während des Non-REM-Schlafs. Forscher konnten 2017 die Bereiche unseres Gehirns identifizieren, aus denen unsere Träume stammen, indem sie die Elektroenzephalogramme von schlafenden Personen sowohl im REM- als auch im Non-REM-Schlaf analysierten. Sie stellten fest, dass die aktiven Bereiche mit den Themen der Träume übereinstimmten.
Beteiligte Hirnregionen
Ähnlich wie im Wachzustand ist das gesamte Gehirn an der Entstehung der Träume beteiligt. Bewegt man im Traum eine Hand, dann ist wahrscheinlich auch der Motorcortex aktiv. Und wenn man im Traum spricht, ist das Sprachproduktionszentrum aktiv.
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- Sensorische Regionen: Insbesondere der assoziative visuelle Cortex (nicht zu verwechseln mit dem primären visuellen Cortex), der Bilder produziert, die Amygdala, die Emotionen verarbeitet, oder auch der Hippocampus, der für das Gedächtnis zuständig ist, weisen eine hohe Aktivität auf.
- Motorcortex: Der Motorcortex leitet Nervenimpulse über das Rückenmark in die Muskulatur weiter und löst so eine Bewegung aus. Bei Träumenden, die sich bewegen wollen, ist der Motorcortex ebenfalls aktiv. Allerdings wird die Übertragung der Impulse im Hirnstamm - also dem Teil, der das Gehirn mit dem Rückenmark verbindet - blockiert. Darum bewegen wir uns nicht, wenn wir träumen.
- Amygdala: In der Amygdala, wo Emotionen verarbeitet werden, lässt sich während des Träumens eine höhere Aktivität messen als im Wachzustand.
- Frontaler Cortex: Das Stirnhirn, auch frontaler Cortex genannt, ist für die kritische Bewertung von Geschehnissen zuständig. Normalerweise ist es im Schlaf weitgehend inaktiv. Daher sind wir gar nicht dazu in der Lage, die Erlebnisse im Traum zu hinterfragen. Bei Klarträumen ist das anders: Das Stirnhirn ist dabei deutlich aktiver.
Klarträume: Einblicke in die Traumsteuerung
Manche Menschen werden sich beim Träumen bewusst, dass sie sich in einem Traum befinden. Dies wird als luzides Träumen oder Klarträumen bezeichnet. Erstmals haben Wissenschaftler gezeigt, dass das Gehirn bei sogenannten „Klarträumen“ zwei Bewusstseinszustände gleichzeitig einnimmt. Das schlafende Gehirn träumt und unternimmt zeitgleich eine kritische Bewertung und Realitätsüberprüfung dieser Traumphantasien.
Bei Klarträumen ist ein Teil des Gehirns plötzlich ein wenig wacher, während der Rest weiter schläft. Vor allem Gehirnteile, die für die Selbsteinschätzung, die Bewertung eigener Gedanken sowie Gefühle und die Selbstwahrnehmung stehen, zeigten bei den Klarträumern erhöhte Aktivität.
Die Messung von Träumen
Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) kann Hirnaktivitäten sichtbar machen. Doch die Analyse von Träumen ist schwierig: Welche Regung gehört zum Traum und welche nicht? Forscher haben mit Messungen bei Klarträumen (luziden Träumen) belegt, dass das Gehirn bei Traumhandlungen ähnlich arbeitet wie bei realen Handlung.
Neun Klarträumer legten sich im fMRT zur Ruhe und träumten davon, die linke und dann die rechte Hand für zehn Sekunden zu einer Faust zu ballen. Die Forscher maßen zunächst die Gehirnströme und konnten so den Eintritt in den "Rapid-Eye-Movement-Schlaf" bestimmen - einer Phase, in der man Träume besonders intensiv empfindet. Die ab diesem Zeitpunkt gemessene Hirnaktivität spiegelte den vereinbarten "Traum" wider. So wird in den fMRT-Bildern deutlich, dass eine Region der Großhirnrinde aktiviert wurde, die für das Ausführen von Bewegungen im Wachzustand zuständig ist.
Was passiert im Gehirn?
Während des Schlafs ruht das Gehirn logischerweise. Bei Menschen, die sich im (REM-)Schlaf befinden, werden bestimmte Funktionen ausgeschaltet oder verlangsamt, wie z. B. die primäre Sehrinde, die Teil der Verarbeitungskette der von der Netzhaut kommenden Informationen ist. In anderen Bereichen hingegen ist eine hohe Aktivität zu beobachten, insbesondere in den sensorischen Regionen.
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Warum träumen wir?
Die wohl grundlegendste Frage „Warum träumen wir?“ können Schlafforscher und -forscherinnen nicht eindeutig beantworten. Das hat auch damit zu tun, dass die Methodik an ihre Grenzen kommt: Um die Funktion eines Traums zu untersuchen, müssen Forschende den Traum kennen. Sie sind also darauf angewiesen, dass ihnen eine Person von ihrem Traum erzählt. Das Problem dabei ist, dass der Effekt eines Traumes - wenn vorhanden - nach dem Berichten nicht mehr zwingend auf den Traum zurückzuführen ist. Schließlich kann der Effekt auch durch das Nachdenken beim Erzählen über den Traum entstanden sein.
Trotz dieser Hürde gibt es mehrere Theorien über den Sinn des Träumens:
- Verarbeitung von Emotionen: Eine Theorie besagt, dass wir in unseren Träumen lernen, mit Angstsituationen umzugehen. Haben wir tagsüber eine gefährliche Situation erlebt, verfestigen wir im Traum das Wissen, mit dem wir der Gefahr das nächste Mal begegnen können. So wird die Überlebenschance erhöht und das Überleben gesichert. Die intensivste Form der Verarbeitung wäre in diesem Fall ein Albtraum.
- Problemlösung und Vorbereitung auf die Zukunft: Einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen eher davon aus, dass Träume helfen, aktuelle Probleme zu lösen. Die Annahme dahinter ist, dass das Gehirn beim Träumen alte und aktuelle Erfahrungen mischt und abspeichert. Zusätzlich scheint es kreative Lösungsmöglichkeiten durchzuspielen. In die gleiche Kerbe schlägt die Theorie, nach der wir uns in Träumen auf zukünftige Situationen vorbereiten und praktische Fähigkeiten trainieren.
- Gedächtniskonsolidierung: Während des Schlafs wird das Gedächtnis konsolidiert, und zwar für prozedurale Aufgaben (Fertigkeiten) wie auch für deklarative Aufgaben (z.B. das Lernen von Verben). Zu der Konsolidierung kommt es allem Anschein nach auf zelluläre Ebene.
Träume verstehen und beeinflussen
Träume sind kein Abdruck der Wacherlebnisse. Im Traum sind immer Themen und Elemente des Wachlebens dabei, aber die Inhalte werden kreativ gemischt und man kann auch von Dingen träumen, die man noch nie gesehen hat. So wie man sich auch im Wachzustand Dinge in seiner Phantasie ausdenken kann.
Bewusstes Träumen, also das Beeinflussen und Eingreifen in einen Traum, wird als luzides Träumen bezeichnet. Im so genannten Klartraum wird man im Schlaf selbst zum Regisseur. Wer das Klarträumen beherrscht, kann seine Fantasien steuern wie ein Regisseur. Die Folge: Der Schläfer kann im Traum in das Geschehen eingreifen, aktiv Abläufe verändern, Personen oder Szenen in seinem Sinn verändern.
Es gibt verschiedene Techniken, um in den Zustand des Klartraums zu gelangen:
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- DILD (Dream Initiated Lucid Dream): Hierbei macht sich der Träumende aktiv bewusst, dass er nicht mehr wach und damit nicht mehr in der Realität ist. Das Ergebnis: Das Gehirn übernimmt den "Reality Check" in den Schlaf. Dem Träumenden wird bei der Abfrage bewusst, dass er schläft.
- WILD (Wake Initiated Lucid Dream): Hierbei macht sich der noch wache Mensch seinen Zustand bewusst und auch den bald eintretenden Schlaf.