Antidepressiva in der Schlaganfalltherapie: Eine umfassende Betrachtung

Ein Schlaganfall kann nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Folgen haben. Depressionen sind eine häufige und belastende Komplikation nach einem Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet die Rolle von Antidepressiva in der Schlaganfalltherapie, wobei sowohl die potenziellen Vorteile als auch die Risiken und Einschränkungen berücksichtigt werden.

Einführung

Die Post-Schlaganfall-Depression (PSD) ist eine häufige Komplikation nach einem Schlaganfall, die sich negativ auf den Rehabilitationsverlauf, die Lebensqualität und die Mortalität auswirken kann. Die Behandlung der PSD ist daher von großer Bedeutung. Antidepressiva werden häufig zur Behandlung von Depressionen nach einem Schlaganfall eingesetzt. Es gibt jedoch Kontroversen über ihre Wirksamkeit und Sicherheit in dieser speziellen Patientengruppe.

Depressionen nach einem Schlaganfall: Eine häufige Komplikation

Etwa ein Drittel der Schlaganfallüberlebenden entwickelt eine behandlungsbedürftige Depression, die als Post-Schlaganfall-Depression (PSD) bezeichnet wird. Frauen haben möglicherweise ein etwas höheres Risiko als Männer, nach einem Schlaganfall eine Depression zu bekommen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen der PSD sind vielfältig und umfassen sowohl körperliche als auch psychische Faktoren.

  • Gehirnschäden: Ein Schlaganfall schädigt das Gehirn, was das Gefühlsleben verändern kann.
  • Reaktive Depression: Eine Depression kann eine Reaktion auf die körperlichen und geistigen Einschränkungen und den Verlust der Selbstständigkeit sein.
  • Schwere des Schlaganfalls: Depressionen treten häufiger nach schweren Schlaganfällen auf als nach leichteren.
  • Vorherige Depressionen: Menschen, die bereits früher eine Depression hatten, haben ein höheres Risiko, nach einem Schlaganfall eine Depression zu entwickeln.
  • Soziale Faktoren: Die soziale Situation, die Wohnverhältnisse und die verfügbare Unterstützung können die Entstehung einer Depression beeinflussen.

Symptome

Die Symptome einer PSD sind ähnlich wie bei anderen Depressionen:

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  • Tiefe Traurigkeit
  • Interessenverlust
  • Antriebslosigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Schlafstörungen
  • Negative und pessimistische Gedanken über die Zukunft
  • Selbsttötungsgedanken

Es ist wichtig, sich ärztlich beraten zu lassen, wenn mehrere dieser Symptome länger als zwei Wochen andauern.

Schwierigkeiten bei der Diagnose

Es kann schwierig sein, den Unterschied zwischen einer Depression und einer durch die Erkrankung ausgelösten Niedergeschlagenheit zu erkennen. Sprachstörungen und körperliche Einschränkungen können die Diagnose zusätzlich erschweren.

Antidepressiva in der Schlaganfalltherapie

Antidepressiva werden häufig zur Behandlung von Depressionen nach einem Schlaganfall eingesetzt. Sie können auch die körperliche Genesung positiv beeinflussen.

Wirkungsweise

Eine Gruppe von antidepressiv wirksamen Medikamenten, die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, nutzt einen bestimmten Botenstoff im Gehirn für seine Wirkung, das sogenannte Serotonin. Durch Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer wird der Botenstoff Serotonin, der vom Gehirn selbst gebildet wird, an den Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen (den „Synapsen“) stärker verfügbar gemacht. Neben seiner Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, hat Serotonin auch einen Einfluss darauf, als wie stark Reize vom Gehirn verarbeitet werden.

Arten von Antidepressiva

Am besten untersucht sind zwei Gruppen von Antidepressiva:

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  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
  • Trizyklische Antidepressiva

Wirksamkeit

Studien zeigen, dass Antidepressiva Menschen helfen können, die nach einem Schlaganfall eine Depression entwickelt haben. Eine Metaanalyse prospektiver Beobachtungsstudien ergab, dass bei etwa 31 % aller Überlebenden zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach einem Schlaganfall eine depressive Störung nachweisbar ist.

  • Ohne Antidepressiva hatten 71 von 100 Menschen noch eine Depression.
  • Mit Antidepressiva hatten 50 von 100 Menschen noch eine Depression.
  • Die Antidepressiva wirkten also bei 21 von 100 Menschen gegen die Depression.

Die Wirkung der Medikamente setzt nicht sofort ein. Innerhalb der ersten 6 bis 8 Wochen verringern sich die Beschwerden jedoch oft. Manchen Menschen geht es allerdings auch ohne die Einnahme von Antidepressiva mit der Zeit wieder besser. Generell gilt: Je ausgeprägter die Depression, desto größer ist der Nutzen der Medikamente.

Einschränkungen der Wirksamkeit

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt nach einer Auswertung von Studien zur Behandlung von Depressionen nach einem Schlaganfall zu dem Ergebnis, dass Antidepressiva bei Menschen nach Schlaganfällen allgemein nicht so wirksam sind wie bei herkömmlichen Depressionen.

Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2019 kommt zu dem Schluss, dass Antidepressiva (unabhängig von einer Depressionsbehandlung), wenn sie im ersten Jahr nach einem Schlaganfall verordnet werden, die Funktionserholung nicht verbessern. Wenn es darum geht, die Funktionserholung nach einem Schlaganfall unabhängig vom Vorliegen einer Depression zu fördern, dann sprächen die Ergebnisse nicht dafür, diese Art von Medikamenten zu verordnen. Es sei ausdrücklich erwähnt, dass sie zur Behandlung der Depression auch nach Schlaganfall nützlich sind. Das war jedoch nicht die Fragestellung des systematischen Reviews.

Risiken und Nebenwirkungen

Antidepressiva können unerwünschte Wirkungen haben und die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Häufige Nebenwirkungen sind Benommenheit, Zittern und Verdauungsprobleme. Da nach einem Schlaganfall das Laufen schwerfallen oder nur mit Unterstützung möglich sein kann, ist es besonders wichtig, auf Nebenwirkungen zu achten, die die Koordination beeinflussen. Schwindel und Benommenheit können zum Beispiel das Sturzrisiko erhöhen.

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Eine Studie des AECOM ergab, dass Frauen, die Antidepressiva einnehmen, eine um 45 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, einen Schlaganfall zu bekommen als jene Frauen, die keine derartigen Medikamente einnehmen. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische SSRIs erhöhten jedoch besonders das Risiko für eine ganz spezielle Art des Schlaganfalls.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Antidepressiva können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben. Aus diesen und anderen Gründen werden Menschen nach einem Schlaganfall, die Antidepressiva einnehmen, sorgfältig ärztlich überwacht.

Alternative und ergänzende Behandlungsmethoden

Neben Antidepressiva gibt es auch andere Behandlungsmethoden für Depressionen nach einem Schlaganfall.

Psychotherapie

Psychiatrische und psychologische Fachkräfte können dabei unterstützen, mit der Erkrankung und der veränderten Lebenssituation umzugehen. Im Krankenhaus oder der Rehaklinik gibt es entsprechende Angebote.

Rehabilitation

Eine gut organisierte Behandlung und Rehabilitation trägt dazu bei, die krankheitsbedingten Einschränkungen zu bessern. Studien zeigen, dass Medikamente gegen Depressionen (Antidepressiva) Menschen helfen können, die nach einem Schlaganfall eine Depression entwickelt haben. Möglicherweise wirken sie sich auch auf die körperliche Genesung positiv aus.

Ergotherapie

Es ist auch erwiesen, dass Ergotherapie helfen kann, bestimmte Körperfunktionen wiederzuerlangen. Dabei werden alltägliche Verrichtungen wie Waschen, Anziehen oder Haushaltstätigkeiten geübt.

Bewegungs- und Krafttraining

Bewegungs- und Krafttraining ist wichtig und kann sogar dazu beitragen, dass sich depressive Beschwerden bessern.

Unterstützung durch Angehörige und Freunde

Die Genesung nach einem Schlaganfall gelingt besser, wenn alle Beteiligten die Behandlung intensiv unterstützen - also Fachkräfte aus Pflege, Physiotherapie und Psychologie, Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige. Beratung und Psychoedukation können dabei helfen. Bei der Psychoedukation lernen Betroffene und Angehörige, die Erkrankung zu verstehen und mit den Folgen umzugehen.

Selbsthilfegruppen

Es gibt viele Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, die Erkrankten und ihren Angehörigen Hilfestellungen bei verschiedensten pflegerischen, finanziellen oder psychosozialen Anliegen geben können. Viele Städte und Gemeinden unterhalten auch Pflegeberatungsstellen, deren Angebot kostenlos ist.

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