Das Ruhepotential ist ein grundlegendes Konzept der Neurophysiologie und beschreibt den elektrischen Zustand einer Nervenzelle im Ruhezustand. Es ist die Grundlage für die Erregbarkeit von Nervenzellen und somit essentiell für die Signalübertragung im Nervensystem.
Was ist das Ruhepotential?
Das Ruhepotential ist die elektrische Spannung, die zwischen der Innenseite und der Außenseite der Zellmembran einer nicht erregten Zelle besteht. Bei den meisten Nervenzellen beträgt es etwa -70 mV. Dieser Wert bedeutet, dass das Innere der Zelle im Vergleich zur Außenseite negativ geladen ist. Das Vorliegen von unterschiedlichen Ladungen außerhalb und innerhalb der unerregten Zellmembran wird als Ruhepotential bezeichnet. Das Membranpotential ist zell- und umgebungsabhängig. Es beträgt etwa -70 bis -90 mV. Da dieses Potential anliegt, wenn die Zelle keinen Nervenimpuls weiterleitet, sich also in Ruhe (OFF) befindet, wird es als Ruhepotential bezeichnet.
Entstehung des Ruhepotentials
Die Entstehung des Ruhepotentials beruht auf mehreren Faktoren, die im Zusammenspiel eine ungleiche Ionenverteilung zwischen dem Zellinneren und dem Zelläußeren erzeugen. Diese Faktoren sind:
Ungleiche Ionenverteilung
Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Zelle liegen verschiedene Ionen vor, darunter Natrium- (Na+), Kalium- (K+), Chlorid- (Cl-) und organische Anionen (A-). Die Konzentration dieser Ionen ist jedoch innerhalb und außerhalb der Zelle unterschiedlich.
| Ion | Konzentration extrazellulär (mmol/l) | Konzentration intrazellulär (mmol/l) |
|---|---|---|
| Natrium (Na+) | 143 | 14 |
| Kalium (K+) | 4,5 | 150 |
| Chlorid (Cl-) | 105 | 3,5 |
| Hydrogencarbonat (HCO3-) | 25 | 10 |
| Calcium (Ca2+) | 1,5 | 0,00015 |
| Organische Anionen (A-) | - | 155 |
Besonders auffällig sind die folgenden Verhältnisse:
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- [Na+] (innen/außen) = 1 : 10
- [K+] (innen/außen) = 30 : 1
- [Ca2+] (innen/außen) = 1 : 1000
Selektive Permeabilität der Zellmembran
Die Zellmembran ist nicht für alle Ionen gleich durchlässig. Sie ist selektiv permeabel, was bedeutet, dass sie bestimmte Ionen leichter passieren lässt als andere. Im Ruhezustand ist die Membran vor allem für Kaliumionen (K+) durchlässig, während die Durchlässigkeit für Natriumionen (Na+) gering ist. Chloridionen (Cl-) können die Membran ebenfalls passieren, während organische Anionen (A-) die Membran nicht passieren können.
Die relative Permeabilität der Membran für verschiedene Ionen beträgt:
- Natriumionen (Na+): 0,04
- Kaliumionen (K+): 1,0
- Chloridionen (Cl-): 0,45
- Organische Anionen (A-): 0
Elektrochemischer Gradient
Die ungleiche Ionenverteilung und die selektive Permeabilität der Zellmembran führen zur Entstehung eines elektrochemischen Gradienten für jedes Ion. Dieser Gradient setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
- Konzentrationsgradient: Ionen bewegen sich aufgrund der Brown'schen Molekularbewegung von Bereichen hoher Konzentration zu Bereichen niedriger Konzentration, um einen Konzentrationsausgleich zu erreichen.
- Elektrischer Gradient: Geladene Ionen werden von entgegengesetzt geladenen Bereichen angezogen und von gleich geladenen Bereichen abgestoßen.
Für Kaliumionen (K+) bedeutet dies, dass sie aufgrund des Konzentrationsgradienten aus der Zelle heraus diffundieren, da ihre Konzentration im Zellinneren höher ist als im Zelläußeren. Durch den Ausstrom positiver Kaliumionen wird das Zellinnere jedoch negativer, was einen elektrischen Gradienten erzeugt, der die Kaliumionen zurück in die Zelle zieht. Es entsteht ein Gleichgewicht zwischen dem Konzentrationsgradienten und dem elektrischen Gradienten, das als elektrochemisches Gleichgewicht bezeichnet wird. Das Membranpotential, bei dem dieses Gleichgewicht erreicht ist, wird als Gleichgewichtspotential für Kalium bezeichnet.
Natrium-Kalium-Pumpe
Die Natrium-Kalium-Pumpe ist ein aktiver Transportmechanismus, der unter Energieverbrauch (ATP) Natriumionen (Na+) aus der Zelle heraustransportiert und Kaliumionen (K+) in die Zelle hineintransportiert. Genauer gesagt, pumpt die Natrium-Kalium-ATPase, welche unter Energieverbrauch (ATP-Verbrauch) kontinuierlich drei Natrium-Ionen aus der Zelle und zwei Kalium-Ionen in die Zelle pumpt. Somit wird das Konzentrationsgefälle von Natrium und Kalium aufrechterhalten. Dieser Mechanismus wirkt dem passiven Ionentransport entgegen, der durch die Leckströme von Natrium- und Kaliumionen entsteht. Die Natrium-Kalium-Pumpe trägt somit dazu bei, die ungleiche Ionenverteilung aufrechtzuerhalten und das Ruhepotential zu stabilisieren.
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Messung des Ruhepotentials
Das Ruhepotential kann experimentell mit Hilfe von Mikroelektroden gemessen werden. Dabei wird eine Messelektrode in die Zelle eingeführt, während eine Bezugselektrode außerhalb der Zelle platziert wird. Die Spannung zwischen den beiden Elektroden entspricht dem Ruhepotential. Per Definition ist der Spannungswert „außen“ mit Null (0 V) anzugeben. Das Innere der Zelle ist negativ geladen, dies bedeutet also es wird eine negative Spannung gemessen. Untersuchungen hierzu wurden mithilfe von (spannungsmessenden) Mikroelektroden an den Riesenaxonen des Tintenfisches Loligo durchgeführt.
Bedeutung des Ruhepotentials
Das Ruhepotential ist von entscheidender Bedeutung für die Funktion von Nervenzellen und Muskelzellen. Es bildet die Grundlage für die Erregbarkeit dieser Zellen und ermöglicht die Entstehung von Aktionspotentialen. Nur die Aufrechterhaltung des Ruhepotenzials gewährleistet, dass erregbare Zellen durch die Einwirkung eines Reizes auch erregt werden können.
Erregbarkeit von Nervenzellen
Das Ruhepotential ist wesentlich für die Erregbarkeit von Nervenzellen. Gäbe es das Spannungsgefälle nicht, so wäre eine Weiterleitung elektrischer Signale unmöglich. Durch spezifische Reize, die die spannungsabhängigen Kalium- und Natrium-Kanäle öffnen, kann es zu einer Depolarisation kommen. Kommt es zu Abweichungen vom normalen Ruhepotential, kann es zu schwerwiegenden Folgen für die Zellfunktion kommen. Beispielsweise kann es zur Hyperpolarisation kommen. Bei der Depolarisation wird das Membranpotenzial positiver und es steigt die Wahrscheinlichkeit eines Aktionspotentials.
Signalübertragung im Nervensystem
Nervenzellen nutzen Aktionspotentiale, um Informationen über lange Strecken zu übertragen. Ein Aktionspotential ist eine kurzzeitige Änderung des Membranpotentials, bei der das Zellinnere kurzzeitig positiv geladen wird. Das Ruhepotential stellt den Ausgangszustand dar, von dem aus ein Aktionspotential ausgelöst werden kann.
Muskelkontraktion
Auch Muskelzellen nutzen Aktionspotentiale, um eine Kontraktion auszulösen. Das Ruhepotential ist auch hier die Grundlage für die Erregbarkeit der Muskelzelle.
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Störungen des Ruhepotentials
Abweichungen vom normalen Ruhepotential können zu verschiedenen pathologischen Zuständen führen. Ein gestörtes Ruhepotential kann zu verschiedene pathologische Bildern führen. Es kann zu einer erniedrigten Kaliumkonzentration im Blut kommen, zur sogenannten Hypokaliämie. Dies würde in einer Hyperpolarisation resultieren, wodurch die Nervenzellen weniger erregbar wären und es zu Lähmungen kommen kann. Eine Hyperkaliämie kann zu einer Depolarisation führen und die Erregbarkeit der Zellen übermäßig steigern, was Herzrhythmusstörungen und Muskelkrämpfe zur Folge haben kann.
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