Veränderungen im Gehirn bei Demenz: Ein umfassender Überblick

Demenz ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von neurodegenerativen Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust der kognitiven Fähigkeiten einhergehen. Morbus Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz, aber es gibt auch andere Formen wie die frontotemporale Demenz (FTD) und vaskuläre Demenz. Unabhängig von der spezifischen Art der Demenz führt die Erkrankung zu charakteristischen Veränderungen im Gehirn, die sich auf die kognitiven Funktionen, das Verhalten und die körperliche Gesundheit der Betroffenen auswirken.

Veränderungen auf zellulärer Ebene

Kommunikationsstörungen zwischen Nervenzellen

Eine der ersten Veränderungen im Gehirn bei Demenz betrifft die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Nervenzellen kommunizieren über spezielle Kontaktstellen, die als Synapsen bezeichnet werden. Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es zu Störungen in der Funktion dieser Synapsen, insbesondere in den Bereichen des Gehirns, die für das Gedächtnis und das Lernen wichtig sind.

Konkret beobachtet man bei Alzheimer-Patienten eine Verringerung der Anzahl von dendritischen Dornen, kleinen Ausstülpungen an den Nervenzellen, an denen die Synapsen enden. Diese Reduktion der Dornen führt zu einem Verlust von Kontakten zwischen den Nervenzellen und beeinträchtigt die Signalübertragung. Es wird vermutet, dass senile Plaques, Ablagerungen von Amyloid-Beta-Proteinen, für diese Verringerung der Dornen verantwortlich sind.

Absterben von Nervenzellen

Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz kommt es zum Absterben von Nervenzellen. Dieser Prozess führt zu einem Verlust von Hirngewebe, der sich in Form von "Löchern" im Gehirn manifestiert, die durch bildgebende Verfahren wie die Kernspintomographie sichtbar gemacht werden können. Das Absterben von Nervenzellen betrifft vor allem Bereiche des Gehirns, die für das Gedächtnis, das Denken und die Orientierung zuständig sind.

Es wird angenommen, dass das Absterben von Nervenzellen durch die toxische Wirkung von veränderten Tau-Proteinen verursacht wird. Diese Proteine bilden Verklumpungen, die als Alzheimer-Fibrillen bezeichnet werden und die Nervenzellen schädigen.

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Spezifische Veränderungen bei Morbus Alzheimer

Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen

Morbus Alzheimer ist durch das Vorhandensein von zwei charakteristischen Arten von Ablagerungen im Gehirn gekennzeichnet: Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen.

  • Amyloid-Plaques: Diese Plaques bestehen aus Amyloid-Beta-Proteinen, die sich zwischen den Nervenzellen ansammeln und Klumpen bilden. Es wird vermutet, dass diese Plaques die Kommunikation zwischen den Nervenzellen stören und Entzündungen im Gehirn verursachen können.
  • Tau-Fibrillen: Diese Fibrillen bestehen aus veränderten Tau-Proteinen, die sich im Inneren der Nervenzellen ansammeln. Die Veränderungen der Tau-Proteine führen dazu, dass sie ihre normale Funktion verlieren und stattdessen Fibrillen bilden, die die Nervenzellen schädigen und zum Absterben bringen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genaue Rolle von Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen bei der Entstehung von Alzheimer noch nicht vollständig geklärt ist. Einige Forscher vermuten, dass diese Ablagerungen lediglich "Endprodukte" der Krankheit sind und dass die eigentlichen Ursachen der Erkrankung in früheren Stadien der Entwicklung liegen.

Veränderungen im Hippocampus und der Hirnrinde

Bei Alzheimer sind insbesondere zwei Bereiche des Gehirns betroffen: der Hippocampus und die Hirnrinde.

  • Hippocampus: Der Hippocampus spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung neuer Erinnerungen. Bei Alzheimer ist der Hippocampus einer der ersten Bereiche des Gehirns, der geschädigt wird. Dies erklärt, warum Gedächtnisprobleme oft eines der ersten Symptome der Alzheimer-Krankheit sind.
  • Hirnrinde: Die Hirnrinde ist die äußere Schicht des Gehirns und für viele höhere kognitive Funktionen wie Sprache, Denken und Entscheidungsfindung verantwortlich. Im Verlauf der Alzheimer-Krankheit kommt es zu einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen in der Hirnrinde, was zu Beeinträchtigungen dieser Funktionen führt.

Veränderungen bei vaskulärer Demenz

Neben der Alzheimer-Krankheit ist die vaskuläre Demenz eine weitere häufige Form der Demenz. Sie entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu Schädigungen des Hirngewebes führen.

Zerebrale Mikroangiopathien

Eine wichtige Ursache für vaskuläre Demenz sind zerebrale Mikroangiopathien, Erkrankungen der kleinsten Blutgefäße im Gehirn. Diese Erkrankungen können zu Schlaganfällen führen, bei denen das Hirngewebe aufgrund mangelnder Durchblutung abstirbt. Darüber hinaus können Mikroangiopathien auch zu einer chronischen Schädigung des Hirngewebes führen, die sich in Form von Lakunen und Hyperintensitäten in bildgebenden Verfahren zeigt.

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  • Lakunen: Lakunen sind kleine "Löcher" im Gehirn, die durch den vollständigen Verlust von Hirngewebe entstehen.
  • Hyperintensitäten: Hyperintensitäten sind Bereiche im Gehirn, in denen die Zusammensetzung des Hirngewebes verändert ist, obwohl kein Hirngewebe verloren gegangen ist.

Früher ging man davon aus, dass Lakunen und Hyperintensitäten durch unterschiedliche Mechanismen entstehen. Neuere Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass beide Veränderungen am gleichen Ort im Gehirn entstehen und eng miteinander verbunden sind.

Schädigung von Nervenfaserbündeln

Mikroangiopathien können auch die Nervenfaserbündel im Gehirn schädigen. Diese Bündel verbinden verschiedene Hirnregionen miteinander und ermöglichen die Kommunikation zwischen ihnen. Durch die Schädigung der Nervenfaserbündel kann die Signalübertragung im Gehirn beeinträchtigt werden, was zu kognitiven Beeinträchtigungen führen kann.

Veränderungen bei frontotemporaler Demenz (FTD)

Die frontotemporale Demenz (FTD) ist eine eher seltene Form der Demenz, die sich von der Alzheimer-Krankheit unterscheidet. Bei der FTD sterben Nervenzellen vor allem im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen) ab. Diese Bereiche des Gehirns sind für das Sozialverhalten, die Verhaltenskontrolle und das Sprachverständnis zuständig.

Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit

Die FTD manifestiert sich häufig durch Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit. Betroffene können unkonzentriert, desinteressiert und achtlos wirken. Sie können sich zurückziehen, Familie und Freizeitinteressen vernachlässigen und träge und gleichgültig werden. Im Sozialverhalten können sie durch Takt- und Empathielosigkeit auffallen.

Sprachstörungen

Neben den Verhaltensänderungen können bei der FTD auch Sprachstörungen auftreten. Betroffene können Schwierigkeiten haben, Wörter zu finden, Sätze zu bilden oder Sprache zu verstehen.

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Stadien der Demenz

Der Verlauf der Demenz ist fortschreitend, wobei sich die Symptome im Laufe der Zeit verschlimmern. Die Alzheimer-Krankheit wird oft in sieben Stadien eingeteilt, die einen Überblick darüber geben, wie sich die Fähigkeiten der Betroffenen im Verlauf der Krankheit verändern.

Stadium 1: Keine Beeinträchtigung

In diesem Stadium gibt es keine Anzeichen von Gedächtnisproblemen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Stadium 2: Sehr leichte kognitive Beeinträchtigung

In diesem Stadium können Betroffene leichte Gedächtnislücken oder Schwierigkeiten mit der Wortfindung haben. Diese Symptome sind jedoch oft subtil und können leicht übersehen werden.

Stadium 3: Leichte kognitive Beeinträchtigung

In diesem Stadium werden die Gedächtnisprobleme deutlicher und können sich auf die Arbeitsleistung oder soziale Aktivitäten auswirken. Betroffene können Schwierigkeiten haben, sich an Namen oder Termine zu erinnern, und können Gegenstände verlegen.

Stadium 4: Mäßige kognitive Beeinträchtigung

In diesem Stadium werden die Gedächtnisprobleme schwerwiegender und können sich auf die Fähigkeit auswirken, alltägliche Aufgaben zu erledigen. Betroffene können Schwierigkeiten haben, sich an aktuelle Ereignisse zu erinnern, und können Probleme mit dem Umgang mit Geld haben.

Stadium 5: Mäßig schwere kognitive Beeinträchtigung

In diesem Stadium benötigen Betroffene Hilfe bei vielen alltäglichen Aktivitäten wie dem Anziehen, Waschen und Essen. Sie können Schwierigkeiten haben, sich an ihren eigenen Namen oder ihre Adresse zu erinnern, und können sich in vertrauten Umgebungen verirren.

Stadium 6: Schwere kognitive Beeinträchtigung

In diesem Stadium benötigen Betroffene ständige Betreuung und Hilfe bei fast allen Aspekten des Lebens. Sie können Schwierigkeiten haben, zu sprechen, zu verstehen und sich zu bewegen. Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensprobleme können ebenfalls auftreten.

Stadium 7: Sehr schwere kognitive Beeinträchtigung

In diesem Stadium verlieren Betroffene die Fähigkeit, sich mit ihrer Umgebung zu verständigen, eine Unterhaltung zu führen und schließlich Bewegungen zu kontrollieren. Sie benötigen umfangreiche Hilfe bei der täglichen Betreuung, einschließlich beim Essen oder dem Gang zur Toilette.

Körperliche Auswirkungen der Demenz

Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz können auch körperliche Beeinträchtigungen auftreten. Dazu gehören:

  • Gangstörungen: Betroffene können Schwierigkeiten beim Gehen haben, einen unsicheren Gang entwickeln oder plötzlich nicht mehr laufen können.
  • Motorische Einschränkungen: Betroffene können Schwierigkeiten bei der Koordination von Bewegungen haben, was sich beispielsweise darin äußern kann, dass sie ins Leere greifen oder Schwierigkeiten haben, mit beiden Händen zwei verschiedene Bewegungen gleichzeitig auszuführen.
  • Körperhaltung: Die Körperhaltung kann eingesunken sein, und Betroffene können Schwierigkeiten haben, den Kopf aufrecht zu halten.
  • Feinmotorik: Die Feinmotorik kann beeinträchtigt sein, so dass Betroffene Schwierigkeiten haben, Tätigkeiten auszuführen, die Geschick oder Präzision erfordern, wie z.B. das Essen mit Messer und Gabel oder das Anziehen von Kleidung.
  • Inkontinenz: Harn- und/oder Stuhlinkontinenz können auftreten, was die Selbstständigkeit weiter einschränkt.
  • Schluckstörungen: Schluckstörungen (Dysphagien) können auftreten, was das Risiko für Lungenentzündungen (Aspirationspneumonie) erhöht.
  • Schlafstörungen: Demenzkranke leiden häufig unter einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus, was zu Unruhe und Verwirrung führen kann.

Neue Therapieansätze

In den letzten Jahren gab es bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung von Therapien zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Seit 2023 stehen zwei Antikörper zur ursächlichen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz zur Verfügung. Diese Antikörper bauen aktiv Amyloid-Plaques ab, die bei der Entstehung der Krankheit eine zentrale Rolle spielen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Therapien nur in frühen Stadien der Erkrankung wirksam sind. Daher ist eine frühe Diagnose entscheidend, um von diesen Fortschritten profitieren zu können.

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