Wie das Gehirn Sprache verarbeitet: Von Hirnströmen zu Gedanken

Die Entschlüsselung der neuronalen Grundlagen von Sprache und Denken ist eine der größten Herausforderungen der modernen Neurowissenschaft. Fortschritte in der Brain-Computer-Interface (BCI)-Technologie ermöglichen es Forschern, Hirnströme auszulesen und zu interpretieren und so Einblicke in die komplexen Prozesse zu gewinnen, die der menschlichen Kommunikation zugrunde liegen. Dieser Artikel untersucht, wie BCI-Technologien eingesetzt werden, um Sprache zu verstehen und zu extrahieren, beginnend mit grundlegenden Konzepten bis hin zu den neuesten Durchbrüchen und ethischen Überlegungen.

Brain-Computer-Interfaces: Eine Einführung

Brain-Computer-Interfaces (BCIs) stellen eine revolutionäre Technologie dar, die eine direkte Kommunikationsverbindung zwischen dem Gehirn und externen Geräten ermöglicht. Ursprünglich für die Unterstützung von Menschen mit motorischen Einschränkungen entwickelt, haben sich BCIs zu einem vielversprechenden Werkzeug für die Erforschung und das Verständnis der neuronalen Grundlagen von Kognition und Verhalten entwickelt.

Nicht-invasive BCIs

Nicht-invasive BCIs, wie sie in der Elektroenzephalografie (EEG) eingesetzt werden, messen die elektrische Aktivität des Gehirns über Elektroden, die auf der Kopfhaut platziert werden. Diese Technologie ist relativ einfach anzuwenden und birgt keine direkten Risiken für das Gehirn. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist die Steuerung eines Cursors auf einem Bildschirm durch das Vorstellen von Bewegungen. Beispielsweise werden Probanden gebeten, sich vorzustellen, wie sie ihren linken Arm heben. Ein Machine-Learning-System lernt diese Muster und kann bei Erkennung des Musters einen zugeordneten Befehl ausführen, etwa den Cursor auf einem Bildschirm nach oben zu setzen.

Invasive BCIs

Invasive BCIs hingegen erfordern das Einsetzen von Elektroden direkt in das Gehirn, um präzisere und detailliertere Messungen der neuronalen Aktivität zu ermöglichen. Ein gängiges Beispiel ist das Utah-Array, eine kleine Platte mit etwa 100 feinen Nadelelektroden, die mit der Oberfläche der gewünschten Hirnregion in Kontakt gebracht wird. Diese Arrays leiten die gemessenen Signale an einen Computer weiter, der sie aufzeichnet und analysiert. Invasive BCIs erfordern einen chirurgischen Eingriff und bergen Risiken wie Infektionen und Entzündungsreaktionen.

Sprachdekodierung mit BCIs

Die Möglichkeit, Sprache direkt aus dem Gehirn auszulesen, hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Frühe Ansätze konzentrierten sich auf die Zuordnung von Mustern in Hirnströmen zu verschiedenen Buchstaben, was es den Nutzern ermöglichte, Wörter zu bilden, indem sie sich verschiedene Bewegungen vorstellten. Diese Systeme hatten jedoch wenig mit dem direkten Auslesen von Sprache aus dem Gehirn gemein, da die Signale, die ein nicht-invasives BCI liefert, zu grob sind.

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Fortschritte durch invasive BCIs

Invasive BCIs haben jedoch vielversprechende Ergebnisse bei der Sprachdekodierung gezeigt. Ein bahnbrechendes Experiment des Neuroinformatikers Nima Mesgarani im Jahr 2018 nutzte ein Hirnimplantat, um Hirnströme direkt im auditiven Zentrum des Gehirns zu messen. Durch den Vergleich der gemessenen Werte mit vorgelesenen Wörtern und Zahlen konnte ein Machine-Learning-System nach entsprechendem Training Zahlen, Wörter und Sätze wiedergeben, die der Proband im auditiven Zentrum verarbeitete.

Ein weiteres bemerkenswertes Experiment einer Gruppe um den Neurowissenschaftler Sergey D. Stavisky an der kalifornischen Stanford University platzierte ein Utah-Array auf dem Motorcortex, um Bewegungsdaten zu messen. Dabei stellten sie fest, dass verwertbare Muster entstehen, wenn die Probanden reden. Ein aktuelles Experiment des Bioingenieurs Frank Willett, ebenfalls an der Stanford University, analysierte geschriebene Sprache, indem er ein Implantat am Motorcortex platzierte. Der Proband stellte sich vor, wie er Buchstaben und Wörter mit der Hand schreibt, und die dabei entstehenden Muster in den Hirnströmen unterschieden sich so deutlich voneinander, dass ein Machine-Learning-Algorithmus sie leichter erkennen konnte. Das System verstand 94 % der Zeichen korrekt, und in Verbindung mit einer Autokorrektur lag die Treffsicherheit des Systems bei über 99 %.

Herausforderungen und Einschränkungen

Trotz dieser Fortschritte gibt es noch erhebliche Herausforderungen bei der Sprachdekodierung. Das Verstehen, Denken, Formulieren und Aussprechen von Sprache verteilt sich auf viele Bereiche des Gehirns, was die Messung dieser Aktivität erschwert. Darüber hinaus können sich die Muster in den Hirnströmen von Tag zu Tag leicht ändern, was eine tägliche Neukalibrierung der Systeme erforderlich macht. Entzündliche Reaktionen des Gewebes auf Implantate stellen ebenfalls ein Problem dar, da sie zu einer Gliose führen können, bei der das betroffene neuronale Gewebe durch andere Zellen ersetzt wird, die keine neuronale Funktion mehr haben.

Neuralink und die Zukunft der BCIs

Das Startup Neuralink von Elon Musk hat mit Experimenten wie einem per Implantat Pong spielenden Makaken für Aufsehen gesorgt. Das interessante am Implantat von Neuralink sind die technischen Daten. Das Array hat mit 1024 Elektroden eine erheblich höhere Auflösung. Die Elektroden sind so fein, dass es nicht zu Gewebeschäden und Gliose kommen soll, was Neuralink allerdings noch im Langzeitversuch beweisen muss. Und das System arbeitet drahtlos, wobei das Implantat einen Akku enthält, welcher täglich induktiv aufgeladen werden muss.

Die Rolle der Hirnhälften bei der Sprachverarbeitung

Die linke und rechte Gehirnhälfte spielen eine unterschiedliche, aber komplementäre Rolle bei der Sprachverarbeitung. Die linke Hirnhälfte ist hauptsächlich für die Erzeugung, Zusammenstellung und Analyse von Wörtern zuständig, während die rechte Hirnhälfte für die Interpretation von Klangmustern verantwortlich ist. Studien haben gezeigt, dass die linke Hirnhälfte Übergänge zwischen Vokalen und Konsonanten analysiert, während die rechte Hirnhälfte den Klang an sich analysiert. Dieses Zusammenspiel zwischen den beiden Hirnhälften ermöglicht es dem Gehirn, Sprache effizient und präzise zu verarbeiten.

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Geistige Fitness und Neuroplastizität

Die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Funktionen durch die Bildung von Zellen und Synapsen zu verändern, wird als Neuroplastizität bezeichnet. Diese Fähigkeit lässt sich auch im Alter noch gezielt fördern. Forscher sehen dies als wichtige Voraussetzung dafür, um dem altersbedingten Abbau der Hirnleistung vorzubeugen und geistig fit zu bleiben. Werden Synapsen nicht benutzt, baut der Körper sie ab oder schwächt sie. Andersherum bleiben Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn erhalten, wenn sie häufig beansprucht werden - oder das Gehirn baut sie sogar aus, wenn neue Verbindungen sinnvoll erscheinen. Die Antwort auf die Frage „Was tun für geistige Fitness?“ lautet also ganz einfach: Neues lernen.

Möglichkeiten zur Förderung der Neuroplastizität

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Gehirn zu trainieren und die geistige Fitness zu verbessern:

  • Musik: Musik stimuliert die Hirnnerven und wirkt sich auf die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe aus, die die Neuroplastizität beeinflussen.
  • Fremdsprachen: Das Erlernen einer neuen Sprache fördert die Neuroplastizität und kann die Gehirnleistung verbessern.
  • Körperliche Aktivität: Sport und Bewegung begünstigen ein gesundes Gehirn und können den Alterungsprozess verlangsamen.

Die Herausforderung abstrakter Konzepte

Obwohl BCIs erhebliche Fortschritte bei der Dekodierung konkreter Sprache gemacht haben, bleibt die Entschlüsselung abstrakter Konzepte eine große Herausforderung. Gedanken bestehen aus Bildern, Gerüchen, Klängen, Empfindungen und Emotionen, und es fehlen den Machine-Learning-Systemen schlicht die Vergleichsdaten, um diese mit Hilfe von Korrelationen aus Hirnströmen auszulesen. Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass der Einfluss von Sprache auf unser Denken viel stärker und wichtiger ist, als das bisher angenommen wurde. Die neuen Ergebnisse mit gehirnähnlichen Netzwerken zeigen nun einen starken Einfluss von Sprache auf die Konzeptbildung im Simulationsexperiment.

Ethische Aspekte

Die Fortschritte in der BCI-Technologie werfen wichtige ethische Fragen auf. Der Schutz der Privatsphäre der Gedanken und die Verhinderung des Missbrauchs von Gehirndaten sind von entscheidender Bedeutung. Es ist wichtig, dass klare ethische Richtlinien und Vorschriften entwickelt werden, um sicherzustellen, dass BCIs verantwortungsvoll und zum Wohle der Menschheit eingesetzt werden.

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