Das menschliche Gehirn, von außen unscheinbar wie eine Walnuss und durchschnittlich 1,4 Kilo schwer, ist zweifellos das erstaunlichste und rätselhafteste Organ unseres Körpers. Es reguliert lebenswichtige Funktionen wie Temperatur, Blutdruck, Verdauung, Atmung und Schlaf. Darüber hinaus ist es in der Lage, komplexe mathematische Aufgaben zu lösen, Maschinen zu entwerfen, Romane zu schreiben, ständig neue Fakten zu lernen und sich über Jahrzehnte an unzählige Ereignisse zu erinnern.
Die schlanke Vernetzung intelligenter Gehirne
Lange Zeit wurde vor allem der präfrontale Kortex, ein Bereich der Hirnrinde direkt hinter unserer Stirn, für den Verstand des Menschen verantwortlich gemacht. Neuere Studien zeichnen jedoch ein differenzierteres Bild. Eine unerwartete Entdeckung war, dass intelligentere Menschen weniger Dendriten in ihrem Cortex besitzen. Es scheint, dass bei ihnen eine schwächere, aber effizientere Vernetzung im Gehirn vorherrscht. Diese Erkenntnisse könnten einige widersprüchliche Ergebnisse aus der Intelligenzforschung erklären.
Früher ging man davon aus, dass größere Gehirne mehr Nervenzellen enthalten und somit eine höhere Rechenleistung erzielen. Die Forschung zeigt jedoch, dass intelligente Gehirne sich durch eine schlanke, aber effiziente Vernetzung ihrer Neurone auszeichnen. Trotzdem bleiben viele Fragen offen, und es gibt noch einige Widersprüche. Wie kluge Köpfe wirklich vernetzt sind und ob es überhaupt das typische intelligente Gehirn gibt, wird Neurowissenschaftler in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen.
Denken lernen und Intelligenz steigern
Lange Zeit glaubte man, dass Intelligenz angeboren ist und wir damit leben müssen. Doch ein neuer Zweig der Wissenschaft hat bewiesen, dass man tatsächlich schlauer werden kann. Dieser Zweig nennt sich Gehirntraining und hat in den letzten Jahrzehnten beeindruckende Entdeckungen gemacht.
Schlauer werden durch Training
Studien und Forschungen haben gezeigt, dass bestimmte Teile unseres Gehirns wie ein Muskel durch Training verbessert werden können. Es reicht jedoch nicht aus, einfach nur ein wenig nachzudenken, um cleverer zu werden. Stattdessen ist ein spezielles Training erforderlich, das gezielt unser Gehirn verbessert.
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Wissenschaftliche Belege und Studien
Eine der bekanntesten Studien ist die sogenannte N-Back-Studie. Sie hat bewiesen, dass Gehirntraining unsere Intelligenz steigert, wir schlauer werden können und sogar einen höheren IQ erreichen. Neben der Intelligenz werden vor allem die kognitiven Fähigkeiten verbessert, wie die Fähigkeit zu lernen, sich an Dinge zu erinnern oder sich zu konzentrieren.
Die Wissenschaft dahinter
Gehirntraining basiert auf der Erkenntnis, dass das Arbeitsgedächtnis, ein Teil unseres Gehirns, für die aktive Verarbeitung aller Gedanken zuständig ist. Alles, was wir lernen, erinnern und denken, läuft durch diesen Teil des Gehirns. Unser Arbeitsgedächtnis hat jedoch nur eine sehr begrenzte Kapazität. Sobald diese erreicht ist, werden keine neuen Informationen mehr aufgenommen, und die bereits laufenden Vorgänge werden abgebrochen. Glücklicherweise ist unser Arbeitsgedächtnis auch in der Lage, umzulernen.
Bei Menschen mit höherer kognitiver Leistungsfähigkeit schwingen bestimmte Hirnwellen verstärkt im Gleichtakt. Dieser Takt passt sich auch flexibler den geforderten Aufgaben an. Kognitive Kontrolle ermöglicht es uns, Gedanken, Emotionen und Verhalten zu steuern und an aktuelle Anforderungen anzupassen, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen.
Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben herausgefunden, dass bei Personen mit höherer kognitiver Leistungsfähigkeit die Theta-Hirnwellen mehr im Gleichtakt schwingen und sich flexibler wechselnden Aufgaben anpassen. Die Theta-Konnektivität ist vor allem beim Umsetzen von Entscheidungen relevant, nicht in der vorbereitenden Phase. Entscheidend ist die Fähigkeit des Gehirns, den Takt flexibel der Situation anzupassen.
Denken kluge Menschen schneller?
Intelligenz wird oft mit Schnelligkeit gleichgesetzt. Doch eine Studie aus Berlin kommt zu anderen Ergebnissen: Menschen mit hohem IQ brauchen häufig länger für komplexe Aufgaben. Der Grund dafür ist, dass Menschen, die Probleme langsamer lösen, eine bessere Synchronisation zwischen den verschiedenen Hirnregionen aufweisen. Wer komplexe Aufgaben sehr schnell löst, zeigt dagegen eine geringere Synchronisation. Dies führt dazu, dass diese Menschen eher voreilige Schlüsse ziehen, anstatt abzuwarten, bis vorgeschaltete Hirnregionen die benötigten Schritte zur Problemlösung durchgeführt haben.
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Intelligentere Menschen nehmen sich mehr Zeit zum Lösen komplexer Aufgabenstellungen, arbeiten also langsamer, machen aber auch weniger Fehler. Im Alltag bedeutet dies, dass schlaue Menschen an einer roten Ampel schneller auf die Bremse treten, aber mehr Zeit benötigen, um die optimale Route zu finden.
Bei komplizierteren Aufgaben muss man Dinge im Arbeitsgedächtnis behalten, während man weitere Lösungen sucht und diese dann miteinander in Einklang bringt. Dieses Sammeln von Beweisen für eine bestimmte Lösung dauert manchmal länger, führt dann aber auch zu besseren Ergebnissen. Intelligentere Menschen treffen einfache Entscheidungen schneller, nehmen sich aber bei schwierigeren Problemen mehr Zeit.
Geschlechtsunterschiede im Gehirn
Dass Männer im Durchschnitt größere Gehirne haben als Frauen, ist bekannt. Wie sich das Gehirn zwischen Geschlechtern jedoch funktionell unterscheidet, ist weniger gut verstanden. Forschungen legen nahe, dass die Geschlechtsunterschiede in der funktionellen Organisation des Gehirns eher kleine Unterschiede in den Netzwerken und den Verbindungen dazwischen widerspiegeln.
Unterschiede in der Gehirngröße, -mikrostruktur und Abstand der funktionellen Verbindungen entlang der kortikalen Oberfläche können die funktionellen Unterschiede zwischen den biologischen Geschlechtern nicht vollständig erklären. Es gibt kleine Geschlechtsunterschiede in den Verbindungen innerhalb und zwischen funktionellen Netzwerken, was die kleinen Unterschiede in der funktionale Netzwerktopographie zwischen den Geschlechtern allgemein erklären könnte.
Sexualhormone spielen eine wichtige Rolle in der Modulierung und Plastizität der Mikrostruktur des Gehirns. Die Interaktion aus Chromosomen, Hormonen und Geschlechtsorganen ergibt ein Geschlechtskontinuum.
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Gehirngröße und Intelligenz
Die Frage, ob ein großes Gehirn mit großer Intelligenz einhergeht, beschäftigt die Menschen seit Jahrhunderten. Eine Studie hat ergeben, dass die Gehirngröße nur eine untergeordnete Rolle für die IQ-Testleistung spielt. Das Gehirnvolumen erklärt etwa sechs Prozent der beobachteten Unterschiede zwischen der Intelligenz verschiedener Menschen. Struktur und Integrität des Gehirns scheinen als biologische Grundlage von Intelligenz zu fungieren.
Beim Menschen haben Männer im Mittel größere Gehirne, aber die kognitiven Fähigkeiten unterscheiden sich im Durchschnitt nicht von denen der Frauen. Das Gehirn verbraucht etwa ein Viertel der vom Körper genutzten Energie, obwohl es nur rund zwei Prozent der Körpermasse ausmacht.
Intelligenz im Lebensverlauf
Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das menschliche Gehirn in den letzten 10.000 bis 15.000 Jahren an Volumen verloren hat. Eine Theorie dazu ist, dass der Mensch sich selbst domestiziert hat. Domestizierte Tiere haben im Durchschnitt ein kleineres Gehirn.
Daten aus Schottland zeigen, dass sich mit dem Ergebnis des IQ-Tests im Alter von elf Jahren die kognitiven Fähigkeiten im Alter besser als mit jedem anderen Einzelmerkmal voraussagen lassen. Je besser ein Gehirn in der Kindheit funktioniert, desto mehr kognitive Reserven kann man im Alter verlieren, bevor Schäden auftreten.
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