Das menschliche Nervensystem ist ein komplexes und faszinierendes Netzwerk, das für die Steuerung nahezu aller Körperfunktionen verantwortlich ist. Von einfachen Reflexen bis hin zu komplexen Denkprozessen spielen Nerven eine entscheidende Rolle. Aber wie viele Nerven hat der menschliche Körper eigentlich? Und wie funktionieren diese Nerven, um die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, die sie tagtäglich übernehmen?
Das Nervensystem: Eine Einführung
Das Nervensystem ist das Kommunikationsnetzwerk des Körpers. Es besteht aus Abermilliarden Nervenzellen, auch Neuronen genannt, die Informationen in Form von elektrischen und chemischen Signalen übertragen. Dieses komplexe Netz steuert bewusste und unbewusste Prozesse, wie die Atmung, den Herzschlag, die Verdauung, Muskelbewegungen und Sinneswahrnehmungen.
Das Nervensystem lässt sich grob in zwei Hauptbereiche unterteilen:
- Das zentrale Nervensystem (ZNS): Es besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Das Gehirn ist das Kontrollzentrum des Körpers, während das Rückenmark als Hauptkommunikationsweg zwischen Gehirn und dem Rest des Körpers dient.
- Das periphere Nervensystem (PNS): Es umfasst alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Das PNS verbindet das ZNS mit den Organen, Gliedmaßen und der Haut und ermöglicht so die Übertragung von Sinnesinformationen und die Ausführung von Befehlen.
Innerhalb des peripheren Nervensystems gibt es weitere Unterteilungen:
- Das somatische Nervensystem: Steuert willkürliche Bewegungen der Skelettmuskulatur.
- Das autonome Nervensystem: Reguliert unwillkürliche Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Das autonome Nervensystem wird weiter unterteilt in den Sympathikus (aktiv bei Stress und Aktivität) und den Parasympathikus (aktiv in Ruhe und Erholung).
- Das enterische Nervensystem: Oft als "Bauchhirn" bezeichnet, steuert die Funktion des Verdauungstrakts.
Die Anzahl der Nervenzellen: Eine Schätzung
Lange Zeit ging man davon aus, dass das menschliche Gehirn etwa 100 Milliarden Nervenzellen enthält. Diese Zahl wurde oft in populärwissenschaftlichen Artikeln und sogar in einigen Fachpublikationen genannt. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass diese Schätzung wahrscheinlich zu hoch ist.
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Die brasilianische Neurowissenschaftlerin Suzana Herculano-Houzel und ihr Team haben 2009 eine genauere Methode entwickelt, um die Anzahl der Nervenzellen im Gehirn zu bestimmen. Sie homogenisierten Gehirne von Männerleichen, wodurch sämtliche Hirnstrukturen gleichmäßig miteinander verquirlt wurden. Dadurch verfügten die entnommenen Proben über eine durchschnittliche Verteilung von Zellen und Zelldichten und waren damit repräsentativ für das gesamte Gehirn. Durch Hochrechnung der Zellzahlen in den Proben auf das gesamte Hirnvolumen kamen sie zu einer neuen Schätzung von etwa 86 Milliarden Nervenzellen im Gehirn.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Zahl eine Schätzung ist. Die tatsächliche Anzahl der Nervenzellen kann von Mensch zu Mensch variieren. Außerdem bezieht sich diese Zahl nur auf das Gehirn. Der Körper enthält noch viel mehr Nervenzellen, beispielsweise im enterischen Nervensystem im Darm oder im Rückenmark.
Wie Nervenzellen kommunizieren
Nervenzellen kommunizieren miteinander über elektrische und chemische Signale. Jede Nervenzelle besteht aus einem Zellkörper (Soma) mit Fortsätzen, den Dendriten und einem Axon. Die Dendriten empfangen Signale von anderen Nervenzellen, während das Axon Signale an andere Nervenzellen oder Zielzellen weiterleitet.
Die Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen werden als Synapsen bezeichnet. An den Synapsen werden elektrische Signale in chemische Signale umgewandelt. Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, werden freigesetzt und binden an Rezeptoren auf der Empfängerzelle, wodurch dort ein neues elektrisches Signal ausgelöst wird.
Die Stärke der Signalübertragung an den Synapsen kann verstärkt oder abgeschwächt werden. Dieses Phänomen wird als synaptische Plastizität bezeichnet und ist die Grundlage für Lernprozesse und Gedächtnisbildung. Durch die Veränderung der synaptischen Verbindungen kann das Gehirn sich an neue Erfahrungen anpassen und neue Informationen speichern.
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Die Plastizität des Gehirns
Lange Zeit galt die Annahme, dass sich das Gehirn eines Erwachsenen nicht mehr verändert. Heute weiß man jedoch, dass das Gehirn bis ins hohe Alter lernfähig bleibt und sich laufend umbaut. Diese Fähigkeit wird als neuronale Plastizität oder einfach Plastizität bezeichnet.
Die Plastizität des Gehirns ermöglicht es uns, neue Fähigkeiten zu erlernen, uns an veränderte Umstände anzupassen und sogar die Folgen von Hirnschäden teilweise zu kompensieren. Studien haben gezeigt, dass das Gehirn von Londoner Taxifahrern, die sich gut orientieren und Routen merken können müssen, im Hippocampus - einer für das Ortsgedächtnis zentralen Region im Gehirn - über die Jahre größer wird.
Die Vorstellung, dass das Gehirn ein Leben lang lernfähig bleibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht unbestritten. Anders hätte der Mensch die vielfältigen Herausforderungen, denen er im Laufe eines Lebens begegnet, auch gar nicht bewältigen können. So können wir bis ins hohe Alter eine Fremdsprache und Yoga lernen, uns Gesicht und Stimme eines neuen Arbeitskollegen merken oder den Weg zu einer neuen Pizzeria.
Faktoren, die die Nervenzellen beeinflussen
Verschiedene Faktoren können die Gesundheit und Funktion der Nervenzellen beeinflussen:
- Alter: Das Älterwerden geht nicht spurlos an unserem Gehirn vorüber. Mit zunehmendem Alter können Nervenzellen absterben und die synaptischen Verbindungen schwächer werden.
- Umweltgifte: Umweltgifte können Nervenzellen schädigen und ihre Funktion beeinträchtigen.
- Drogen und Alkohol: Drogen und Alkohol sind Zellgifte, die Nervenzellen schädigen können.
- Infektionskrankheiten: Infektionskrankheiten wie Corona können das Gehirn beeinflussen und zu neurologischen Problemen führen.
- Lernen und Aktivität: Studien mit Senioren haben gezeigt, dass das menschliche Gehirn auch im Alter noch wachsen kann, wenn wir etwas Neues lernen. Jonglieren, Klavier spielen oder eine Fremdsprache lernen - was es ist, ist egal. Die Hauptsache: Es ist neu und macht Spaß.
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