Das menschliche Gehirn und Computer sind beides informationsverarbeitende Systeme, aber sie unterscheiden sich grundlegend in ihrer Struktur, Funktionsweise und ihren Fähigkeiten. Seit der Erkenntnis, dass das Gehirn eine besondere Rolle im Körper spielt, wurde es mit Metaphern beschrieben, die dem jeweiligen Stand der Technik entsprachen. Einst sollte es wie ein Räderwerk funktionieren, dann wie mit Körperteilen verbundene kommunizierende Röhren, dann wie eine Telefonzentrale und nun wie ein Computer.
Unterschiede in Struktur und Funktion
Computer und Festplatten werden von Menschen mit einem Plan gebaut, die wissen, wie viele Schaltkreise verbaut werden und wie viel Speicherkapazität das Gerät am Ende hat. Gehirne hingegen wachsen organisch. Computer funktionieren streng digital und ihre Elementarbausteine arbeiten binär nach dem Prinzip 0 oder 1 (Strom fließt oder fließt nicht). Das Gehirn besteht größenordnungsmäßig aus 100 Milliarden bis einer Billion Nervenzellen. Die Information steckt in den Synapsen, den Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Jede Gehirnzelle hat im Schnitt 1.000 bis 10.000 Verbindungen zu anderen Nervenzellen. Anders als bei Computerschaltkreisen gilt hier nicht das Prinzip "Strom fließt oder fließt nicht" bzw. "Nervenzelle feuert oder feuert nicht". Die Aktivität ist abgestuft; die Nervenzellen können in verschiedenen Intensitäten feuern.
Parallele Verarbeitung vs. Sequentielle Verarbeitung
Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass im Gehirn viele Prozesse parallel ablaufen und weit über das ganze Gehirn verteilt sind. Das Gehirn ist immer aktiv, wobei sich der Cortex hauptsächlich mit selbstgenerierter Aktivität befasst und nicht nur mit Signalen aus den Sinnesorganen. Der Computer hingegen verknüpft Input mit Output, und wenn kein Input kommt, tut er gar nichts. Im Gegensatz dazu arbeiten herkömmliche Computer die Befehle sequentiell ab und schieben dabei laufend Datenpakete zwischen dem Speicher und dem Prozessor hin und her.
Energieeffizienz
Ein Gehirn kommt mit einer Leistung von etwa 20 Watt aus, während der derzeit schnellste Supercomputer 18 Millionen Watt benötigt. Für einen Supercomputer, der die Arbeit des menschlichen Gehirns simulieren kann, wird man ein eigenes Kraftwerk bauen müssen. Das Gehirn ist bemerkenswert energieeffizient.
Rechenleistung und Speicherkapazität
Die Rechenleistung des Gehirns lässt sich schwer abschätzen. Eine untere Grenze könnte bei 1.000 Gigabyte liegen, aber auch diese Angabe ist willkürlich. Das Problem ist, dass das Gehirn Information anders verarbeitet als ein Computer. Nicht jede Aktivität im Gehirn bedeutet, dass Information gespeichert wird - ein Großteil der Aktivität dient dazu, Reize zu filtern und zu verarbeiten. Technisch gesprochen ist beim Gehirn nicht klar, wie viel Leistung in den "Prozessor" (die Verarbeitung von Information) und wie viel in die Informationsspeicherung geht.
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Die Rolle der Synapsen
Mit seinen nahezu 90 Milliarden Neuronen, die mit Billionen von Synapsen verbunden sind, hat ein menschliches Gehirn eine Rechenleistung von etwa 4 bis 5 Petabytes. Die mikroskopische Struktur des menschlichen Gehirns ist sowohl in seiner Architektur als auch in seiner Dynamik erheblich vom Computer verschieden. Die etwa 1012 (1000 Milliarden) Nervenzellen (Neuronen) des Gehirns sind über etwa 1015 (1000 mal 1000 Milliarden) synaptische Verbindungen miteinander verknüpft.
Informationsverarbeitung im Gehirn
Wie lernt das Gehirn? Um diese Frage beantworten zu können, gilt es, neuronale Netze von höchster Komplexität zu simulieren. Die Komplexität der Informationsverarbeitung beruht im Hirn weniger auf hoher Geschwindigkeit als auf großen Zahlen. 1000 Milliarden Neuronen mit einer Feuerrate von einem Hertz erzeugen pro Sekunde eine Informationsmenge von 2 500 Gigabyte, wenn man für die Beschreibung von Ort und Zeit eines Aktionspotentials einen Informationsbedarf von nur 20 Bits ansetzt.
Künstliche Intelligenz und neuronale Netze
Künstliche neuronale Netze (KNN) werden bereits heute in der Erkennung von Bildern und Objekten eingesetzt. Allerdings haben sie weniger mit unserem Gehirn zu tun, als ihr Name suggeriert: Zumeist basieren sie auf Algorithmen, die komplexe mathematische Operationen durchführen. Die größte Stärke künstlicher neuronaler Netze liegt in der Mustererkennung. Sie werden häufig für die Klassifizierung von Bildern verwendet, zum Beispiel in der Medizin, um Hautkrebs zu entdecken. Auch für das autonome Fahren sind diese Netze essentiell, weil sie Objekte - andere Fahrzeuge, Hindernisse, Verkehrszeichen - erkennen können.
Unterschiede zwischen KNN und dem Gehirn
Künstliche neuronale Netze werden häufig als Nachbildung unseres biologischen Gehirns im Computer beschrieben. Tatsächlich aber sind sie nichts anderes als effiziente Algorithmen, die mittels hochkomplexer mathematischer Operationen einen interpretierbaren Wert berechnen. Durch ihre große Anzahl an Parametern - oft mehrere Millionen - können sie jede beliebige mathematische Funktion darstellen. Unser Gehirn ist deswegen so effizient, weil es nicht mit analogen Werten rechnet, sondern mit einer Abfolge von immer gleich hohen Spannungspulsen. Die Information ist nicht in der Stärke dieser Aktionspotentiale, sondern in den zeitlichen Abständen kodiert.
Neuromorphe Computer
Um die Computer zu verbessern, versuchen Forscher heute, einzelne Aspekte der Funktionsweise des Gehirns im Rechner nachzubauen, etwa in Form künstlicher neuronaler Netze. Es gibt auch Ansätze, spezielle Computer-Chips zu bauen, bei denen das „Feuern“ der Nervenzellen des Gehirns mit elektrischen Kondensatoren simuliert wird. Neuromorphe Computer zählen zu den vielversprechendsten neuen Technologien. Wie das menschliche Gehirn müssen neuronale Netze, die aus neuromorphen Chips bestehen, extrem flexibel sein und sich intuitiv in einer unvorhersehbaren Umwelt zurechtfinden. Sie lernen aus Erfahrungen, indem sie Netzwerke mit erlernten Daten für Problemlösungen nutzen, die sie zuvor noch nicht gesehen haben. Dies erfordert eine enorme Rechenintensität und wird ermöglicht, indem neuromorphe Chips gleichzeitig Daten speichern und verarbeiten können - ebenso wie dies die Neuronen und Synapsen des menschlichen Gehirns tun.
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Grenzen der künstlichen Intelligenz
Trotz aller Fortschritte in der KI gibt es weiterhin Bereiche, in denen das menschliche Gehirn überlegen ist. Das Gehirn ist ein Organ des Körpers, mit dem es eng und vielfältig vernetzt ist. Und alles, was wir denken, planen, erkennen, wird von Emotionen begleitet. Während man Bewertungen in Ansätzen auch in Computern realisieren kann, ist noch gar nicht verstanden, wie aus neuronaler Aktivität Bewusstsein entstehen kann.
Die Flexibilität des Gehirns
Unser Hirn versetzt uns in die Lage, mit völlig neuen und unerwarteten Situationen fertig zu werden - eine Aufgabe, an der konventionelle Computer regelmäßig scheitern. Das Gehirn kann selbst dann noch sehr leistungsfähig arbeiten, wenn es Schaden genommen hat und weist somit eine bemerkenswerte Fehlertoleranz auf. Ein einziger fehlerhafter Transistor in einem Mikroprozessor hingegen kann das komplette System nutzlos werden lassen.
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