Chorea Huntington, auch bekannt als Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington, ist eine erbliche, neurodegenerative Erkrankung des Gehirns, die durch fortschreitende Bewegungsstörungen, kognitive und psychiatrische Symptome gekennzeichnet ist. Die Krankheit wurde nach dem US-amerikanischen Arzt George Huntington benannt, der sie 1872 erstmals wissenschaftlich beschrieb. Der Begriff "Chorea" stammt vom griechischen Wort "choreia" = Tanz und bezieht sich auf die charakteristischen, unwillkürlichen Bewegungsstörungen, die Teil der Erkrankung sind. Früher wurde die Krankheit auch Veitstanz genannt.
Symptome von Chorea Huntington
Erste Anzeichen der Huntington-Krankheit können vielfältig sein und oft unspezifisch beginnen. Dazu zählen:
- Bewegungsstörungen: Überbewegungen (Hyperkinesen, Chorea) oder Bewegungsverarmung (Hypokinese) der Arme, Beine und im Gesicht. Diese unwillkürlichen, plötzlichen, raschen, unregelmäßigen und nicht vorhersehbaren Bewegungen der Extremitäten, des Gesichts, des Halses und des Rumpfes können an einen Tanz erinnern.
- Gleichgewichtsstörungen
- Beeinträchtigung der Feinmotorik oder ein Zittern
- Verhaltensauffälligkeiten: Aggressives oder enthemmtes Verhalten, Zurückgezogenheit, Antriebsarmut, Lustlosigkeit, emotionale Labilität, Depression
- Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Leistungseinschränkungen, verminderte Belastbarkeit sowie Schlafstörungen
- Psychiatrische Störungen: Halluzinationen, Zwangsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen
Im weiteren Verlauf der Huntington-Krankheit können sich die Symptome verstärken und zu Gehunfähigkeit führen. Es kann zu Störungen der Aussprache (Dysarthrie) und Schluckbeschwerden (Dysphagie) kommen, so dass die Ernährung über eine Sonde notwendig sein könnte. Bei den meisten Betroffenen entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung eine Demenz. Typisch ist auch das hastige Essen, bei dem Betroffene Speisen hinunterschlingen und kaum kauen.
Ursachen und Vererbung
Morbus Huntington ist eine genetisch bedingte (erbliche) Krankheit, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden kann. Ursache ist eine Mutation im Huntingtin-Gen (HTT) auf Chromosom 4 (Genlokus p16.3). Dieses Gen enthält einen Bereich, in dem sich die DNA-Bausteine CAG (Cytosin, Adenin und Guanin) mehrfach wiederholen. Bei gesunden Menschen wiederholt sich das Basentriplett CAG etwa 10-30 Mal. Bei Betroffenen des Morbus Huntington gibt es eine übermäßige Anzahl dieser Wiederholungen. Ab etwa 36 Wiederholungen bricht die Krankheit aus. Die Zahl der Wiederholungen nimmt von einer Generation zur nächsten häufig zu. Je mehr CAGs, desto früher bricht die Krankheit aus und umso rascher schreitet sie voran.
Jedes Kind eines Elternteils, der das Huntington-Gen in sich trägt, hat eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, das mutierte Gen zu erben. Hat ein Kind das mutierte Gen ererbt, wird es die Krankheit irgendwann entwickeln. Dies geschieht normalerweise erst im Erwachsenenalter, meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen die Krankheit bereits vor dem 20. Lebensjahr (juvenile Huntington-Krankheit) oder nach dem 55. Lebensjahr ausbricht. Männer und Frauen können das Gen gleichermaßen erben und damit die Krankheit entwickeln.
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In ca. 5 bis 10% der Huntington-Genträger sind Spontanmutationen für die Genveränderung verantwortlich.
Häufigkeit
Die Huntington-Krankheit ist eine seltene Erkrankung. In Europa geht man von 6 bis 12 Betroffenen auf 100.000 Einwohner aus. In Deutschland rechnet man mit rund 10.000 Menschen, die von Morbus Huntington betroffen sind, und weiteren 50.000, die das Risiko tragen, die Krankheitsanlage geerbt zu haben, weil ein Elternteil von der Huntington-Krankheit betroffen ist (oder war). In Nordamerika sind es rund 30.000 Kranke und weitere 150.000 sog. Risikopersonen. Die HK kommt in allen ethnischen Gruppen vor, ist jedoch bei der europäischen Bevölkerung am stärksten verbreitet.
Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) in der westlichen Hemisphäre wird mit 7-10 auf 100 000 Einwohner angegeben. Die Inzidenz wird mit 2-10 Fällen pro 100.000 Einwohner angegeben. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. So tritt die Erkrankung beispielsweise in Finnland, China und Japan deutlich seltener auf (Inzidenz 1 auf 100.000 Einwohner).
Diagnose
Die Diagnosestellung der Morbus Huntington erfolgt in der Regel in spezialisierten Zentren für Neurologie. Sie basiert auf:
- Anamnese: Ausführliche Befragung zur Krankengeschichte und Familiengeschichte.
- Neurologische Untersuchung: Untersuchung auf Bewegungsstörungen und psychiatrische Auffälligkeiten. Hierbei sollte der Unified Huntington’s Disease Rating Scale total motor score (UHDRS-TMS) erhoben werden.
- Bildgebende Verfahren: Eine Magnetresonanztomografie (MRT) kann Aufschluss darüber geben, ob bestimmte Gehirnregionen bereits durch Huntington geschädigt sind. Eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann charakteristische Störungen im Stoffwechsel von Hirngewebe sichtbar machen. In der zerebralen Bildgebung (cMRT oder bei Kontraindikation cCT) kann eine Atrophie des Nucleus caudatus durch an den Vorderhörnern erweiterte Seitenventrikel nachgewiesen werden. Als Zeichen der Hirnatrophie tritt eine Verbreiterung der Rindenfurche auf.
- Gentest: Ein DNA-Test weist die Mutation des auf Chromosom 4 liegenden Gens mit sehr hoher Sicherheit nach. Dabei wird die Anzahl dreier Basen-Wiederholungen (CAG: Cytosin, Adenin, Guanin) bestimmt. Bei sehr häufigen Wiederholungen kommt es mit Sicherheit zu einem Ausbruch der Krankheit. Die molekulargenetische Untersuchung mit Bestimmung der CAG-Repeats im Huntingtin-Gen erfolgt nach Aufklärung des Patienten und dessen Einwilligung. Die genetische Untersuchung kann von jeder Ärztin und jedem Arzt nach Aufklärung gemäß §10 Gen-DG und schriftlicher Einwilligung vorgenommen werden. Für gesunde Angehörige von betroffenen Patienten ist eine prädiktive genetische Diagnostik möglich.
Es ist wichtig, andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Die Liste weiterer Krankheiten mit choreatiformen Störungen beinhaltet andere genetische Krankheiten wie z.B. die Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson, die spinocerebelläre Ataxie Typ 1, 2, 3, 17, Friedrich Ataxie, Huntingon’s disease like-Erkrankungen, Neuroakanthozytose. Weitere Erkrankungen mit Chorea können entstehen u.a. infolge von Schlaganfällen, Schilddrüsenstörungen oder durch Einnahme von Medikamenten, die den Dopaminstoffwechsel beeinflussen.
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Therapie
Eine Heilung der Huntington-Krankheit gibt es derzeit nicht. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Therapie erfolgt in spezialisierten Zentren und umfasst in der Regel:
- Medikamentöse Therapie:
- Hyperkinesen: Überbewegungen werden mit Dopaminrezeptorantagonisten (Tiaprid, Haloperidol), Dopamin-entspeicherern (Tetrabenazin) oder atypischen Antipsychotika behandelt. Nach derzeitiger Studienlage ist Tetrabenazin am besten zur Therapie geeignet. Der große Nachteil liegt darin, dass als unerwünschte Arzneimittelwirkung eine Depression auftreten kann.
- Minderbewegungen: Können mit Parkinson-Medikamenten behandelt werden. In einzelnen Fallberichten wird über eine Besserung unter L-Dopa, Amantadin oder Pramipexol berichtet. Besonders bei bradykinetischen Patienten und der juvenilen Westphal-Variante können Dopaminagonisten angewendet werden.
- Depression: Kann mit beispielsweise Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Dopamin-Rezeptorantagonisten behandelt werden. Bei schweren Depressionen scheint die Therapie mit SSRI, besonders mit Venlafaxin, effektiv zu sein. Bei einer leichten Depression kann Sulpirid in einer Dosierung von 50-600 mg täglich eingesetzt werden.
- Psychische Veränderungen: Vermehrte Reizbarkeit, Aggressivität oder Psychosen können mit atypischen Neuroleptika häufig gut kontrolliert werden. Antipsychotika sollten angewendet werden. Erfahrungen gibt es zu Haloperidol, Olanzapin, Aripiprazol, Risperidon, Quetiapine, Clozapin und Amisulprid.
- Nicht-medikamentöse Therapie:
- Ernährung: Gegen einen drohenden Gewichtsverlust wird eine hochkalorische Ernährung mit bis zu 6 bis 8 Mahlzeiten pro Tag empfohlen. Der Stoffwechsel von Patienten mit Chorea Huntington befindet sich in einem katabolen Zustand.
- Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie: Wichtig sind regelmäßige Anwendungen mittels Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie. Zwei Studien konnten eine Verbesserung der Gangsicherheit durch Krankengymnastik belegen.
- Psychologische und psychosoziale Maßnahmen: Psychologische und psychosoziale Maßnahmen sind notwendig. Weiter gibt es Selbsthilfegruppen wie z.B. die Deutsche Huntington Hilfe. Patienten und Angehörige können sich in das Europäische Huntington-Netzwerk einschließen lassen.
Da derzeit keine neuroprotektiven Wirkstoffe zur Behandlung der Huntington-Erkrankung zur Verfügung stehen, kommt es im Verlauf der Erkrankung unweigerlich zu einem zunehmenden Verlust der Nervenzellen im Striatum, aber auch im Cortex und im Hirnstamm. Man versucht, diesen Zellverlust über Transplantation von Stammzellen in das Gehirn hinein auszugleichen. Ein weiterer Ansatz ist die Tiefe Hirnstimulation mit experimenteller Implantation eines Hirnschrittmachers.
Vorbeugung
Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, gibt es keine Möglichkeit, Chorea Huntington vorzubeugen. Allerdings kann eine genetische Beratung und Testung für Risikopersonen sinnvoll sein, um das eigene Erkrankungsrisiko zu klären und gegebenenfalls Familienplanung zu betreiben.
Verlauf und Prognose
Die Huntington-Krankheit ist eine fortschreitende Erkrankung, die in der Regel nach 15-20 Jahren nach dem Auftreten der ersten Symptome zum Tod führt. Der Verlauf der juvenilen Form ist schneller, mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 10-15 Jahren nach Symptombeginn. Die Prognose hängt vom Fortschreiten der Krankheit und dem Management der Symptome ab. Häufigste Todesursache sind Schluckstörungen, die zu Erstickung oder Lungeninfekten führen.
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