Wie Opioide im Gehirn wirken: Ein detaillierter Einblick

Opioide sind starke Schmerzmittel, die über Opioidrezeptoren im zentralen Nervensystem (ZNS) wirken. Sie werden in der Schmerztherapie eingesetzt, bergen aber auch Risiken, insbesondere bei Missbrauch. Dieser Artikel untersucht die genaue Wirkungsweise von Opioiden im Gehirn, ihre therapeutischen Anwendungen, die Risiken der Abhängigkeit und aktuelle Forschungsansätze.

Was sind Opioide?

Opiate sind natürlich vorkommende organische Verbindungen (Alkaloide) aus Opium, das aus Schlafmohn (Papaver somniferum) gewonnen wird. Opioide hingegen sind Stoffe, die entweder als natürliche, körpereigene Opioide (Endorphine) vorkommen oder synthetisch hergestellt werden. Opioide und Opiate ähneln sich in ihrer Wirkung, weshalb man bei Opioiden auch von synthetischen Opiaten spricht. Zu den bekannten Opioiden gehören Morphin, Codein, Tramadol, Oxycodon und Fentanyl.

Wie wirken Opioide im Gehirn?

Opioide wirken hauptsächlich im zentralen Nervensystem, genauer gesagt an bestimmten Zellen im Gehirn und Rückenmark, die Opioidrezeptoren besitzen. Diese Rezeptoren sind normalerweise mit körpereigenen Opioiden (Endorphinen) besetzt. Wenn Opioide an diese Rezeptoren binden, unterdrücken sie die Weiterleitung von Schmerzsignalen und aktivieren das schmerzhemmende System.

Der Mechanismus im Detail

  1. Bindung an Opioidrezeptoren: Opioide binden an Opioidrezeptoren in der prä- und postsynaptischen Membran von Nervenzellen. Diese Rezeptoren verändern ihre Struktur, was zur Blockierung der Rezeptoren der postsynaptischen Membran führt.
  2. Hemmung der cAMP-Ausschüttung: Durch die Blockierung der Rezeptoren wird die Ausschüttung von cyclischem Adenosinmonophosphat (cAMP) in der empfangenden Zelle unterbunden. cAMP ist ein sogenannter "Second Messenger", der eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung in Zellen spielt.
  3. Körperliche Gegenreaktion: Langfristige Opioidausschüttung führt zu Gegenreaktionen der Zelle. Die Anzahl der Rezeptoren in der postsynaptischen Membran wird erhöht, um die cAMP-Konzentration in der Zelle konstant zu halten. Dies führt zu einer Toleranzentwicklung, bei der die Opioidrezeptoren erhöht werden müssen, um den Effekt der Droge aufrechtzuerhalten.

Das Beispiel Heroin

Heroin ist ein bekanntes Opioid, das subjektiv positive Empfindungen auslöst. Es dockt an den Opiatrezeptoren im zentralen Nervensystem an und mindert das Schmerzempfinden. Heroin bewirkt gleichzeitig entspannende und euphorisierende Gefühle, dämpft die geistige Aktivität und beseitigt unangenehme Empfindungen wie Angst und Gefühle der Leere.

  • Rauschzustand: Heroin blockiert die Bildung von cAMP, was zu einem chaotischen physiologischen Zustand und einem Rauschzustand führt.
  • Toleranzentwicklung: Der Körper reagiert auf die Blockade von cAMP, indem er neue Rezeptoren bildet, um die cAMP-Menge konstant zu halten. Um den gleichen Rauschzustand zu erreichen, muss mehr Heroin verwendet werden.
  • Entzugserscheinungen: Beim Absetzen von Heroin produzieren alle Rezeptoren die Freisetzung von cAMP, was zu einer Überreaktion mit Erbrechen, Schüttelfrost und Schmerzen führt. Die Entwöhnung von Heroin erfolgt, indem der Körper die Rezeptoren langsam abbaut.

Therapeutische Anwendung von Opioiden

Opioide werden als Medikamente zur Schmerzbekämpfung eingesetzt. Morphin beispielsweise bekämpft den Schmerz, ohne das Bewusstsein zu beeinflussen. Es verhindert die Wahrnehmung eines Schmerzreizes, indem es im Gehirn bzw. Rückenmark an Opioid-Rezeptoren bindet und damit die Schmerzweiterleitung unterbunden wird.

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Wann werden Opioide eingesetzt?

Opioide kommen immer dann zum Einsatz, wenn nicht-opioide Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen keine Erfolge in der Behandlung mit sich bringen. Bei der Behandlung von Tumorschmerzen gelten Opioide häufig als unumgänglicher Standard. Im dreistufigen WHO-Stufenschema fallen Opioidanalgetika in die zweite und dritte Stufe.

Dosierung und Einnahme

Patienten, denen im Rahmen einer Schmerztherapie Präparate mit opioiden Inhaltsstoffen verschrieben werden, sollten sich jederzeit an die vorgegebene Dosis halten. Diese wird vom behandelnden Arzt in der Regel so gewählt, dass das betreffende Analgetikum dauerhaft gegen Schmerzen wirkt. Es ist wichtig, die nächste Dosis einzunehmen, bevor der Schmerz wieder aufflammt.

Risiken und Nebenwirkungen von Opioiden

Opioide bergen ein extrem hohes Abhängigkeitspotential und können schon bei regulärer Anwendung in eine Medikamentensucht führen. Der Körper gewöhnt sich relativ schnell an das verordnete Mittel, und die Dosis muss nach und nach gesteigert werden, um dieselbe Wirkung zu erzielen (Toleranzentwicklung). Die Behandlung mit opioiden Analgetika sollte deshalb immer nur so kurz wie möglich erfolgen.

Mögliche Nebenwirkungen

  • Übelkeit
  • Atemstörungen
  • Abhängigkeit
  • Lebensbedrohliche Atemdepression bei Überdosierung

Was ist bei der Einnahme zu beachten?

  • Nicht mit anderen psychoaktiven Substanzen kombinieren: Opioide sollten nicht mit anderen psychoaktiven Substanzen kombiniert werden.
  • Gegenanzeigen und Kontraindikationen beachten: Eine Behandlung mit Opioiden ist nicht angeraten, wenn gleichzeitig Medikamente mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Benzodiazepine verabreicht werden.
  • Opioid-Ausweis: Chronischen Schmerzpatienten, die dauerhaft opioide Schmerzmittel einnehmen, wird empfohlen, einen Opioid-Ausweis mit sich zu führen, in dem die verordneten Analgetika, die Dosierung und die Einnahmedaten aufgeführt werden.

Die Opioid-Krise

Die Opioid-Krise, insbesondere in den USA, ist ein dramatisches Beispiel für die hohe Suchtgefahr von Opiaten und Opioiden. Allein im Jahr 2022 starben dort fast 108.000 Menschen an einer Überdosis. Knapp 82.000 starben an Opioiden. Diese Zahlen sind auf eine jahrelange inadäquat hohe Verordnung von Opioiden zurückzuführen.

Situation in Deutschland

Im Vergleich zu den USA sind die Opferzahlen in Deutschland niedriger. Im Jahr 2022 verloren 1.194 Menschen ihr Leben durch Opioid-Konsum. Dennoch ist es wichtig, die Risiken von Opioiden ernst zu nehmen und einen verantwortungsvollen Umgang zu fördern.

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Behandlung von Opioidabhängigkeit

Wer an einer Opioid- oder Opiat-Abhängigkeit leidet, sollte sich schnellstmöglich mit adäquaten Behandlungsmöglichkeiten auseinandersetzen. Ein qualifizierter Opiatentzug unter ärztlicher Aufsicht ist grundsätzlich notwendig.

Mögliche Behandlungsansätze

  • Ausschleichen: In einer Suchtklinik werden die suchterzeugenden Stoffe langsam und unter medizinischer Betreuung ausgeschlichen.
  • Substitutionstherapie: Bei Bedarf kann eine Substitutionstherapie mit z. B. L-Polamidon, Methadon oder Buprenorphin erfolgen.
  • Psychotherapie: Parallel dazu müssen im Rahmen einer Therapie auch die psychische Seite der Sucht beleuchtet und behandelt und alternative Lösungsstrategien zur Einnahme des Suchtmittels gefunden werden.

Aktuelle Forschung und neue Erkenntnisse

Opioide und Immunzellen

Wissenschaftler der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben nachgewiesen, dass Opioide ihre schmerzreduzierende Wirkung nicht nur über den Weg der Opioidrezeptoren von Neuronen im Gehirn entfalten, sondern dass sie auch an den Rezeptoren von Immunzellen aktiv werden. Dies trägt zu einem neuen Verständnis der Wirkweise von Schmerzmitteln bei. Opioide können Schmerz auch ausschalten, indem sie an Immunzellen andocken und auf diesem Weg aktiv werden.

Implantat als Lebensretter?

Forscher haben ein spezielles Implantat entwickelt, das bei einer Überdosis an Opiaten Leben retten könnte. Es kann die Überdosierung erkennen, ein Gegenmittel abgeben und Notfallhelfer informieren. Das sogenannte Naxolimeter wurde bisher an Tieren getestet und misst den Sauerstoffgehalt des umliegenden Gewebes. Ist dieser sehr gering, gibt es Naloxon ab, ein Notfallmedikament bei Opioid-Überdosierung.

Der Placeboeffekt bei Schmerzen

Studien haben gezeigt, dass der Placeboeffekt eine erhebliche Rolle bei der Schmerzlinderung spielt. Die Erwartungshaltung gegenüber einer Behandlung kann den Therapieerfolg maßgeblich beeinflussen. Der analgetische Effekt von Opioiden kann durch positive Erwartungen verstärkt werden. Dies eröffnet neue Perspektiven für die Schmerztherapie, bei der die therapeutische Nutzung von Placeboeffekten großes Potenzial birgt.

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